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Bild: Frank Schröder

ExpeditionFinance – durch den Finanzdschungel mit Jürgen Schmitt

Lockig-grauer Bart bis zur Brust, flink und beweglich, wie er selbst sagt, die Lockerheit schwingt in seinem Auftreten mit. Jürgen Schmitt verbrachte den Großteil seines Berufslebens als Wertpapierhändler für die Deutsche Bank an der Frankfurter Börse. 2018 rief er das Videoformat ExpeditionFinance ins Leben, eine Entdeckungsreise zur Klärung komplexer Fragen aus der Finanzwelt und darüber hinaus. Chefredakteur Claudio Rimmele traf den Ex-Börsianer im Quartier Zukunft der Deutsche Bank.

Du warst jahrelang Wertpapierhändler. Wie kamst du damals an die Börse?

1993 habe ich eine Lehre bei der Bank angefangen, das war ganz klassisch für die damaligen Abiturjahrgänge. Nach zwei Jahren als Auszubildender bei der Deutschen Bank habe ich mich aus dem Blauen heraus bei der Abteilung für Wertpapiere beworben. So kam es, dass ich 1995 in das Backoffice der Wertpapierhändler gekommen bin. Nach einem Jahr entdeckte mich dort ein Händler der Börse. Der fand mich Jungspund frech, aber gut und nahm mich im November 1996 zu sich. Gleich am ersten Tag ging ich mit aufs Börsen-Parkett, da war ich gerade mal 22 Jahre alt und noch mitten in der Prüfung zum Wertpapierhändler. Im selben Monat ging die Telekom an die Börse. Plötzlich waren Leute wie der frühere Vorstandsvorsitzende Ron Sommer und Theo Waigel, der damalige Finanzminister, mit mir auf dem Parkett. Das kannte ich vorher nur aus dem Fernsehen.

Und wieso bist du dort nicht geblieben?

Die Bank verändert sich im Laufe der Zeit. 22 Jahre lang habe ich in Handelsräumen gearbeitet und mich weiterentwickelt. Vom Parkett kam ich ins Büro, bekam viele weitere Produkte hinzu, wurde Derivate Spezialist mit einer Ausbildung in Chicago. Aber nach 22 Jahren hat sich die Bank verändert. Das Aktiengeschäft wurde reduziert und das betraf mich. Meine Rolle fiel weg, ich hatte keinen Job mehr.

Nach 22 Jahren als Wertpapierhändler an der Börse rief Jürgen Schmitt das Videoformat ExpeditionFinance ins Leben. Bild: Frank Schröder

Daraufhin hast du die Idee für ExpeditionFinance entwickelt. Wie ist diese entstanden?

Die Bank hat mich damals aus meinem Job heraus gebeten, das war eine schwierige Phase. Das musst du auch deiner Familie erst mal erklären. Die Bank findet keinen Wert mehr für dich, das vermittelt einem auch selbst das Gefühl, wertlos zu sein. In dieser Situation die richtige Balance wiederzufinden, dauerte seine Zeit. Zwei Wochen nach diesem enormen Wegbruch bin ich mit meiner Familie in den Urlaub gefahren, das war mein Glück. Beim Joggen in Griechenland kam mir der Gedanke: Was macht die Bank in Griechenland denn überhaupt? Was macht sie in Portugal? In meinem ehemaligen Job saß ich immer nur vor meinen Handelsschirmen und wusste, was in Amerika oder Asien funktioniert. An den Börsen kannte ich mich aus, aber hatte keinen blassen Schimmer, wofür du die Deutsche Bank in den einzelnen Ländern brauchst. Zuhause nahm ich mir dann eine Weltkarte vor und setzte überall dort Nadeln, wo die Bank vertreten war. Dazu stellte ich die Frage, wo kommt die Bank her, was macht sie und wie sieht ihre Zukunft aus? Aus diesen simplen Überlegungen ist die Idee entstanden, das war 2018. Das 150-jährige Jubiläum der Deutschen Bank stand im Jahr 2020 bevor und so bin ich zu einem Bekannten aus der Kommunikationsabteilung der Deutschen Bank gegangen und habe ihm vorgeschlagen, die Bank den Leuten vorzustellen. Mein Kollege fand das eine gute Idee und lud mich ein, zwei Wochen daran weiterzuarbeiten. Das war cool, denn ich war auf einmal ein Wertpapierhändler ohne Funktion, der in seinem Büro sitzt, aber keine Aufgabe mehr hat. Plötzlich durfte ich an etwas Neuem arbeiten und aus den anfänglichen zwei Wochen wurde ein ganzes Projekt.

In einem Artikel wirst du auch wegen deines Bartes mit einem Polarforscher verglichen, der sich in die Arktis aufmacht. Die Finanzwelt kann auch ganz schön kalt sein. Passt da der Vergleich?

Es ist ein schöner Vergleich, ich glaube aber eher, dass es mit der Expedition zu tun hat, bei der die Menschen mit Neugierde rausgehen und ihr Erforschtes weitergeben. Sinn und Zweck ist schließlich, dass wir etwas für die Leute entdecken. Für mich heißt das, ich schaffe mit meinen Reportagen einen Mehrwert für die Leute.

Mittlerweile beschäftigst du dich in deinen Videos nicht mehr nur mit den Standorten, sondern auch mit relevanten Trends für die Bank in deinen Videos. Wie gehst du bei der Trendforschung vor?

