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Foto: Loic Leray.

Die richtige Investition – Eine Frage des Bauchgefühls?

Wie wichtig ist unser Bauchgefühl, wenn wir finanzielle Entscheidungen treffen? Wir haben den Verhaltensökonom Dr. Armando Meier befragt, inwiefern uns unsere Gefühle dabei helfen können, die „richtige” Entscheidung zu treffen.

Dr. Armando Meier ist Mikroökonom und promovierte an der Universität Basel. Er forscht unter anderem in den Bereichen angewandte Mikroökonomie sowie Arbeits-, Gesundheits- und Verhaltensökonomie. Meier hat in seinen Forschungen untersucht, in wiefern uns Emotionen zu riskanten oder vorsichtigen Entscheidungen verleiten und von rationalen Faktoren ablenken. Wir haben uns gefragt, wie sehr wir bei Finanzfragen auf unser Bauchgefühl vertrauen können und waren gespannt, welche Erfahrungen er in seiner Forschung sammeln konnte. 

Dr. Armando Meier ist Mikroökonom und hat in seinen Forschungen untersucht, in wiefern uns Emotionen zu riskanten oder vorsichtigen Entscheidungen verleiten und von rationalen Faktoren ablenken. Foto: Armando Meier.

Können Sie für unsere Leser einmal erklären, worum es in der Verhaltensökonomie geht? 

Ganz grob gesagt geht es darum, dass man herausfinden will, wie sich Leute verhalten oder welche Gesetzmäßigkeiten es gibt, wenn Menschen in bestimmten Situationen eine Entscheidung treffen müssen. Das Spezielle an der Verhaltensökonomie, im Vergleich zur Psychologie, ist, dass man aus der Sicht der Ökonomie versucht zu verstehen, in welchen Situationen Leute von rationalem Verhalten abweichen, wie gesetzmäßig diese Abweichungen sind, und wie sie sich am besten beschreiben lassen. Dazu orientiert man sich an Erkenntnissen der Psychologie. Man versucht die Psychologie und ökonomische Verhaltensmodelle zu verbinden, um besser zu verstehen, wie sich Menschen verhalten. 

Wieso haben Sie sich entschieden, in diesem Feld zu forschen? Was interessiert Sie persönlich daran?

Ich finde es spannend, menschliches Verhalten zu beobachten und zu verstehen. Beispielsweise ist während der Corona-Krise gut zu erkennen, dass Angst und Wut bei Menschen relativ nah beieinander liegen. Ich finde es spannend, besser zu verstehen, wie Menschen sich verhalten und wie dieses Verhalten Entscheidungen im Kollektiv prägen. 

In Ihrer 2019 veröffentlichten Studie „Emotions and Risk Attitude” stellen Sie unter anderem fest, dass unsere Gefühle einen großen Einfluss auf unsere Risikobereitschaft haben. Warum spielen Ihrer Meinung nach Emotionen bei der Geldanlage so eine große Rolle? 

Emotionen spielen in allen Lebensbereichen eine wichtige Rolle. Klar ist auch, dass, wenn es sich jetzt nicht um professionelle Anleger handelt, diese potentiell bei Entscheidungen von Emotionen beeinflusst werden können. Wenn jemand beispielsweise an der Börse oder im Casino viel Geld verloren hat, sieht man es in Fallstudien häufiger, dass diese Menschen höhere Risiken eingehen, um den Verlust wieder auszugleichen. 

Welches Gefühl ist für dieses Verhalten in diesen Situationen verantwortlich?

Man ist sich nicht sicher, welches Gefühl dabei in dieser spezifischen Situation die Hauptrolle spielt. Ganz allgemein sehen wir, dass Menschen in intensiven Gefühlslagen Wahrscheinlichkeiten schlechter einschätzen können. Wenn sie schlechte Laune haben, sind sie pessimistischer und wenn sie gute Laune haben, denken sie optimistischer. Generell verstehen Menschen oft nicht, wie sich ihre Emotionen auf ihr Verhalten auswirken und können diese Gefühle dann auch nicht antizipieren. Das führt im Endeffekt dazu, dass diese Menschen unbemerkt andere Entscheidungen treffen als jene, die sie in einem emotional distanzieren Zustand treffen würden.

