„Monstera Monday“, „Urban Jungle“, „Plant Love“ – die Generation der digital versierten Millennials entdeckt ihre Liebe zu Pflanzen. Doch geht dieser Trend über schöne Fotos auf Instagram hinaus? Pflanzenliebhaber Frank R. Schröder wirft einen Blick in den digitalen Dschungel und befragt drei Pflanzenexpert*innen.
Mit seinem Beitrag über das Verhältnis von Millennials zu ihren Zimmerpflanzen löste das Magazin „The New Yorker“ eine ganze Welle an Artikeln zum Thema aus, von der letztlich auch die deutschsprachigen Medien nicht verschont blieben: Mitunter berichteten „Zeit Campus“, „DerStandard“, „Stern“ und „Süddeutsche Zeitung“. Der gemeinsame Nenner all dieser Auseinandersetzungen scheint die Verbindung mit Instagram-Hashtags wie #MonsteraMonday und #PlantLove zu sein. In der Tat lässt sich nicht bestreiten, dass Pflanzen im digitalen Raum vom Nischenthema zum Massenphänomen avanciert sind. In nur wenigen Jahren ist es einer Vielzahl von Instagram-Nutzer*innen und Blogger*innenn gelungen, über das Thema Pflanzen Hunderttausende von Abonnent*innen an sich zu binden. Alleine unter dem der Hashtag #UrbanJungle sind derzeit über 2,5 Millionen Beiträge zu finden.
Eine neue Generation von Pflanzenliebhaber*innen hat sich über die sozialen Medien zu einer gut vernetzten Plant Community verbunden, in der Trends, Tipps und Memes ausgetauscht werden.
Bereits im Jahr 2013 gründeten Igor Josifovic und Judith de Graff die „Urban Jungle Bloggers Community“, die sich schließlich in Blog-Form, als Instagram- Account und in diversen Hashtags manifestierte. Mittlerweile folgen allein dem Instagram- Account über 850 Tausend Menschen weltweit. „Unser Anliegen war es schon immer, die Bedeutung von Pflanzen für ein schönes und gesundes Zuhause aufzuzeigen. Dass so viele Menschen diese Ansicht teilen, ist für uns ein wunderbares Signal und ein großartiger Erfolg“, erklärt Igor im Interview.
Der Erfolg der Online-Community geht über das Internet hinaus: „Nach gut drei Jahren wollten wir das Wissen und die Inspirationen in Buchform verewigen und dieses der Community zur Verfügung stellen. So entstand die Idee zum Urban-Jungle-Buch, welche wir 2016 in die Tat umgesetzt haben. Heute ist das Buch bereits in der neunten Auflage erschienen und wurde in zehn Sprachen übersetzt.“ Das Buch schlug regelrechte Wellen und wurde zum Vorreiter für ein neues Genre, welches die Lücke zwischen Fachlektüre zu Botanik und zu Raumgestaltung füllt.
Camille Darroux, DJ und Social-Media-Managerin, hat ihre Berliner Wohnung mit über 60 Pflanzen in einen heimischen Dschungel verwandelt. Sie kennt sich durch ihre Arbeit bestens mit den verschiedenen Szenen auf Instagram aus: „An der Pflanzen-Community gefällt mir besonders, dass sie äußerst positiv und unterstützend ist. Ich habe das Gefühl, dass es weniger Wettbewerb zwischen den Menschen gibt,“ findet Camille, die derzeit über 20 Tausend Abonnenten erreicht. Der unterschwellige Wettbewerb um das perfekte Instagram-Foto, Hasskommentare, Fake-Engagement – all diese negativen Auswüchse der Fotoplattform scheinen in der Plant Community zumindest noch nicht im großen Stil angekommen zu sein. „Mir gefällt die Tatsache, dass viele Nutzer*innen sehr offen mit ihren Fehlern hinsichtlich der Pflanzenpflege umgehen.“
Doch auch über den digitalen Tellerrand hinaus hat die neue Generation der Pflanzenliebhaber*innen Anlaufstellen für ihre Leidenschaft gefunden. Anders als noch zu den Zeiten Alexander von Humboldts, der viele der heute als Zimmerpflanzen beliebten Spezies auf seinen Expeditionen im lateinamerikanischen Dschungel um 1800 entdeckt hat, ist der Weg zum tropischen Exoten nicht mehr besonders weit. In großen Metropolen weltweit eröffnen immer mehr hochspezialisierte Fachgeschäfte mit einer beinahe künstlerisch selektierten Auswahl an Pflanzen, die sich an ein junges, trendbewusstes Publikum richten. Dazu zählen Läden wie „Arium Botanicals“ in Portland, „The Sill“ in New York, „Plants Kbh“ in Kopenhagen, „What the Flower“ in Paris, sowie „The Botanical Room“ in Berlin.
