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Foto: Caroline Hernandez.

Feministische Vaterschaft: Ein Schnupperkurs

14 Nächte lang machte Fabian Soethof einen Selbstversuch: Immer wenn seine Frau zum Stillen nachts aufstand, stand auch er auf. Ein Schnupperkurs im schlaflosen Mutterdasein sozusagen. Im Interview spricht der Journalist und Autor Fabian Soethof über die neuen Anforderungen an die Vaterrolle. 

Haben Väter es leichter als Mütter?

Natürlich haben es Väter grundsätzlich leichter als Mütter, weil die Ansprüche an sie viel niedriger sind als an Mütter. Wenn Papa alle drei Wochen mal mit den Kindern auf den Spielplatz geht, bekommt er Applaus. Aber wenn Mama das zwei Tage lang nicht getan hat und das Kind dann auch noch einen Eisfleck auf dem T-Shirt hat, dann ist sie gleich eine Rabenmutter.

Zum Glück ändert sich gerade viel: Ich lebe in Berlin-Kreuzberg und werde dort nicht komisch angeguckt, weil ich die Kinder zur Schule bringe und in Eltern-Whatsapp-Gruppen bin. Väter mussten sich bisher nicht so um ihre Kinder kümmern wie Mütter. Ihre Karrieren wurden nie groß von der Vaterschaft berührt. Aber trotzdem stehen sie jetzt vor einer Vielzahl von neuen Erwartungshaltungen, die es früher nicht gab. Früher waren die Rollen klar verteilt – nur nicht immer so gewollt. Männer nähern sich jetzt dem Punkt, an dem Frauen schon seit Jahren stehen. Und in diesen neuen Erwartungen an sie müssen sie sich erstmal zurechtfinden. 

Haben deine Eltern sich die Erziehungsarbeit aufgeteilt? War Feminismus zuhause ein Thema? 

Nein. Meine Eltern waren sehr jung, als ich auf die Welt kam. Ich bin mit meiner Mutter bei meiner Oma groß geworden und war alle zwei Wochen bei meinem Vater, meine Eltern sind getrennt. Sowohl bei meinem Vater als auch bei meiner Mutter waren immer auch andere Verwandte im Haus, Onkels, Tanten, etc. Aber was mir erst im Nachhinein aufgefallen ist: Es waren immer die Frauen, die sich gekümmert haben. Zuhause war es meine Oma, meine Tante oder meine Mutter, oder mal eine Nachbarin, die ausgeholfen hat und mich zur Schule gebracht hat. Wenn ich dann bei meinem Vater war, war ich zwar bei ihm, aber im Grunde hat er sich nicht gekümmert. Er war kein schlechter Vater, aber trotzdem war er eben der, der arbeiten geht. Ich habe das zwar nie als schlimm empfunden, aber vielleicht habe ich deshalb irgendwann gemerkt: Das kann man(n) auch anders machen. 

“Obwohl sich die Zeiten geändert haben, erreiche ich mit meinen Texten trotzdem überwiegend Frauen. Die Anzahl der Männer, die meine Texte lesen und sich auf Instagram mit diesen Themen beschäftigen, ist überschaubar – die kenne ich mittlerweile alle persönlich.”  Bild: Hella Wittenberg

Wie genau kamst du zu dieser Erkenntnis? 

Das habe ich vor allem durch meine Frau gemerkt. Wäre für sie alles cool gewesen, würden wir heute nicht so sprechen. Wir haben zwei Kinder. Ich habe mich zwar in meiner Rolle als Vater bemüht, aber meine Frau war trotzdem diejenige, die mit einem 3-jährigen Baby zuhause saß. Ihr Leben hat sich krass verändert. Meins auch, aber eben nicht so krass. Sie war diejenige, die gesagt hat, dass es so nicht weiter geht. Also bin ich in Teilzeit gegangen und habe das nie bereut. 

Also bist du durch deine Frau zum Feministen geworden?