An dieser Graphik ist zu erkennen, dass die Bereitschaft Risiken einzugehen, mit wachsendem Wutgefühl zunimmt. Foto: Armando Meier.

Welche Gefühle sollten wir vor einer wichtigen Entscheidung versuchen zu vermeiden? 

Wenn man sich in einem emotional intensiven Zustand befindet, fühlt man sich oft dazu gedrängt, direkt eine Entscheidung zu treffen. Das macht den Weg dahin, eine richtige Entscheidung zu treffen, noch beschwerlicher. Wenn jemand beispielsweise sehr wütend ist, ist es oft schwer, sich mit einer Entscheidung zurückzuhalten. Dabei ist es besser, die Entscheidung auf der Basis von Wut zu vertagen und am nächsten Tag mit frischem Blick noch einmal anzugehen. Wenn man dennoch immer wieder konsequent auf die gleiche Entscheidung zurückkommt, dann kann man sicher sein, dass das seine endgültige Entscheidung sein sollte. 

Man darf seine Emotionen aber auch nicht komplett außer Acht lassen. Oft wird davon ausgegangen, dass, wenn die Leute von einem eng gefassten „rationalen” Verhalten abweichen, Fehler machen. Wir wissen aber aus der biologischen Forschung, dass Emotionen da sind, um unser Überleben zu sichern. Viele Sachen, die wir erleben, können wir nicht komplett artikulieren und bewusst verarbeiten, da helfen Emotionen als Übersetzung unseres Bauchgefühls. Deshalb ist es auch wichtig, sich die Zeit vor wichtigen Entscheidungen zu nehmen, in sich rein zu hören und diesen Gefühlen Platz zu lassen, da sie unsere Intuition bilden. 

Welche Konsequenzen sehen Sie für den Finanzmarkt? Was sollte sich Ihrer Meinung nach ändern im Hinblick auf Ihre Forschungsergebnisse? 

Bei Investitionen sollte die Emotionsebene keine Rolle spielen. Der emotionale Zugang ist bei persönlichen Entscheidungen jedoch wichtig, beispielsweise bei der Partnerwahl. Das ist beim Finanzmarkt natürlich anders, da gibt es wenige Informationen, die über Gefühle abgebildet werden, die der Markt nicht so schon angezeigt hat. Bei Investitionsentscheidungen ist es besser, wenn man sich von seinen Gefühlen ein Stück weit trennt. Man sollte lieber noch mal eine Nacht drüber schlafen, bevor man in Panik kauft oder verkauft. 

In den USA fanden gerade die Wahlen statt. Sie hatten in Ihrer Doktorarbeit den Zusammenhang zwischen dem Wetter und dem Ergebnis von Volksabstimmungen in der Schweiz erforscht. Wenn man rational auf ihre Ergebnisse schaut, was ergibt sich daraus für eine Handlungskonsequenz? 

Die Hauptaussage dieses Forschungsprojektes ist, dass Emotionen beim Abstimmen eine Rolle spielen. Inwiefern wir deshalb das Wahlsystem anpassen sollten, ist nicht so klar. Eine Möglichkeit ist, die in den USA viel diskutierte Briefwahl. Allerdings konnten wir messen, dass nach der Einführung der Briefwahl in der Schweiz das Wetter eine Woche vor der Wahl eine wichtigere Rolle bei der Entscheidung gespielt hat. Eine andere Möglichkeit, die vor allem im Schweizer Kontext zutrifft, wäre es, nicht mehrere Abstimmungen am selben Tag durchzuführen. Bei emotional aufgeladenen Entscheidungen, wie beim Thema Migration, bietet es sich an, ein einzelnes Wochenende zu finden.

