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Ursprünglich waren Absatzschuhe eine Männerangelegenheit, heute werden sie von Frauen getragen – und in Zukunft dann von allen? Foto: Collage aus (v.l.) Gemälde von Louis XIV via Wiki Commons, gemeinfrei (links und Mitte oben) und Presse-Foto von Trippen Berlin (Mitte unten und rechts).

Der High Heel – historisch eine Erfindung von Männern für Männer

High Heels sind Frauensache? Falsch gedacht! Eigentlich kommt der Schuh mit Absatz aus Zeiten, in denen Männer gerne auf Pferden in den Krieg geritten sind. Aber der historische Wandel könnte uns heute helfen, mit Genderstereotypen mutiger zu werden. 

„Queen of Drags“ heißt das neue Reality-TV-Format mit Heidi Klum. Letztes Jahr hat sie gemeinsam mit Bill Kaulitz und Conchita Wurst die beste Drag Queen Deutschlands gesucht. Angetreten sind zehn Kandidatinnen, die unterschiedlicher nicht sein konnten. Mit dabei die dralle Samantha Gold aus Hamburg, die allerdings schon in der zweiten Sendung rausflog. Grund hierfür war unter anderem die Tatsache, dass besagte Lady flache Schuhe bevorzugte. Tatsächlich war sie nicht ein einziges Mal mit High Heels zu sehen. Eine Drag Queen ohne Absatzschuhe?! Das war für die Model-Ikone Heidi Klum und die anderen Jurymitglieder inakzeptabel.

Was sagt uns das? Der High Heel bzw. Schuh mit Absatz symbolisiert für uns Weiblichkeit. Ein Mann, der als Frau auftritt, ist nicht ernst zu nehmen, wenn er dieses Symbol nicht mit in seine Präsentation einbezieht. Irgendwie ironisch, wenn man die Tatsache betrachtet, dass Absatzschuhe einst nur Männersache waren.

Der Ursprung des modischen Highlights war ein ganz praktischer. Persische Reiter trugen Schuhe mit Absätzen, damit sie besseren Halt in den Steigbügeln ihres Sattels hatten. Ausgestattet mit Pfeil und Bogen standen die Krieger so in den Bügeln, um ihre Gegner aufrecht zu beschießen.

Der persische Herrscher, Shah Abbas I. hatte am Ende des 16. Jahrhunderts eine der größten Armeen. Er wollte politische Beziehungen zu den europäischen Königshäusern knüpfen, um sich gegen Angriffe aus dem Osmanischen Reich zu verteidigen. Um 1599 sandte er eine Delegation über Russland nach Deutschland und Spanien. Die persische Delegation ritt gewissermaßen in High Heels durch Europa und eroberte die Fantasien der europäischen Adligen. 

Der Schuh mit Absatz, den die Reiter trugen, wurde als Symbol von Männlichkeit interpretiert und vorwiegend Aristokraten übernahmen diesen Trend. Weit vorn mit dabei war Louis XIV und Charles II von England. Natürlich folgte irgendwann auch das aufstrebende Bürgertum der Modeerscheinung und je mehr der Trend kopiert wurde, desto exzentrischer wurden die Modelle: Immer höhere Absätze, spitzere Schuhe, riesige Schnallen und rote Sohlen. Die Gemälde der damaligen Zeit zeugen von der Handwerkskunst und Raffinesse, die in männliche High Heels investiert wurde. 

Der Schuh mit Absatz, den die Reiter trugen, wurde als Symbol von Männlichkeit interpretiert und vorwiegend Aristokraten übernahmen diesen Trend. Weit vorn mit dabei war Louis XIV und Charles II von England. Foto: “Charles II of England” von Simon Pietersz Verelst, aus der Royal Collection Objekt 409151 via Wikimedia Commons, gemeinfrei.

Der Schuh mit Absatz erreichte Europa also im Zeitalter der ausklingenden Renaissance und dem Beginn des Barocks. Auch Frauen aus den Königshäusern begannen nun, hohe Schuhe zu tragen. Doch mit den immer weiter werdenden Reifröcken veränderten sich ihre Modelle maßgeblich. Während Männer klobige, breite Absätze trugen, wurden die Heels immer höher und schmaler. Der Grund: Unter den ausladenden Kleidern sollten die Füße zart und damenhaft wirken.