Ich würde mich gar nicht als Feministen bezeichnen, das war zumindest kein feministischer Akt, ich habe einfach in dieser Benachteiligung meiner Frau eine Ungerechtigkeit gesehen. Denn es geht ja eigentlich darum, dass unsere Gesellschaft sich so verändert, dass wir da gar nicht mehr draufschauen müssen, weil es ganz normal ist, dass Frauen das Gleiche verdienen wie Männer. Und dass es normal ist, dass der Mann genauso wie die Frau in Elternzeit geht. Ich glaube, Gleichberechtigung ist erst dann erreicht, wenn wir all die gesellschaftlichen Konstrukte, die uns seit Jahrzehnten vorgelebt werden, um die Wirtschaft am laufen zu halten, nicht mehr haben: Heiraten, Kinder kriegen, Doppelhaushälfte kaufen, etc. Warum kann ich weitermachen wie bisher und sie nicht? Aber ja: Durch meine Frau habe ich angefangen, über solche Themen überhaupt nachzudenken.  

2013 hast du einen Elternblog eröffnet. Was hat dich dazu bewegt und wen möchtest du damit erreichen?

Schreiben war nicht nur mein Beruf, sondern auch schon immer mein Hobby. Und wenn man dann selbst Kinder hat, kommt man zu nichts mehr: Man ist jeden Tag geistig unter- und körperlich überfordert. Ich habe außer dem Büro und Windelnwechseln nichts mehr erlebt. Also habe ich angefangen, hobbymäßig über Väterthemen zu schreiben. Und damals waren die, die sich online darüber austauschten, eben hauptsächlich Mütter. Aber obwohl sich die Zeiten mittlerweile geändert haben, erreiche ich mit meinen Texten trotzdem überwiegend Frauen. Die Anzahl der Männer, die meine Texte lesen und sich auf Instagram mit diesen Themen beschäftigen, ist überschaubar – die kenne ich mittlerweile alle persönlich. 

Frustriert es dich, dass Männer sich damit nicht auseinandersetzen wollen?

Eigentlich ist es mir egal, ob Männer oder Frauen das lesen, solange es Leute lesen, die noch nicht so tief in dem Thema drin sind. Denn das ist doch das Grundproblem: preaching to the converted. Ich kann ganz viele Lesungen aus meinem Buch halten oder mich auf Instagram über irgendwelche Themen aufregen. Aber solange es nur die Leute lesen, die sich eh schon mit dem Thema beschäftigen, kann ich nur einen kleinen Unterschied bewirken. Eigentlich müsste ich Lesungen in meinem Heimatdorf halten. 

“Nehmt eure Kinder ernst. Denn Kinder haben etwas davon, wenn der Vater eine Bezugsperson ist.” Bild: Brittani Burns

Du hast 14 Nächte lang versucht, in die Rolle deiner Frau als frisch gebackene Mutter zu schlüpfen. Zwei Wochen lang bist du alle zwei Stunden nachts aufgewacht und anschließend um 6 Uhr aufgestanden. Dein Fazit?

Es war anstrengend, aber trotzdem habe ich nur einen Hauch von dem mitbekommen, was Stillende Menschen wirklich durchmachen. Denn ich wusste ja, dass ich in zwei Wochen wieder aufhören kann. Es hat mir auf jeden Fall dabei geholfen, zu verstehen, wie viel Arbeit es ist, ein Kind und sich selbst durch den Tag zu bringen. Wenn man nicht nur mal länger mit den Kindern tagsüber zuhause ist, sondern auch noch die Nächte mitmacht, dann versteht man besser, dass Elternsein kein Wellness-Programm ist. Dafür hat diese Erfahrung geholfen, trotzdem war es sozusagen nur ein Schnupperkurs. Die eigentliche Arbeit musste trotzdem meine Frau machen, sie hat gestillt und ich habe daneben gesessen.

Falls dieser Artikel auch von Männern gelesen wird – was würdest du ihnen mitgeben wollen?

Nehmt eure Frauen ernst, und zwar als Partnerin und Mensch mit den gleichen Bedürfnissen. Nehmt eure Kinder ernst. Denn Kinder haben etwas davon, wenn der Vater eine Bezugsperson ist. Sich selbst ernst nehmen, sollte man dabei aber auch nicht komplett vergessen. 

Fabian Soethof ist Journalist, Elternblogger und Autor. Sein Buch „Väter können das auch!“ erschien im März 2022 im Kösel Verlag.