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Foto: Javier Canada

Digitalisierung in der Flugzeugkabine: So fliegt man in Zukunft

Unsere digitalen Spuren versanden im Flugzeug: Während man sich auf dem Weg zum Airport zahlreicher Apps bedient, haben Smart Devices im Flieger meist Sendepause. Auf Innovationswettbewerben führen junge Entwickler vor, was technisch bereits möglich wäre.

Noch im Bett online einchecken und per Öffi-App die beste Verbindung zum Flughafen suchen. Upps, doch lieber ein Uber bestellen? Unterwegs Musik streamen und lesen, was Trump nachts getwittert hat. Später die Bordkarte vorzeigen, die auf dem Handy gespeichert ist, am Sicherheitscheck und nochmal am Flugsteig. Selbst im Flugzeug: noch schnell ein Foto machen und in die Instagram-Story laden.

Wie viele unserer alltäglichen Aktivitäten online vermittelt sind, merkt man manchmal erst, wenn man gebeten wird, den Flugmodus einzuschalten. Jetzt ist man sogar froh, dass irgendein Podcast, sonst nur speicherverstopfend, automatisch heruntergeladen wurde. Denn selbst bei Langstreckenflügen ist eine funktionierende Internetverbindung noch längst keine Selbstverständlichkeit.

Während das Cockpit voll vernetzt ist, herrscht im Passagierraum meist Funkstille. Foto: JC Gellidon

Wo bleibt das WLAN?

Dabei zeigte eine Studie aus dem Jahr 2016 (!) bereits, dass Fluggästen ein Internetzugang das drittwichtigste Kriterium nach Preis und Abflugzeit ist und ein Drittel sogar bereit wäre, dafür extra zu zahlen. Neuere Studien gibt es leider nicht, aber es ist davon auszugehen, dass der Trend anhält, da auch die allgemeine Internetnutzung stetig zunimmt. Für kurze Reisen ist diese erzwungene Internetabstinenz nicht sonderlich schlimm, aber wunderlich ist es schon. Gerade weil vielen Fluggästen der Internetzugang ein entscheidendes Kriterium ist.

Ganz anders sieht es im Cockpit aus. Dort ist es inzwischen gängige Praxis, den Autopiloten steuern zu lassen – nicht nur während des Flugs, sondern sogar bei der Landung. Einzig der Start liegt noch in rein menschlicher Hand. Und selbst das soll sich bald ändern, denn 90% der wenigen Unfälle und Komplikationen, die im Zusammenhang mit Passagierflugzeugen auftreten, sind auf menschliches Fehlverhalten zurückzuführen.

Um so effizient wie möglich zu planen, wird für den Flugbetrieb die neueste datenverarbeitende Technik eingesetzt. Foto: Skyler Smith

Wettbewerb fordert und fördert Innovation

Doch nicht nur das Fliegen soll automatisiert werden – auch die gesamte Planung des Flugbetriebs kann sich durch intelligenten Umgang mit gesammelten Daten deutlich verbessern. Wenn alle Abfahrtspläne und Flugrouten aufeinander abgestimmt und der benötigte Treibstoff besser berechnet würde (Möglichst kein überflüssiges Gewicht, aber auch bitte nicht zu wenig im Ernstfall!), dann steigt die Effizienz und die Umweltbelastung sinkt. Im eigentlichen Flugbetrieb ist die Digitalisierung also bereits im vollem Gange. Bei den Passagieren kommt davon bisher nur wenig an.

Wird sich das in Zukunft ändern? Innovationswettbewerbe suggerieren das, wie etwa die „Crystal Cabin Awards“. Auf der jährlich in Hamburg stattfindenden Preisverleihung werden innovative Ideen für die Ausstattung von Flugzeugkabinen ausgezeichnet. Dabei lässt die Expertenjury neben dem Innovationsgrad auch den potenziellen Markterfolg und die direkte Anwendungsmöglichkeit in ihre Bewertung mit einfließen. Die Einreichungen der Finalisten zeigen daher vielleicht schon heute, wie das Flugerlebnis von Morgen aussieht.

An innovativen Ideen für Flugzeugkabinen mangelt es nicht. Foto: Omar Prestwich

Hologramm-Oberfläche statt Mini-Bildschirm

Der Hersteller United Screens stellte etwa einen 3D-Fernseher vor, der beim Passagier auch ohne Brille die Illusion von Tiefe erzeugt. Die Studenten der University of Cincinnati gingen sogar noch einen Schritt weiter. Sie entwickelten, zusammen mit Boeing, der neben anderen Flugzeugbauern Sponsor der Awards ist, eine Hologramm-Oberfläche, die den Raum größer und erfahrbarer wirken lässt.

Li-Fi statt Wi-Fi

Doch es wird tatsächlich auch am Breitbandausbau zu Luft gearbeitet: Die Entwicklung eines sogenannten „European Aviation Network” soll mithilfe von Satelliten und Bodenstationen der Deutschen Telekom das LTE-Netz für Flugzeugpassagiere verfügbar machen. Statt alle Funkverbindungen zu kappen, könnte der Flugmodus in Zukunft eine ganz andere Bedeutung bekommen – oder schlichtweg zur Reliquie verkommen.