Ende des 18. Jahrhunderts eroberte der Klassizismus Europa. Dieser zeichnete sich durch einfache Formen aus und baute auf Funktionalität von Objekten. Das spiegelte sich auch in der Mode wider. Vorbei war es mit den exzentrischen Roben des Barocks und der dekadenten Outfits. Vor allem bei den Männern. Damit verschwand der hohe Schuh aus der Herrenmode fast gänzlich. In wenigen Jahrhunderten war der Wandel des High Heels vom Symbol für Männlichkeit und Kriegertum zum Symbol für Weiblichkeit und Fragilität vollzogen.

Mit einem High Heel kann die Frau nicht wegrennen

Fabian Hart war einer der Coaches in der Fernsehsendung „Queer 4 You“, der deutschen Version von „Queer Eye“ und war dort für den Bereich Mode zuständig. Foto: Fabian Hart.

„Der typische High Heel, den wir an einer Frau sexy finden, macht sie natürlich auch unbeweglich. Eigentlich kann die Frau gar nicht mehr wegrennen und ist in ihrer Beweglichkeit einem Mann gegenüber unterlegen“, erklärt Modejournalist Fabian Hart

Er war einer der Coaches in der Fernsehsendung „Queer 4 You“. In der deutschen Version von „Queer Eye“ besuchen vier Experten verschiedene Protagonist*innen, um durch Stil- und Sozialberatung deren Lifestyle zu verbessern. Fabian war für den Bereich Mode zuständig und hat immer wieder klar gemacht, dass er geschlechtsspezifische Kleidungsstücke für überholt halte. „Grundsätzlich sollte  2020 doch jeder tragen können, was er will.“

Genderless als Lösungsansatz gegen altbackene Stereotype

Auflösung von Genderstereotypen beim Voguing for the Ocean Ball 2019. Foto: Frank Schröder (iHeartBerlin.de)

„Genderless ist ein wichtiger Aspekt unseres Designs“, erklärt Vanessa Wunsch vom Berliner Schuhlabel Trippen. „Die meisten unserer Modelle sind unisex. Schon in den späten Neunzigern haben wir Shows mit hochhackigen Holzschuhen für Herren ausgestattet.“

Unisex Klamotten sind in der Mode natürlich immer wieder ein Thema. Doch Kleidungsstücke werden grundsätzlich für Männer und Frauen hergestellt. Das liegt natürlich auch an den körperlichen Unterschieden. Outfits waren schon immer auch ein sozialer Code. Sie stehen für den Stand, das Vermögen und eben auch das Geschlecht. Die Gestaltung ist dabei unterschiedlich. Weiche, softe, schimmernde Texturen und Formen gelten als weiblich. Alles Grobe, Harte, Geradlinige wird mit Männlichkeit assoziiert. „Wir stecken alle in einer Matrix, in der wir von klein auf beigebracht bekommen, wie man sich zu verhalten hat, wenn man ein richtiger Mann oder eine richtige Frau sein will“, erklärt Fabian. „Da gehören Absätze bei Männern nicht dazu.“

Doch Unisex ist eine Möglichkeit, diese Grenzen zu überwinden. Der High Heel für den Mann ist noch immer nicht alltagstauglich. Deshalb werden Schuhe designt, die explizit für beide Geschlechter sind. Somit ist die Formsprache allerdings eingeschränkt. “Denn alles, was zu feminin wirkt, wird von Männern nicht gekauft“, berichtet Vanessa. 

Das Berliner Mode-Label Trippen hat mit seinen genderless Schuhen einen guten Absatzmarkt gefunden. Foto: Trippen.

Das Label Trippen hat mit seinen genderless Schuhen einen guten Absatzmarkt gefunden. „Insbesondere in der Kunst- und Designszene sind sie beliebt. Seit genderless wieder ein besonderes Modethema ist, werden sie auch viel von Stylisten verwendet. Sie haben einen festen Platz in unserer Produktion.”

Wie man schon an der Geschichte des Absatzschuhs sehen kann, ist Mode in ständigem Wandel. Sie spiegelt wider, wie die Gesellschaft der jeweiligen Epoche tickt. Heutzutage bewegen wir uns immer weiter in Richtung Gleichberechtigung für alle. Und letztendlich kann jeder Mann schon mit einem höheren Schuh ein Statement gegen Geschlechternormen setzen. Das sagt auch Fabian: „Ich denke, Männer, die solche Schuhe tragen, sind sich dessen bewusst und zeigen Mut. Das finde ich gut!“