Hanni Schermaul hatte durch ihre Arbeit als Architektin bereits mit Pflanzen zu tun, genauer gesagt beim Thema Inneneinrichtung. Interessante Pflanzen und moderne, zeitgenössische Pflanzenaccessoires waren vor 2016 noch rar. „Als ich mir nach einem Burn-out eine Auszeit genommen habe, um mich beruflich neu zu orientieren, kam mir dieses Thema wieder in den Sinn und ich fing an, ein Konzept zu entwickeln. ‚The Botanical Room‘ war das Ergebnis“, berichtet Hanni. Was zunächst als kleiner Online-Versand startetebegann, hat sich innerhalb kürzester Zeit zu einer beliebten Pflanzenboutique mit einem mehrköpfigen Team entwickelt, bei dem sich alles um die Welt der Botanik dreht.
Sich beruflich mit Pflanzen zu umgeben, hat auch Camille für sich entdeckt: „Ich arbeite von zu Hause aus und verbringe dort viel Zeit. Ich habe das Gefühl, dass mir Pflanzen dabei geholfen haben, eine ruhige Atmosphäre zu schaffen, die die Natur in mein Zuhause bringt.“ Anders als Kristalle und Räucherstäbchen stimulieren Pflanzen ihre Besitzer*innen auf aktive Weise, denn sie verlangen nach konsequenter und regelmäßiger Pflege, damit sie in heimischen Wohnzimmern gut gedeihen. „Pflanzen sind so lebendig wie entspannend und ich genieße es wirklich, sie wachsen zu sehen. Sie haben mich definitiv gelehrt, etwas geduldiger und hartnäckiger zu sein.“
Die Ästhetik der Pflanzen spielt dabei unterbewusst eine größere Rolle, als man es auf den ersten Blick vermuten würde. Der Biologe und Psychologe Gregory Bateson beschreibt bereits im Jahr 1979, dass der Mensch eine ästhetische Präferenz für lebende Systeme hat, die mit ihm über eine Art Grundmuster der Natur verbunden sind. Das Erkennen dieses Musters stellt die Grundlage der Kommunikation von Mensch und Umwelt dar und löst eine emotionale Befriedigung aus.1
Diesen Zusammenhang kann auch Igor bestätigen: „Pflanzen verbinden mich als Stadtbewohner vor allem mit der Natur, die im urbanen Umfeld oftmals zu kurz kommt. Ebenso bieten mir Pflanzen einen unglaublich wichtigen Ausgleich zu meinem digitalen Alltag. Mit ihnen übe ich mich in Achtsamkeit und Geduld – und das jeden Tag.“
Für ihn ist die größte Erkenntnis, dass Pflanzen heute eine Art unverzichtbarer Bestandteil des Lebens geworden sind: „All das steht im Einklang mit dem Zeitgeist, wieder stärker auf uns selbst zu hören, unser Inneres wieder in Balance zu bringen. Wir achten auf gesunde Ernährung, machen Sport, wir denken an die Umwelt und die Zukunft des Planeten. Pflanzen als Teil unseres Lebens sind damit ein Bestandteil dieser Lebenseinstellung. Sie sind heute viel mehr als bloß Dekoration.“
Der finanzielle Wert ihrer Schönheit lässt sich jedoch nicht völlig abstreiten, denn wie bei allen Trends gibt es auch im Bereich der Pflanzenliebe ganz besondere Begehrlichkeiten: Pflanze ist nicht gleich Pflanze. So gibt es in der Plant Community besondere Lieblinge, wie zum Beispiel die „Monstera variegata“, „Philodendron Pink Princess“, oder die weiße Euphorbia – alle drei sind besonders selten, da ihnen durch einen genetischen Defekt zum Teil das Grün in den Blättern fehlt.
„Natürlich herrscht auch bei Pflanzen der Jäger- und Sammler-Instinkt. Raritäten sind sehr gefragt, und werden teilweise zu horrenden Preisen verkauft“, berichtet Hanni.
Besonders in den USA schlägt sich der Trend auch bereits auf den Erfolg des Pflanzenhandels nieder: Nach Angaben der „National Garden Association“ haben sich in den letzten 3 Jahren die Umsätze auf 1,7 Milliarden USD fast verdoppelt, so „Bloomberg“.
Welche Pflanzenarten besonders beliebt und begehrt sind, kann sich innerhalb der Plant Community auf Instagram sehr schnell ändern. Solche kurzfristigen Trends stellen Züchter und den klassischen Pflanzenhandel vor große Herausforderungen. „Ich glaube auch im Handel findet ein Umdenken statt, denn die Pflanzenkäufer*innen werden immer jünger,“ beobachtet Igor. Die junge Generation ist eben anspruchsvoll.
Hanni von „The Botanical Room“ kann durch ihre enge Verbindung zu ihrer Kundschaft über Instagram viel schneller auf solche Trends reagieren, als der traditionelle Handel. Dennoch rät sie auch hier zur Entschleunigung des übersprudelnden Raritätenenthusiasmus: „Meiner Meinung nach sollte man einfach Freude an seinen Pflanzen haben, ob selten oder nicht. Die Lieblingspflanzen bekommt man sowieso geschenkt oder vererbt.“
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1 Schmid C.K. (1996) Ästhetische Präferenzen im Umgang mit Pflanzen. In: Lesch W. (eds) Naturbilder — Ökologische Kommunikation zwischen Ästhetik und Moral. Themenhefte Schwerpunktprogramm Umwelt. Birkhäuser, Basel