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Foto: Qiio

Die digitale Revolution des weiblichen Zyklus

Im 21. Jahrhundert ist die Periode immer noch ein Tabu. Zwei Frauen nutzen die Digitalisierung, um das Thema Menstruation endlich gesellschaftsfähig zu machen.

Als Kiran Gandhi am 26. April 2015 in London zum Marathon antritt, hat sie eine folgenreiche Entscheidung bereits getroffen. Nach einem mühsamen Trainingsjahr war es soweit. Doch ausgerechnet heute, auf den Tag genau, bekommt sie ihre Periode. Kiran Gandhi hätte nun tun können, was die meisten Frauen in so einer Situation tun – sich mit genügend Tampons und Binden ausstatten und laufen als wäre alles wie immer. Stattdessen läuft sie aber 26,2 Meilen ohne Tampon, ohne Binde – und das Blut an ihr herunter.

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26 miles | 26 years | 26th of April

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„Ich lief mit Blut an meinen Beinen für die Schwestern, die keinen Zugang zu Tampons haben und für die Schwestern, die ihre Periode trotz Krämpfen und Schmerzen verstecken und so tun, als gäbe es sie nicht. Ich lief, um zu sagen: Sie existiert und wir leben jeden Tag damit“, schreibt Kiran Gandhi auf ihrem Blog und erzeugt damit Monate nach dem Marathon noch ein großes Medienecho. Seitdem gilt sie als Parade-Periode-Beispiel und Vorreiterin der „Free-Bleeding“ Bewegung.

Allerdings ist es nicht der Tampon-Protest, weswegen Kiran Gandhis Entscheidung ein großes Medienecho erfährt. Es ist ein Verweis auf ein uraltes Stigma, welches der Menstruation – und allem was damit verbunden ist – anhängt.

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Der Mythos Menstruation

Seit der Antike beschäftigen sich Männer mit weiblichen Zyklus. Besonders im Mittelalter und der Renaissance gilt die Menstruation als unrein und sündig. Während die christliche Kirche die „Jungfrau Maria” zum Vorbild aller Frauen idealisierte, wurde Eva für den Ursprung alles Bösen verantwortlich gemacht. Äbtissin Hildegard von Bingen sah die Menstruation sogar als Strafe für das Handeln Evas. Hätte sie Adam nicht verführt, wären die „weiblichen Gefäße” geschlossen geblieben.

So müssen sich Frauen in den überwiegend patriarchalen Gesellschaften während ihrer Periode zurückziehen und von bestimmten Tätigkeiten fernhalten und das Tabu um die weibliche Regel bleibt bestehen. Erst 1958 beweist ein Arzt, dass Menstruationsblut nicht giftig ist. Einige Mythen halten sich bis heute. In Indien etwa heißt es, dass eine Frau während ihrer Tage nicht zum Kochen in der Lage sei, ja die Küche sogar meiden soll. In Polen gibt es immer noch den Glauben, dass Sex mit menstruierenden Frauen tödlich ist.

Doch nicht nur vermeintliche Aberglauben bleiben hartnäckig bestehen. Äußerungen, wie die von US-Präsident Donald Trump über die Moderatorin Megyn Kelly („You could see, there was blood coming out of her eyes, blood coming out of her – wherever”) sind weiterhin gesellschaftsfähig und dienen manchen dazu, unliebsam weibliches Verhalten auf die Periode zu reduzieren.

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Likes für die Periode

Dieses Stigma scheinen immer mehr Menschen, wie Marathonläuferin Kiran Gandhi, nicht mehr zu akzeptieren. Nach Trumps Aussage wehren sich beispielsweise zahlreiche Twitter-Nutzer*innen per Hashtag: #PeriodsAreNotAnInsult. Auch in den anderen sozialen Medien wird das Thema zunehmend aufgegriffen. Das fördert die Enttabuisierung der Menstruation in der breiten Öffentlichkeit. Dadurch wird Themen rund um die Periode erweitert. Diesen Standpunkt vertritt auch die dänische Gründerin Ida Tin: „In den letzten Jahren sind wir viel offener geworden, was Menstruation angeht. Das ermutigt Frauen, sich mit ihrem Zyklus und den Veränderungen, die mit ihren natürlichen hormonellen Schwankungen einhergehen, auseinanderzusetzen.“

