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Bild: Thomas Quine, (CC BY 2.0).

Abstürzende Vögel und auferstehende Mammuts – Twitter vs. Mastodon

Das soziale Netzwerk Mastodon erfährt seit der Übernahme von Twitter durch Elon Musk einen Hype. Was steckt hinter der deutschen Alternative – und bietet die Plattform eine langfristige Alternative zu Twitter?

Am 28.10.2022 verkündete der Milliardär Elon Musk: „The Bird is freed“. Dieser Post ist das Resultat von langwierigen Verhandlungen und 44 Mrd. USD. So viel musste Musk für das Unternehmen Twitter, dessen Logo ein kleiner blauer Vogel ziert, bezahlen. Das soziale Netzwerk dient vor allem dem Austausch von Kurznachrichten. Nicht alle 238 Millionen aktive User:innen sind über den neuen Twitter-Chef begeistert.

Der “freigelassene” Vogel gerät somit gerade in Turbulenzen. Das liegt vor allem an der Angst, dass sich der Twitter-Takeover negativ auf das soziale Klima der Microblogging-Plattform auswirken könnte. Musk hatte in der Vergangenheit oft kritisiert, dass Twitter zu stark in die freie Meinungsäußerung eingreifen würde. Viele Nutzer:innen haben nun die Befürchtung, dass Musks Übernahme unter dem Vorwand von weniger Regulation zu mehr hate speech führen wird. Seine erste Amtshandlung – die Kündigung der Teams, die für die Abteilungen “ethische KI” sowie “Menschenrechte” zuständig waren – wirkt wie eine Bestätigung dieser Angst. Diese dystopischen Aussichten befeuern aktuell den Hype um eine Alternative: Mastodon.

Was ist Mastodon und wo liegen die Unterschiede zu Twitter?

Mastodon ist wie Twitter ein Kurznachrichtendienst, auf dem User miteinander über Nachrichten, Bilder und Videos in Kontakt treten können. Das soziale Netzwerk wurde 2016 von Eugen Rochko, einem deutschen Programmierer, nach seinem Studium der Informatik in Jena gegründet. Das Besondere daran: Die Plattform ist dezentral organisiert und open source.

Das Netzwerk besteht aus vielen Instanzen, die gemeinsam miteinander interagieren können. Die einzelnen Server werden von Privatpersonen betrieben. Jeder, der möchte, kann mit etwas technischem Wissen selbst einen Server hosten, oder sich einem bestehenden anschließen. Letztlich wird das Netzwerk damit zu einer großen Do-It-Yourself Online-Plattform, was sich auch optisch in einem rustikalen Interface bemerkbar macht. Vor allem aber steht sie „nicht zum Verkauf“, wie es auf der Startseite des Betreibers heißt. Diese Power-to-the-People Agenda zeigt sich auch durch den Aufbau der einzelnen Server. Es wird keine Werbung geschaltet und die Inhalte können, anders als bei Twitter, durch stärkere Selektionsmechanismen individueller bestimmt werden.

Mastodon ist außerdem in das sogenannte “Federated Universe” (Fediverse) eingebunden. Dabei handelt es sich um einen Zusammenschluss verschiedener sozialer Netzwerke. Man kann es sich wie ein Universum vorstellen. Mastodon ist dort sozusagen nur ein Planet von vielen in den Weiten eines digitalen Kommunikationsuniversums.

Das Gute an einem dezentralen System dieser Art ist, dass man nicht von einer Person abhängig ist. Es wird niemanden geben, der Mastodon oder das Fediverse einfach aufkaufen und darüber bestimmen kann. Außerdem können die Benutzer:innen durch die verschiedenen Server individueller entscheiden, wie sie sich vernetzen möchten. Anders als bei einem zentralisierten Netzwerk ist nicht alles für alle vorgegeben. Das bedeutet allerdings auch mehr Eigenaufwand, da man mehr Optionen hat, jedoch auch eine größere individuelle Freiheit.

