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Crashkurs: Immobilienkauf trotz Zinswende

Wer bisher eine Immobilie kaufen wollte, musste schnell zugreifen: Das Angebot war knapp, die Nachfrage hoch. Doch seitdem Kreditfinanzierungen teurer geworden sind, ist die Nachfrage bundesweit eingebrochen. Was hohe Zinsen für eure Immobilienpläne bedeuten und warum die Zinswende auch eine Chance für einen Immobilienerwerb sein könnte, erklären Expert:innen beim siebten Insta-Live-Talk von Deutsche Bank und Orange by Handelsblatt.

Das Comeback der Zinsen hat die Wirtschaft gehörig auf den Kopf gestellt. Vor allem auf dem Immobilienmarkt spüren sowohl Anleger:innen als auch Verkäufer:innen die Konsequenzen: Weniger Anleger:innen trauen sich an eine Immobilienfinanzierung heran, dementsprechend ist die Nachfrage gesunken, das Angebot gestiegen. Ob das Comeback der Zinsen wirklich so schlimm ist, haben Expert:innen aus der Branche diskutiert. Wir haben für euch die wichtigsten Tipps zusammengefasst. 

Tommy Primorac von immotommy: Bessere Zeiten für Käufer:innen brechen an

Immobilien-Influencer Tommy Primorac kaufte vor sieben Jahren seine erste Immobilie. Mittlerweile besitzt er zehn Wohnungen – wohnt aber selbst noch zur Miete. Das mag so manch einem zunächst komisch vorkommen, ist aber Teil einer ausgeklügelten Strategie: “Ich blockiere mein Kapital nicht für mein eigenes Objekt, mit dem ich keinerlei Steuervorteile genieße und alles selbst abbezahle, sondern erwerbe stattdessen für das Geld Kapitalanlagen, die größtenteils über Mieten getragen werden. Nebenbei genieße ich durch die Vermietung dieser Kapitalanlagen  steuerliche Vorteile”, erklärt Tommy. Denn Steuervorteile gibt es nur, wenn eine Immobilie nicht selbst genutzt, sondern vermietet wird. 

Doch nicht jede:r kann sich heute überhaupt noch eine Immobilie leisten. Durch die gestiegenen Zinsen ist der Traum vom Eigenheim für viele ausgeträumt, eine Finanzierung teurer und zudem schwieriger in der Zusage. Die Zinswende hat aber auch Vorteile, so Primorac: “Während der Niedrigzinsphase haben zu viele Menschen eine Finanzierungszusage  erhalten, die aus ethischen Gründen eher keine Finanzierung erhalten hätten. Das hat einige in die Privatinsolvenz getrieben, Immobilien mussten zwangsversteigert werden – das muss nicht sein”, findet Primorac. 

Für Wohnungskäufer:innen sieht er daher bessere Zeiten: “Der Markt wird gerade mit Immobilien überflutet. Zuvor gab es viel Nachfrage und wenig Angebot. Jetzt hat sich der Markt gedreht, es gibt unheimlich viel Angebot und keine Nachfrage. Wenn ein Verkäufer jetzt schnell verkaufen muss, hat der/die Käufer:in zum ersten Mal seit Jahren die Möglichkeit, den Preis der Immobilie zu verhandeln. Das war vorher undenkbar”, sagt Primorac.

Grundsätzlich rät Primorac Anleger:innen, nie eine Wohnung Hals über Kopf zu kaufen. “Ich würde mich länger mit dem Thema beschäftigen und zum Beispiel beobachten, ob eine Immobilie schon offline und wieder online gestellt oder der Preis reduziert wurde. Sich mit dem Thema zu befassen, bedeutet auch, Bücher zu lesen, mit anderen Interessenten Meinungen auszutauschen und sich gut vorzubereiten. In Verhandlungsgespräche sollte man immer gut vorbereitet gehen, damit man mit den richtigen Argumenten den Preis verhandeln kann”, erklärt Tommy. Zur Vorbereitung empfiehlt er Anleger:innen, Tools zur Objektanalyse zu nutzen, die kalkulieren, ob eine Immobilie sich trägt. Solche Tools gibt es kostenfrei im Internet. 

Zudem seien häufig die Preise, die auf Immobilienportalen zu sehen sind, nicht die Preise, für die die Immobilie letzten Endes verkauft wird: “Das sind Traumpreise der Verkäufer:innen, die in der Realität nicht erzielt werden”, weiß Tommy. Preisreduktionen von zehn bis dreißig Prozent seien normal. Das liegt an der Überbewertung von Immobilien. Die Bundesbank hat erst Anfang dieses Jahres die Einschätzung abgegeben, dass diese in Deutschland bei 40 Prozent liegt. 

