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Die Porträts von Manous, Ella, Denuelle und Mieke aus "In voller Blüte" (2022) copyright: AndBloom B.V., Denise Boomkens/Knesebeck Verlag

Altern in voller Blüte  – Die Schönheit der Frau über 40

Männer altern schöner als Frauen und nach 40 gibt es keinen Sex mehr? „Unsinn“, so die Fotografin Denise Boomkens. In ihrem Porträtband „In voller Blüte” räumt sie mit den Tabus über das Älterwerden als Frau auf. Unsere 27-Jährige Autorin hat die 45-jährige Niederländerin auf Zoom getroffen. Ein Einblick in einen intergenerationalen Austausch.

Denise, haben Sie Angst vor dem Älterwerden?

Nein, ich denke, älter zu werden ist ein Privileg. Als Gesellschaft neigen wir dazu, Alter als etwas Negatives zu sehen. In meinen Dreißigern dachte ich, mit 40 ist mein Leben vorbei. Als es soweit war, merkte ich: Seltsam, ich fühle mich nicht alt. Und so beschloss ich, die Vorbilder zu schaffen, die mir fehlten. Ich habe viele Frauen interviewt und porträtiert. Alle zeigen mir, dass das Leben mit 40 neu anfängt.

Welche Vorstellungen über das Älterwerden sehen Sie in unserer Gesellschaft verankert und was möchten Sie mit Ihrer Publikation verändern?

Im Moment ist alles darauf ausgerichtet, jung zu sein. Fashion ist für junge Leute konzipiert. Magazine zeigen Mode für ältere Menschen, wenn überhaupt, nur an jungen Models. Oder sie ist nach bestimmten Altersklischees entworfen, denen doch eigentlich niemand entsprechen möchte.

Tosca ist eine von über 150 Frauen die Denise Boomkens für ihren Porträtband fotografiert hat. Copyright: AndBloom B.V., Denise Boomkens/Knesebeck Verlag

Was fanden sie besonders bemerkenswert an den Frauen, die sie fotografiert haben und was haben Sie aus den Begegnungen mitgenommen?

Mittlerweile sind es über 150 Frauen, die ich porträtiert habe. Über Instagram spreche ich noch mit vielen Weiteren. 90 Prozent von ihnen fühlen sich besser ab 40. Der Körper verändert sich und sie fühlen sich wohler. Eine hormonelle Veränderung führt zu weniger emotionaler Unsicherheit. Wenn man jünger ist, sucht man die Anerkennung der anderen. Im Alter beginnt man dann mehr für sich selbst zu leben. Die Sorgen darüber, ob die Nachbarn oder die Schwestern oder die Freunde gutheißen, was man tut, werden kleiner. Das Gefühl wächst, sich selbst zu kennen und zu wissen, was man im Leben tun will. Zu Beginn meines Projekts vor vier Jahren hatte ich über diese Lebensphase keine Ahnung. Das ist für die meisten Frauen der Fall, wenn sie in die Menopause kommen, auch wenn langsam mehr darüber gesprochen wird.

Hatten Sie das Gefühl, dass es bei den Frauen, die Sie porträtiert haben, unterschiedliche Vorstellungen von Schönheit gibt?

Oh ja, natürlich. Frauen, die in ihren 60ern und 70ern sind, befinden sich in einer ganz anderen Lebensphase als eine Frau, die in ihren 40ern ist. Daher haben sie natürlich auch andere Ansprüche an Schönheit und an Schönheitsprodukten. Die Frauen in der Generation meiner Mutter, die auch in dem Buch vorkommt, waren die ersten, die in ihren Vierzigern mit Facelifts und plastischer Chirurgie in Berührung kamen. Es ist also eine ganz andere Generation.

Es ist wichtig zu erkennen, dass man ein Vorbild für die Frauen ist, die nach einem kommen. Frauen in ihren 60ern und 70ern sind meine Zukunft. Mir folgen wiederum viele Frauen, die in ihren Dreißigern sind. Sie sehen mich an und sagen: OK, so werde ich in 10 Jahren aussehen.

Haben Sie in Ihrem Buch auch nicht cis-Frauen porträtiert?

Nein, bisher noch nicht. Ich habe ein paar FollowerInnen auf Instagram, die biologisch Männer waren und dann zu Frauen wurden. Eine meiner FollowerInnen hat mich kürzlich gefragt: „Kannst du dir mein Gesicht ansehen und mir sagen, was ich tun sollte, um weiblicher zu werden?“ Ich habe sie aber nicht porträtiert, weil sie in einem anderen Land lebt. Ich suche auch nicht wirklich nach Frauen, vielmehr laufen sie mir über den Weg. Oder sie kontaktieren und fragen mich. Ich schaue mir ihre Geschichten und ihre Energie an. Ich porträtiere nur keine Frauen, die große Probleme mit dem Älterwerden haben, denn das wäre nicht die Botschaft, die ich vermitteln möchte.