Mastodon ist in das sogenannte “Federated Universe” (Fediverse) eingebunden, ein Zusammenschluss verschiedener sozialer Netzwerkem, den man sich als ein Universum vorstellen kann. Mastodon ist dort sozusagen nur ein Planet von vielen in den Weiten eines digitalen Kommunikationsuniversums. Bild: Fediverse

Auch in einigen Funktionen unterscheiden sich die beiden Dienste. Während Twitter nur 280 Zeichen für öffentliche Nachrichten zur Verfügung stellt, sind es bei Mastodon 500. Außerdem ist die Zitierfunktion bei Mastodon eingeschränkt. Der Gründer Eugen Rochko begründet dies damit, dass die Zitierfunktion auf Twitter toxisches Verhalten befeuern würde. Die Menschen würden dadurch nicht mehr miteinander, sondern vor allem über sich sprechen. Eine bewusste Entscheidung, um Mastodon als einen Ort des Miteinanders zu erklären. Unterstützend kommt hinzu, dass bei Mastodon Likes eine untergeordnete Rolle spielen – sie führen nicht direkt zu einer höheren Sichtbarkeit und werden häufig erst bei der Detailansicht eines Posts angezeigt. Hier steht der Inhalt vor den Zahlen.

Stellt Mastodon eine zukünftige Alternative dar?

Aktuell verzeichnet das Netzwerk einen starken Anstieg an User:innenzahlen. Allein letzte Woche kamen 350 000 neue User dazu. Darunter auch Twitter-Accounts, die vorher eine große Reichweite hatten und nun zunächst bei 0 Follower wieder einsteigen müssen. Das Interesse ist somit da und die Benutzer:innen sind bereit, etwas dafür zu opfern. Natürlich sind aber die aktuell 6 Millionen aktiven User nicht besonders beeindruckend im Vergleich zu den fast 229 Millionen Twitter-Nutzer:innen. Aber das Mammut wächst und – wie es halt so ist, in der heutigen Welt – die Aufwärtskurve zählt. 

Aktuell verzeichnet das Netzwerk einen starken Anstieg an User:innenzahlen. Allein letzte Woche kamen 350 000 neue User dazu. Bild: Screenshot Mastodon

Neben den Vorzügen, die Mastodon mit sich bringt, gibt es jedoch auch ungeklärte Fragen, die zu Problemen werden könnten. Dadurch, dass die Server von Privatpersonen betrieben werden, stellt sich beispielsweise die Frage nach der Finanzierung. Aktuell werden diese größtenteils durch die Spenden der Community aufrechterhalten. Je mehr Menschen zu Mastodon wechseln, umso mehr Rechenleistung braucht es, um die Server flüssig laufen zu lassen. In den ersten Tagen kam es deswegen immer wieder zu Servereinbrüchen bei größeren Instanzen. Auch die Moderator:innen müssen mit der neuen Datenflut zurechtkommen, um weiterhin den freundlichen Umgangston der Plattform zu gewährleisten. Damit Mastodon zukünftig funktioniert, müssen sich die neuen User:innen somit gleichmäßig auf die verschiedenen Server verteilen, anderweitig drohen die beliebten Instanzen zu kollabieren, da sie nicht für die Menge der neuen User:innen ausgelegt sind.

Letztlich kommt es aber auch auf die Community selbst an. Soziale Netzwerke bestehen vorrangig aus Menschen und nicht aus Algorithmen. Die Mastodon-Community ist in Aufbruchsstimmung, getragen vom Optimismus, etwas Neues erschaffen zu können. Um Mastodon jedoch als langfristige Alternative für die breite Masse zu etablieren, muss sichergestellt werden, dass die Server genug Leistung haben und es genügend Moderator:innen gibt, die sich um die inhaltliche Betreuung kümmern können. Für beide Faktoren benötigt es Geld, welches aktuell primär von den User:innen selbst zur Verfügung gestellt wird. Die Finanzierung des Projekts ist damit eine entscheidende Stellschraube für die Zukunft von Mastodon. Trotz dieser Schwierigkeiten belebt die Plattform eine entscheidende Diskussion darüber, wie eine digitale Öffentlichkeit sowie dezentrale Netzwerke in Zukunft gestaltet werden sollen.