Sehr nach Sci-Fi klingt die Li-Fi (light fidelity)-Technologie der schottischen University of Edinburgh. Hier wird Licht aus dem sichtbaren Spektrum als Übertragungsmedium genutzt.  Internet aus der Lampe sozusagen. Auch Manipulationen würden dadurch ungleich schwerer, da man sofort bemerken würde, wenn sich jemand am Lichtkanal zu schaffen machte.

Beim Fliegen Auto fahren

Eine Reihe anderer zukunftsträchtiger Innovationen sind beim Wettstreit entstanden, der von Telekom und Lufthansa ausgerufen wurde. Drei junge Entwicklerteams kamen hier in die Endrunde. Im Rahmen des „Lufthansa FlyingLabs“ stellten die Teams ihre Ergebnisse während des Flugs von Frankfurt nach Houston vor.

Team „Feel.Flight“ präsentierte einen sogenannten Flug-Slipper, der sich als Controller für Mario Kart eignet. Der entscheidende Vorteil gegenüber herkömmlichen Unterhaltungsprogrammen: „Man bewegt seine Füße mehr, das senkt das Thromboserisiko und man hat auch noch Freude dabei“, so Kai Peter. Seine Schwester Nathalie ist Produktdesignerin und im Team vor allem für Aussehen und Haptik zuständig. „Ich finde Adiletten ikonisch und deshalb haben wir uns beim Design der Game-Schuhe etwas daran orientiert.“

Mit den Fuß-Controllern können Spiele gesteuert und gleichzeitig das Thromboserisiko gesenkt werden. Screenshot: Lufthansa FlyingLab

Das Konzept des Team „Lyra“ sieht vor, die Kommunikationswege zwischen den Passagieren und der Crew zu verbessern. Mit ihrem System werden Bestellungen und Anfragen der Fluggäste direkt ins Sichtfeld der Flugbegleiter projiziert, die mit Smart Glasses ausgestattet ist. Bei der Präsentation ihrer Entwicklungen scherzte Jonas Auda über seine persönlichen Beweggründe. „Ich bin ein Informatiker und schüchtern. Ich rede nicht gern mit fremden Menschen, so haben wir uns etwas überlegt, das die Kommunikation effizienter macht und Wünsche als Daten übermittelt.“

Die Smartglasses für die Crew erinnern etwas an 3D-Brillen, die man im Kino bekommt. Foto: ©Telekom Fashion Fusion, 2017/18

Privatsphäre im Smartchair

Jonas Auda dürfte dann auch, zumindest seiner stereotypen Selbstbeschreibung nach zu urteilen, die Erfindung des konkurrierenden Team „Smart Chair“ interessieren. Der Flugzeugsitz, den es entwickelte, hat nämlich ein Feature, dass das Abkapseln vom Umfeld erleichtert: Bei Bedarf kann man einfach eine schirmartige Vorrichtung ins Sichtfeld klappen. Im besten Fall verhindert der sogar einen Jetlag, da mittels einer speziellen Lichttherapie der Schlaf-Wach-Rhythmus verbessert würde, erklärt Melanie Maucksch, Studentin der JAK-Akademie Hamburg.

Über den Schirm sollen verschiedene Medien wiedergegeben werden können. Der Sitz selbst soll die Temperatur regulieren, sogar eine Massagefunktion ist geplant. Foto: ©Telekom Fashion Fusion, 2017/18

Ob und welche Prototypen schließlich in Serie gehen, ist noch ungewiss. Allenfalls werden zunächst die höherpreisigen Klassen in den Genuss der neuesten Innovationen kommen. So etwa bei Luxussuiten in Gangmitte: Für sie wurden bereits Fake-Fenster entwickelt, wo beglaste Löcher zusammen mit Monitoren, die Live-Aufnahmen der am Flugzeug außen angebrachten Kameras zeigen, eine illusionistische Einheit bilden. So wird den Passagieren ein Ausblick geboten, der mit „analoger Technik“ (wenn man Fenster denn als solche bezeichnen kann) unmöglich wäre.

Mit diesen digitalen Fenstern können Passagiere einen Ausblick genießen, der mit herkömmlichen Fenstern gar nicht möglich wäre. Foto: Emirates

Die jungen Wilden

Jüngere Generationen betrachten das Flugzeug, dank Billigflieger-Angeboten und Kerosin-Subventionen, zunehmend als völlig normales Verkehrsmittel, denn als Besonderheit. Kein Wunder, ein Zugticket innerhalb Deutschlands ist meist teurer als ein Flug nach Barcelona.

Deswegen ist es auch insbesondere die jüngere Generation an Entwicklern, denen der Status quo des Flugerlebnisses als unspektakulär und nicht zeitgemäß erscheint. Ihre vielen hier vorgestellten Ideen und Konzepte werden die Art, wie wir in Zukunft fliegen – oder besser, uns fliegen lassen – grundlegend verändern.

Foto: Cristian Baron

Spannend bleibt, welche Innovationen (als erste) umgesetzt werden. Wer weiß, vielleicht kann man schon bald im kokonartigen Smartchair zu über Li-Fi gestreamtem Meeresrauschen einschlafen und sich, kurz vor Landung, mit einer fußgesteuerten Runde Mario Kart auf dem holografischen Bildschirm wieder wach zocken. Fliegen würde dadurch sicherlich teurer, aber eben auch wieder ein Erlebnis, die schönste Art zu reisen.