Als Käufer:innen sollte man auf jeden Fall rund 20 Prozent Eigenkapital mitbringen. 110 Prozent-Finanzierungen – also Finanzierungen, bei denen sowohl Kaufpreis als auch Kaufnebenkosten komplett von der Bank finanziert werden – seien seit der Zinswende unüblich. 

Steffen Große Enking von der Deutschen Bank: Worauf achten Banken bei der Kreditvergabe?

Steffen Große Enking berät Kund:innen der Deutschen Bank beim Thema Immobilienfinanzierung und Investments. Auch er spürt die gesunkene Nachfrage nach Kreditfinanzierungen, die mit den gestiegenen Zinsen einhergehen. 

Bei der Kreditvergabe achtet Große Enking vor allem auf die Bonität und die Haushaltsrechnung der Kund:innen. Genauso relevant ist allerdings auch der Kaufpreis des Objekts, der gerechtfertigt sein muss.  

Grundsätzlich aber seien in Deutschland die Banken vorsichtiger bei der Immobilienfinanzierung als im Ausland, weiß Große Enking. “In Kanada, Australien oder Schweden sind die Prozesse der Kreditvergabe anders als in Deutschland. Wir schauen da sehr genau hin und wollen für unsere Kund:innen gewährleisten, dass sie sich die Immobilie leisten können”, so Große Enking. 

Bei seiner Arbeit hat Große Enking festgestellt, dass sich der Beratungsbedarf seitens der Kund:innen geändert hat. “Heute sind die Gesprächsthemen ganz anders als noch vor einem Jahr. Früher haben Kund:innen einen reinen Zinsvergleich gemacht, heute ist der Beratungsbedarf größer geworden. Es ist den Menschen heute sehr wichtig, mit ihrer Finanzierung gut aufgestellt zu sein.”

Der Zinssatz ist dabei vom Objekt und der persönlichen Bonität abhängig. “Aktuell gibt es Finanzierungen von 3,5 bis 4,5 Prozent”, so Große Enking. “Aber es gibt auch Finanzierungen, bei denen eine 5 vor dem Komma steht. Das ist schon ein heftiger Unterschied im Vergleich zu den Konditionen im letzten Jahr. Nichtsdestotrotz sind diese Konditionen historisch gesehen aber gar nicht so teuer, denn ich glaube, mit Blick auf die Zukunft werden die Zinsen auf einem hohen Niveau bleiben.”

Doch Große Enking gibt für die nahe Zukunft erstmal Entwarnung: “Ich glaube schon, dass die Zinssätze sich zunächst auf diesem Niveau einpendeln werden. Wir hatten jetzt rasante Zinsanstiege in recht großen Schritten. Ich glaube nicht, dass wir langfristig weiterhin derartig große Schritte sehen werden.”

Xenia Fuhrmann von Finanztip: Das Festgeld ist back!

Xenia Fuhrmann teilt auf einem der größten Finanzportale Deutschlands ihr Finanzwissen. Fuhrmann weiß, dass durch die Zinswende eine lange in Vergessenheit geratene Anlageklasse wieder ein Comeback erfährt: Das Festgeld und das Tagesgeld.

Denn für Fest- und Tagesgeld gibt es nun wieder Zinsen. “Das liegt zum einen an der aktuellen Inflation. Aber die Gegebenheiten reichen noch viel weiter zurück: Die Pandemie, Finanzkrise und Eurokrise haben dazu geführt, das die Leitzinsen lange sehr niedrig waren – zu Pandemiezeiten sogar negativ. Das heißt, wir als Anleger:innen wurden eher dazu animiert, Geld auszugeben, als zu sparen. Sparen wurde unattraktiv gestaltet, um Menschen zum Konsum anzuregen und die Wirtschaft zu stärken”, erklärt Fuhrmann.

“Bei Tages- und Festgeld sprechen wir von bis zu 3 Prozent, bei überschaubarem Risiko”, so Fuhrmann. Doch bei der Auswahl des Anbieters für ein Tagesgeld- oder Festgeldkonto sollte man nicht einfach blind den Anbieter wählen, der den höchsten Zinssatz anbietet. “Zinsen gibt es nicht geschenkt. Wir bei Finanztip achten vor allem auf die Länderbonität, also die Bonität des Landes, in dem die Bank ihren Sitz hat. Grundsätzlich müssen alle Banken in der EU eine Einlagensicherung anbieten. Das Problem ist, wenn es in einem Land zu einem größeren Systemausfall kommt, muss das Land dafür aufkommen. Italien oder Bulgarien haben beispielsweise ein niedrigeres Liquiditätsranking als Schweden, Deutschland, Norwegen oder Luxemburg, die ein höheres Ranking haben und sicherer sind. Wir raten deshalb dazu, eher zu Banken zu greifen, die ein höheres Ranking haben”, so Fuhrmann. 