Wir haben relativ schnell die Vergangenheit und die Gegenwart ausgeblendet und uns auf die Zukunft konzentriert. Am Anfang haben wir uns die Megatrends angeschaut. Da stellte ich schnell fest, was die Finanzindustrie und den Rest da draußen bewegt. Egal aus welchem Bereich unsere Kunden kommen, Chemie oder Versicherung, sobald sich da was verändert, ändert sich auch das Business für die Bank, die für ihren Kunden da sein muss. Damit geht es nicht mehr allein um die Finanzindustrie, sondern um die Themen außerhalb dieses Bereichs. Aus der anfänglichen Netzrecherche ist ein Selbstläufer geworden. Die Leute sehen unsere Filme und kontaktieren uns mit weiteren Ideen. So entsteht eine tolle, aktive Community. An Ideen mangelt es nicht.

Mit diesen Trends im Blick würdest du da auch anders investieren? Verändert deine neue Arbeit deinen Blick auf das Anlagegeschäft?

Nein, das ist komplett losgelöst voneinander. Handel war früher – was ich jetzt entdecke, das ist auf die Zukunft gerichtet. Das ist ein Konjunktiv. Im Vordergrund steht der Entdeckergedanke, wie geht es weiter? Wird sich diese oder jene Idee verfestigen? Dadurch, dass wir diese Themen bespielen, nehmen wir die Zuschauer mit.

Du beschäftigst dich auch mit Nachhaltigkeitsthemen. Wie ist da dein Blick bezüglich der Finanzwelt?

Ich merke, wie zum Glück die 17 UN Nachhaltigkeitsziele immer weiter in den Fokus rücken. Tatsächlich könnten sie noch viel mehr im Fokus stehen. Das ist ein ganz wichtiger Aspekt für die Bank. Das ist einer der Hauptpunkte, wo ich beim Kunden, aber auch bei der Bank eine Transformation sehe.

Was würdest du konkret an der Finanzwelt oder in der Bank ändern, wenn du könntest?

Ich würde mir wünschen, dass mehr Kolleg:innen wie ich sagen: Ich möchte etwas verändern und ich traue mich auch. Manchen scheint die Möglichkeit dazu nicht bekannt zu sein, vielleicht ändern wir das jetzt hiermit ein wenig.

Expedition Finance gibt es jetzt seit vier Jahren und dein Projekt läuft auch über das Jubiläum hinaus und erreicht immer mehr Zuschauer. Was löst dein Projekt aktuell für Reaktionen aus?

Wir bekommen sehr gutes Feedback. 2018 sind wir mit der Idee gestartet, als die Finanzwelt keinen guten Ruf hatte. Das war eine schwierige Zeit des Wandels. Zu dem Zeitpunkt haben wir uns getraut, – werbefrei – rauszugehen, um den Leuten Hintergründe zu erklären, Wissen zu vermitteln und Zugänge zu schaffen, Interesse zu wecken. Das ist ein neuer Ansatz für die Banken gewesen. Damit ecken wir nicht an, denn Wissen ist immer willkommen. Allerdings ist es wichtig, die Clips möglichst interaktiv aufzubereiten, damit die Zuschauer:innen auch Lust bekommen, sich die Videos anzugucken. Die Leute freuen sich teilweise auf die nächste Woche, fragen gespannt, was kommt als Nächstes?

“Ich würde mir wünschen, dass mehr Kolleg:innen wie ich sagen: Ich möchte etwas verändern und ich traue mich auch”, sagt Jürgen Schmitt. Bild: Frank Schröder.

Kritik an der Bank kommt dabei weniger?

Nein, denn wir machen ja keine Werbung. Die Bank will Wissen nach außen tragen und sich nicht über ein Produkt definieren. ExpeditionFinance ist als eigene Marke eingetragen und bewirbt keine Produkte der Deutschen Bank, das würde nicht passen. Wir vermitteln Wissen zu einem Thema, in das die Zuschauer einsteigen. Anschließend können sie sich an ihren Finanzdienstleister wenden. Idealerweise ist das dann die Deutsche Bank, die ihnen Wissen zum jeweiligen Thema auch zugänglich gemacht hat.

Was möchtest du gern als Nächstes erreichen?

Wir müssen internationaler werden. Im nächsten Monat steht eine Reportage-Reise nach Asien an. Das sieht momentan alles gut aus. Allerdings können wir aufgrund der Pandemie keine Vorhersagen treffen, was mögliche Einschränkungen angeht. An zweiter Stelle bauen wir einen YouTube-Kanal mit eigenem Format auf. Merchandising gibt es ebenfalls: Hoodies, T-Shirts, Rucksäcke, Socken, passend zum Thema; sich auf den Weg machen.

Du bist mit deinem Projekt noch als Einzelkämpfer unterwegs, kannst du dir vorstellen, dass die Expedition Finance von einem ganzen Team betreut wird?

Jede Menge Leute unterstützen mich bereits bei dem Projekt. Ich stehe zwar vor der Kamera, aber hinter der Kamera sind einige Köpfe aktiv. Natürlich wäre es schön, wenn noch mehr Leute für ihre Themen auf Social Media sichtbar wären. Daran beteiligt zu sein, wäre ein schöner Nebeneffekt. Jetzt habe ich mich so in Social Media reingeschmissen, dass ich sehe, wie wichtig die Sichtbarkeit in den sozialen Netzwerken wie LinkedIn oder YouTube ist. Meine Erfahrungen dazu teile ich bereits mit den Kolleg:innen um mich herum.

Lust auf eine Finanz-Expedition bekommen? Die Videos und Beiträge von Jürgen Schmitt und der Expedition Finance kannst du auf YouTube, LinkedIn und auf der Webseite der Deutschen Bank entdecken.