Der deutsche Verlag bewirbt Ihr Buch mit dem Slogan: „Ein ideales Geschenk für Ihre beste Freundin oder Sie selbst! Warum richtet sich das Buch nur an Frauen? Sind es nicht auch Männer, die die Schönheit des Alters bei Frauen entdecken sollten?

Da hast du vollkommen recht. Es gibt den Mythos, dass Männer schön altern, im Gegensatz zu Frauen. Ich bin zwar eine Frauenfotografin, in den letzten vier Jahren kam mir aber die Idee, eines Tages ein Männerspecial zu machen, um den Mythos aufzudecken. Auf der Straße sieht man ja, dass Männer genauso alt aussehen können wie Frauen. Diese Vorstellung „Oh, sieh mal, Männer altern wunderbar“ ist Unsinn.

Wo finden wir Schönheit im alternden Körper?

Ich hätte nie gedacht, dass ich meine Brüste, wie sie jetzt sind, jemals zu schätzen weiß. Sie waren immer fest und schön straff. Als ich meinen Sohn bekam und ich mir ein Brustimplantat entfernen ließ, änderte sich das. Ich benutze meinen Körper jeden Tag und es macht mir nichts aus, wenn er nicht wie eine Barbiepuppe aussieht. Ich bin glücklich, dass er perfekt funktioniert. Fast.

Die plastische Chirurgie ist heutzutage mehr Mainstream, selbst jüngere Frauen verwenden Filler oder Botox, um ihr Gesicht zu formen. Sehen Sie das als einen Trend, der sich bald ändern wird?

Die Schönheitsindustrie gibt Millionen und Abermillionen für gezieltes Marketing aus. Ich glaube nicht, dass der Trend grundlegend abnehmen wird. Aber ich denke, dass es sich das Ausmaß, wie Botox und Filler eingesetzt werden, verändern wird.

Hat sich eine der Frauen in Ihrem Buch einer Schönheitsoperation unterzogen oder Botox gespritzt?

Ich frage nie, ob sie Botox oder Filler verwenden. Solange sie ihrem Alter entsprechend aussehen, ist das für mich in Ordnung.

Das Tabu, über Sex im Alter zu sprechen, wird langsam gebrochen. Glauben sie damit werden ältere Frauen als attraktiver wahrgenommen?

Da ist zunächst einmal das Tabu der Perimenopause und der Menopause – mit all den einhergehenden Symptomen. Viele berichten, dass es ein Segen ist, nicht mehr fruchtbar zu sein, nicht mehr jeden Monat zu bluten. Nach der Perimenopause und Menopause haben einige Frauen auch ein besseres Sexualleben. Ich dachte immer, ab einem bestimmten Alter hat man keinen Sex mehr. Aber das muss nicht so sein. Wir reden nur kaum darüber, weil es sich als Frauen nicht gehört. Das kommt noch von den Generationen vor mir. Da war es nicht erlaubt, Sex zu genießen. Wir sollten einen Mann heiraten, bis dahin Jungfrau sein und Kinder bekommen. Und das war’s dann. Wir sollten mehr über Sex während der Perimenopause und Menopause sprechen.

Wir sollten mehr über Sex während der Perimenopause und Menopause sprechen, fordert die Fotografin Denise Boomkens. copyright: AndBloom B.V., Denise Boomkens/Knesebeck Verlag

Das würde auch den Druck von jüngeren Frauen nehmen, diese Zeit ihres Lebens auszukosten, wie es oft betont wird.

Ich versuche, diese Brücke zwischen Jüngeren und Älteren zu schlagen. Als ich mit meinen Projekten begann, hatte ich keine Ahnung von der Perimenopause. In einem Beitrag schrieb ich, dass ich mich nicht gut fühle und ein seltsames Gefühl in meinem Körper habe. Ein paar Frauen kommentierten darunter: Aber bist du nicht in der Perimenopause? Was du beschreibst, klingt nach Symptomen dafür. Ich hatte ja keine Ahnung. Stattdessen dachte ich, dass man als Frau mit 50 in die Menopause kommt und das war’s. Dabei ist es eine ganze Phase über 10 Jahre. Während dieser Phase menstruieren Frauen immer noch. Die Hormone beginnen sich zu verändern. Es ist eine große Erleichterung, darüber Bescheid zu wissen, was mein Körper durchmacht und auch über die hormonellen Veränderungen und die Gefühle, die damit einhergehen: ob Traurigkeit oder Glück. Manchmal ist es Wut, dann wieder totale Euphorie.

Das erinnert mich an die Pubertät: seltsame Gefühle, die mit dem sich verändernden Körper einhergehen.