Wer allerdings plant, mit Fest- und Tagesgeld das große Vermögen aufzubauen, der ist auf der falschen Fährte. “Fest- und Tagesgeld sind nicht dafür da, Vermögen aufzubauen oder der Inflation auszuweichen. Es ist einfach nur ein Sicherheitsbaustein, der für kurzfristige Anlagen geeignet ist. Festgeld ist Geld, das kurzfristig für bestimmte Ziele zurückgelegt wird: Eine Immobilie, ein Auto oder eine neue Waschmaschine. Das Tagesgeld hingegen ist der Notgroschen, der monatlich zurückgelegt wird. Alles, was auf dem Girokonto übrig bleibt, ist für Fixkosten und Vergnügen”, erklärt Fuhrmann. Und wenn dann plötzlich eine hohe Nebenkostenabrechnung kommt, kann man auf das Tagesgeld zurückgreifen. 

In Zeiten, in denen Nebenkosten ungewiss sind, sollte man daher genügend Rücklagen haben. Fuhrmann empfiehlt, drei bis sechs Nettomonatsgehälter zurückzulegen, um gegen Schwankungen abgesichert zu sein. “Natürlich kann es dauern, bis man dieses Geld zusammen hat, aber das ist völlig okay. Letztlich kommt es ganz auf die eigene Risikobereitschaft an.”

Wenn Anleger:innen einmal ihr Risiko abgewogen haben, ist es sinnvoll, langfristig in Aktien und ETFs zu investieren. “Die historische Rendite beträgt sieben Prozent”, so Fuhrmann. Wer langfristig anlegt, hat also eine hohe Wahrscheinlichkeit, ohne Verluste rauszugehen und im Schnitt  sieben Prozent pro Jahr Rendite zu machen. Eine hohe Inflation sollte dabei nicht abschrecken. Fuhrmann gibt Entwarnung: “Wir haben jetzt zehn Prozent Inflation, aber das war ja nicht immer so. Und das wird auch auf lange Sicht nicht so bleiben, also werden sich die 7 Prozent Rendite irgendwann wieder einpendeln.”

Seid ihr bereit, das Comeback der Zinsen für den Immobilieneinstieg zu nutzen? Diese Key-Takeaways solltet ihr unbedingt beachten:

  • Steuervorteile beim Immobilienkauf gibt es nur, wenn eine Immobilie nicht selbst genutzt, sondern vermietet wird.
  • Die gesunkene Nachfrage auf dem Markt und das erhöhte Angebot erlauben Käufer:innen erstmals seit langem wieder, die Preise in Verhandlungsgesprächen runterzuhandeln. Also: Gut vorbereitet in Gespräche gehen, Tools zur Objektanalyse nutzen und mit den richtigen Argumenten Preise verhandeln.
  • Die Preise, die auf Immobilienportalen zu sehen sind, sind nicht die Preise, für die eine Immobilie letztlich verkauft wird. Preisreduktionen von zehn bis dreißig Prozent sind wegen der Überbewertung von Immobilien üblich.
  • Käufer:innen sollten für den Erwerb einer Immobilie zehn bis dreißig Prozent Eigenkapital mitbringen.
  • Fest- und Tagesgeldkonten als Sicherheitsbaustein für kurzfristige Anlagen nutzen. 
  • Bei der Auswahl einer Bank für das Tages- und Festgeldkonto sollte man auf die Bonität des Landes achten.
  • Drei bis sechs Nettogehälter als Notgroschen zurücklegen für alle Eventualitäten.

Hier der ganze Talk zum nachschauen: 

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Disclaimer: Aktien und andere Investments sind grundsätzlich mit Risiko verbunden. Wertentwicklungen in der Vergangenheit und Prognosen sind kein verlässlicher Indikator für zukünftige Wertentwicklungen. Die veröffentlichten Artikel, Daten und Prognosen sind keine Aufforderung zum Kauf oder Verkauf von Wertpapieren, Immobilien oder Rechten. Sie ersetzen auch nicht eine fachliche Beratung.