In Zeiten von Corona herrscht im Allgemeinen ein andauerndes Verunsicherungsgefühl. Kann man diese allgemeine Verunsicherung auch auf den Aktienmarkt beobachten? Stimmen diese Beobachtungen mit Ihrer Forschung überein? 

Momentan befinden wir uns in einer extrem außergewöhnlichen Situation, in der auf dem Aktienmarkt momentan viele Faktoren eine Rolle spielen. Auf der einen Seite hat man die Verunsicherung der Privatanleger, auf der anderen Seite hat man die Nationalbanken und die Regierung, die versuchen, die Wirtschaft zu stützen. Über die letzten Monate war eine hohe Volatilität zu beobachten. Das kann allerdings nicht nur auf die Emotionalität der Anleger zurückzuführen sein, denn momentan passiert vieles, was den Aktienmarkt beeinflusst. Blickt man zurück, ist bei Aktienpreisen schon immer eine hohe Volatilität zu beobachten. Daraus könnte man ableiten, dass Menschen in gewissen Situationen überreagieren. Inwiefern das auf Corona zurückzuführen ist, bleibt, bei allem was gerade den Aktienmarkt beeinflusst, schwer zu beantworten.

Die Erkenntnis ist sehr deutlich: Je mehr Angst die Probanden verspürten, desto weniger waren sie bereit dazu, Risiken einzugehen. Foto: Armando Meier.

Was ist Ihr Eindruck: Wie gehen Menschen allgemein mit dem Thema Altersvorsorge um? Wie motiviert und risikobereit sind Menschen, in ihre Zukunft zu investieren? 

Man geht davon aus, dass die Leute tendenziell zu wenig  vorsorgen. Es ist immer schwierig seine Entscheidung rückblickend zu beurteilen. Der Verzicht auf bestimmte Erlebnisse oder Meilensteine, wie ein eigenes Haus, könnte für den einen wertvoll und für den anderen enttäuschend sein. Das Menschen tendenziell zu wenig sparen und zu wenig Risiko eingehen, liegt daran, dass sie so ungeduldig sind und sich von ihrer Angst leiten lassen. Dabei haben junge Menschen einen sehr langen Anlagehorizont. Wenn man als junger Mensch in Aktien investiert, ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie somit im Laufe der Zeit die Schwankungen im Aktienmarkt wieder ausgleichen, viel höher. Umgekehrt sollte man im Alter weniger Risiken eingehen. 

Wie könnten sich unsere Entscheidungsfindung und Fähigkeit zukünftig verändern? Brauchen wir mehr Robo-Advisor für unsere Investments? 

Die Schwierigkeit dabei ist, dass man selbst über gewisse Informationen verfügt, die Robo-Advisor nicht haben. Beispielsweise weiß man selber besser, wie risikobereit und geduldig man ist. Man weiß, wie lange der Anlagehorizont ist, den man haben will und man weiß, einer wie starken Marktschwankungen man sich aussetzen will. Das sind Informationen, die eine Robo-Advisor potenziell aufnehmen kann, indem er nachfragt. Wie eng das letztlich tatsächlich mit der persönlichen Risikohaltung übereinstimmt, ist nicht immer ganz klar. 

Diese Robo-Advisor sind eine erste gute Annäherung an emotionsloses Investieren, wo es eine klare Regelung gibt. Andererseits muss man vorsichtig sein, dass dabei wirklich die Präferenzen der Kunden langfristig abgebildet werden.

Gibt es etwas Neues, an dem sie gerade forschen und von dem sie uns erzählen möchten?

Es gibt vieles, an dem ich gerade forsche, was aber nicht unbedingt mit Emotionen im Zusammenhang steht. Ich habe gerade während Covid Nachforschungen angestellt, ob Menschen, die anderen Menschen aus Nächstenliebe Geld spenden, sich auch eher an die Corona-Verhaltensregeln halten. Da sehen wir gerade, dass das der Fall ist. Menschen die altruistisch handeln, sind sorgfältiger, was das Einhalten der Regeln zum Schutz der anderen angeht.