Es ist wie ein Tunnel, in den man mit der Pubertät hineingeht und auf der anderen Seite mit der Peri- und Menopause wieder herauskommt. Viele Frauen werden dabei selbstbewusster und spüren die Freiheit, Sex und Liebe zu genießen. Sie wissen, was sie wollen. Sie haben keine Angst mehr zu fragen. In meiner Generation und drüber war es ein absolutes No-Go zu sagen, was man beim Sex will oder sich selbst zu befriedigen.

Studien zeigen, Fruchtbarkeit und Schönheitswahrnehmung sind miteinander verbunden. In Zeiten der künstlichen Befruchtung können Frauen über 50 noch schwanger werden. Glauben Sie, dass dieser Fortschritt die Wahrnehmung von Frauen über 40 verändert?

Ja, natürlich. Gleichzeitig ist es aber auch ein weiterer Mythos: Ist eine Frau nicht mehr fruchtbar, wird sie uninteressant. Das kommt noch von früher. Der Mensch wird immer älter. Aber die Fruchtbarkeit der Frauen endet immer noch um die 40, daran können sie nichts ändern. Ich denke, das hat auch Vorteile. Ich weiß nicht, wie es jüngeren Generationen geht, aber Frauen meines Alters und älter leben nach so vielen Regeln. Als junge Mädchen müssen wir uns benehmen. Wir müssen studieren und Karriere machen, dann heiraten, Kinder bekommen und arbeiten. Aber wenn man Karriere machen, reisen und sein Leben leben will, muss man aufpassen, nicht den Anschluss zu verlieren, – nur weil man Kinder hat. Ich verstehe also Frauen, die sich ihre Eizellen für später aufheben. Es gibt ihnen die Möglichkeit, sich genauso gut zu entwickeln, wie die Männer, welche die Freiheit haben, sich nicht um die Fruchtbarkeit sorgen zu müssen. Diese neue Möglichkeit ändert aber nichts am Aussehen einer Frau über 40, die in die Perimenopause kommt. Auch wenn du deine Eizellen einfrierst, wirst du älter. Künstliche Befruchtung ist auch nichts für jede. Ich habe meinen Sohn mit 40 bekommen. Es war eine In-Vitro-Fertilisation. Es war schwer, mit 40 ein Kind zu bekommen. Der Körper beginnt, sich geistig und körperlich zu verändern. Wir sind darauf ausgelegt, unsere Kinder jung zu bekommen.

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Und auch die Wahrnehmung von Schönheit sollte nicht mit der Fruchtbarkeit verbunden sein, es gibt viele Frauen, die keine Kinder bekommen können…

Ich war nicht in der Lage, mein Kind auf natürliche Weise zu bekommen, das hat nichts mit meiner Attraktivität gemacht. Attraktivität bedeutet, keine Falten zu haben, Brüste und Po sind straff, alles ist in perfekter Form. Das ist es, was Schönheit und Fruchtbarkeit ausmacht. Zumindest bekommen wir das so täglich präsentiert. Dabei gibt es noch ganz andere Arten von Schönheit und die sollten wir auch regelmäßig zeigen. Heute habe ich ein Bild von Händen mit Altersflecken gepostet. Wenn ich mir solche Hände ansehe, erinnern sie mich an meine Großmutter, die so sanft, so schön war und gut roch. Niemand will Spuren des Alters haben. Wenn man den Leuten aber solche Bilder zeigt, dann ändert sich das.

Wenn Sie etwas in der Schönheitsindustrie ändern könnten, was wäre das?

Ich würde nichts ändern, sondern etwas hinzufügen. Es ist nicht besser, jung oder alt zu sein, es ist einfach anders. Jetzt gibt es diese ganze Industrie und einen ganzen Medienzirkus ums Jungsein. Altern sollte als gleichwertig betrachtet werden.

Wie können wir uns Ihrer Meinung nach mit dem Älterwerden versöhnen?

Das ist ein Prozess. Ich nenne es immer meine wunderbare Reise ins Älterwerden. Es kommt zusammen mit Selbstliebe. Es ist auch wichtig, nicht an der Vergangenheit festzuhalten, sondern in die Zukunft zu blicken. Natürlich sehe ich auf Bildern aus meinen 30ern jünger aus, als ich es heute mit 46 tue. Die Dinge ändern sich und ich weigere mich, das als etwas Negatives zu sehen. Frauen in meinem Alter und älter zeigen sich der Welt vermehrt, wie sie eben aussehen. So helfen wir der jüngeren Generation, Inspiration fürs Älterwerden zu finden. Das ist meine Mission.

 Denise Boomkens Publikation In voller Blüte. Gelassen und schön – Die Kunst des Älterwerdens” erschien am 24. Februar 2022 beim Kneesebeck Verlag.

 Mehr Informationen zum Projekt gibt es auf der Homepage AndBloom und bei ihr auf Instagram.

“In Voller Blüte” erschien am 27.Februar 2022 im Knesebeck Verlag. copyright: AndBloom B.V., Denise Boomkens/Knesebeck Verlag