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Die Biennale und das Schiffswrack, was 775 Menschen mit sich begrub

Auf der diesjährigen Venedig Biennale für zeitgenössische Kunst wird das Wrack des Schiffes ausgestellt, das 2015 mit 800 Geflüchteten an Bord vor der libyschen Küste sank. Wie reagiert die Öffentlichkeit auf das Ausstellungsstück?

Ein politischer Auftakt sorgt bei der diesjährigen Venedig-Biennale letztes Wochenende für Schlagzeilen. Die große, internationale Kunstausstellung in Venedig findet dieses Jahr zum 58. Mal statt und zieht Besucher aus der ganzen Welt in ihren Bann. Die oft sehr politische Ausstellung mit dem diesjährigen Namen “May You Live In Interesting Times” hat dieses Jahr besonders Migration, die Globalisierung und die Klimakrise zum Thema. Das Ausstellungsstück, das in den letzten Woche die meiste Aufmerksamkeit in der Presse erregt hat, heißt “Barca Nostra” von Christoph Büchel. Es sind die Überreste der schlimmsten Schiffstragödie des Mittelmeerraums unserer Zeit. Am 15. April 2015 war das Schiff mit 800 Geflüchteten an Bord in Richtung Italien unterwegs. Als ein Frachtschiff dem übervollen Boot zur Hilfe eilte, kam es zu einer fatalen Kollision, die das 30 Meter lange Boot zum kentern gebracht hat. Nur 24 Insassen konnten gerettet werden, die übrigen Schutzsuchenden gingen mit dem Schiff unter und ertranken. Bis heute wird dieser Unfall als die schwerwiegendste humanitäre Katastrophe im Mittelmeer betitelt.

Der Künstler Christoph Büchel will ein Denkmal setzen

Zur Eröffnung der Biennale wurde das Wrack auf einem Floß durch den Golf von Venedig gefahren und hielt Einzug im früheren Militärhafen Arsenale, wo die Ausstellung stattfindet. Hier wurde das Wrack andächtig von den Gästen empfangen. Nun steht das Schiff aufgebockt am Rand des Hafenbeckens.

Foto: Barca Nostra

Der Name “Barca Nostra” heißt übersetzt “Unser Boot”. Die Intention des Künstlers Christoph Büchel ist es zwischen den anderen Kunstwerken der Biennale ein Mahnmal der Erinnerung zu schaffen. In Zusammenarbeit mit dem Komitee der Biennale und der Stadtverwaltung Venedig brachte er das Boot von Sizilien nach Venedig. In einem öffentlichen Statement schrieb er: “Das Schiff ist zu einem symbolischen Objekt geworden, das nicht nur den Opfern des tragischen Ereignisses im Jahr 2015 und den Menschen, die an seiner Bergung beteiligt waren, gewidmet ist, sondern auch unserer aller Verantwortung als Vertreter einer Politik, die solche Wracks verursacht.”

Beim Anblick des Schiffswracks soll bewusst gemacht werden, wie weit unsere Realität von der der Mittelmeer-Krise entfernt liegt. Die Kunstwerdung des Wracks wurde von der Öffentlichkeit kritisch beäugt und unter anderem als provokant und geschmacklos eingeordnet. Kunstkritikerin Catrin Lorch bezeichnete das Projekt als reine “Vermarktung des Grauens”.

Foto: La Biennale di Venezia

Dank “Barca Nostra” lebt die Diskussion über die europäische Grenzpolitik wieder auf

Offensichtlich ist Barca Nostra kein reines Statement für ein kritisches und aufgeklärtes Kunstpublikum, sondern vor allem gegenüber der Medienöffentlichkeit und der italienischen Regierung, die in Form des aufgebockten Wracks an den Pranger gestellt wird. Der italienische Innenminister Matteo Salvini, von der rechtspopulistischen Partei Lega Nord, hat bereits bei mehreren Schiffen mit Hilfsbedürftigen kein Erbarmen gezeigt und das Anlegen in italienischen Häfen medienwirksam verhindert oder verzögert. Es war ebenso die Lega Nord, die erfolglos darauf plädierte, das Wrack umgehend wieder aus der Ausstellung zu entfernen. Auch wenn sich die Kritiker über den künstlerischen Wert des Projekt nicht einig sind, hat Christoph Büchel jedoch eines wirksam herbeigeführt: Die Handhabe in der Flüchtlingskrise ist wieder in aller Munde und so auch die Kritik an Innenminister Matteo Salvini, der aktuell die italienischen Häfen und Gewässer vor der Seenotrettung verschließt und sogar mit hohen Sanktionen bestraft. Denn immer wieder versuchen Schutzsuchende aus Libyen den lebensgefährlichen Meeresweg nach Italien zu überwinden.

Die jetzige Marineoperation Themis findet und rettet unter der Führung der EU-Grenzagentur Frontex Schlauchboote mit Geflüchteten vor der italienischen Küste, die die gefährliche Überfahrt aus Libyen wagen. Die europäischen Staaten werden aktuell von hunderten zivilgesellschaftlichen Organisationen wegen unterlassener Hilfeleistung im Zuge ihrer Grenzpolitik bei der Seenotrettung von Geflüchteten stark kritisiert. So werden angesichts der anstehenden Europawahl neue Lösungsvorschläge erbeten. Es muss ein Lösung gefunden werden, die unseren europäischen Werten der internationalen Solidarität und Friedensengagement entspricht und das Leben der Geflüchteten schützt.