Mit Clue dem Zyklus auf die Spur kommen

Ida Tin. Foto: Clue

2012 hat Ida Tin die App Clue mitentwickelt, die den weiblichen Zyklus nachvollziehbar macht. Clue soll dabei nicht nur anzeigen, wann eine Frau ihre Tage bekommt. „Durch konsequentes Tracken kann eine Frau mehr über ihren eigenen Rhythmus lernen und bestimmte zyklische hormonelle Veränderungen oder Symptome wie empfindliche Brüste oder Kopfschmerzen voraussagen. Bei manchen Frauen verändert sich während des Zyklus das Energielevel, die Lust auf Sex steigt oder fällt, sogar der Schlaf und die Stimmung werden beeinflusst.“ Letztendlich, so Tin, gibt Clue seinen Nutzer*innen (die App richtet sich auch an Trans-Personen) die Möglichkeit, auf Veränderungen in einem Zyklus aufmerksam zu werden und so gute Entscheidungen für die eigene Gesundheit zu treffen.

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Dafür sind laut Ida Tin die sozialen Medien nicht immer die richtige Quelle: „Es ist zwar fantastisch, dass viele Frauen so offen sind, ihre persönlichen Erfahrungen zu teilen. Jedoch ist es wichtig, sich daran zu erinnern, dass jede andere Erfahrungen macht und, dass Beiträge in einem Forum nicht notwendigerweise wissenschaftlich oder ärztlich geprüft sind.“

Daten sammeln gegen Wissenslücken

Darum betreibt Clue vielseitige Aufklärung und investiert in Forschung, indem die Nutzer-Daten anonymisiert weitergegeben werden. „Aber wir verkaufen keine Daten. Wir wählen unsere Forschungspartner sorgfältig und strategisch aus. Dabei legen wir den Fokus auf wirkungsorientierte Arbeit, die versucht, Wissenslücken im Bereich der weiblichen Gesundheit zu füllen.“ Dieser Vorsatz ist momentan umsetzbar, da Clue durch Investments finanziert wird. Tin hofft, dass die Nutzer*innen in Zukunft dazu bereit sind, für den Dienst zu zahlen. „Ich hoffe, dass Clue in Zukunft die Go-To App wird, wenn es um Frauen-Fragen geht – von der ersten Periode, über die Wahl des Verhütungsmittels bis hin zu Schwangerschaft und Geburt.“

Mittels Clue können die Nutzerinnen nicht nur tracken, wann sie ihre Periode bekommen. Auch Stimmungen werden mit in die Analyse integriert und zeichnen somit das Bild eines ganzheitlichen weiblichen Zyklus. Foto: Clue

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Mit female power zur female health

Wichtig findet Tin die Aufklärungsarbeit: „Je mehr einflussreiche Frauen über ihre Gesundheit und ihre persönlichen Erfahrungen als Frau reden, desto mehr werden Diskussionen zur weiblichen Gesundheit entfacht. Gleichzeitig realisieren dadurch auch immer mehr Menschen den Bedarf an Innovation und verbesserte Technologien in diesem Bereich – also von Perioden-Tracker wie Clue, über Vibratoren, Milchpumpen bis zu sanitären Produkten.” Tin glaubt, je mehr weibliche Gesundheit thematisiert wird, desto weniger Stigmata wird es geben. Stigmata, die Frauen daran hindern, sich mit ihrem Körper auseinanderzusetzen und adäquate Entscheidungen zu treffen. Wie Marathonläuferin Kiran Gandhi eine getroffen hat, als sie bereit war, mit einem Tabu zu brechen und zu zeigen, was eigentlich ganz normal sein sollte: Wir sind Frauen, wir existieren und wir leben jeden Tag mit unserem Körper und es tut uns und unserer Gesundheit gut darüber zu sprechen.