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Bild: Diao Darius/Unsplash

Forever Chemicals – das unsichtbare Gift in Make-up und Co.

PFAS Chemikalien sind überall, von Make-up bis Trinkwasser. Ihre Umwelt- und gesundheitsschädlichen Effekte sind seit Jahrzehnten bekannt. Warum werden sie erst jetzt kritisch unter die Lupe genommen?

„Möchten Sie noch ein Imprägnierspray dazu kaufen?“, fragt mich die Verkäuferin des Schuhgeschäfts jedes Mal, wenn ich ein neues Paar Schuhe kaufe. Wasserdichte Schuhe? Warum nicht! Der unangenehm toxische Geruch, der in der Luft aufsteigt, wenn das Imprägnierspray meinen Schuhen eine extra Schicht Glanz und Schutz verleiht, verrät sich selbst. Gesund kann das nicht sein.

Trotzdem habe ich weder das Produkt, noch den verräterischen Geruch jemals hinterfragt, die Verkäuferin auf Alternativen angesprochen oder sie um mehr Informationen gebeten. Heute weiß ich, dass das stinkende Imprägnierspray, wie viele andere unserer Alltagsprodukte, toxische Chemikalien enthält, die umwelt- und gesundheitsschädlich sind. Doch dabei bleibt es nicht. Die unsichtbaren Gifte, die sich den Spitznamen „forever chemicals“ verdient haben, zersetzen sich praktisch nie. Sie sind gekommen, um zu bleiben.

Weil sie wasser-, fett-, schmutzabweisend und temperaturresistent sind, kommen PFAS Chemikalien überall zum Einsatz: in Verpackungen, Kosmetika, Outdoor Kleidung, Zelten, Teppichen, Leinwänden, Teflonpfannen oder Textilien. Bild: Justus Menke/Unsplash

Was sind PFAS?

PFAS, manchmal auch als PFC abgekürzt, umfasst eine Gruppe von über 4700 unnatürlichen per- und polyfluorierten Chemikalien, die seit den 1940ern hergestellt werden und quasi überall zu finden sind. Weil sie wasser-, fett-, schmutzabweisend und temperaturresistent sind, kommen sie vielfältig zum Einsatz: in Verpackungen, Kosmetika, Outdoor Kleidung, Zelten, Teppichen, Leinwänden, Teflonpfannen oder Textilien.

Sie befinden sich in unseren Alltagsprodukten, in unserer Umwelt, in unserem Trinkwasser, in unserem Blut und in der Muttermilch, in den Böden und Ozeanen, in unseren Lebensmitteln und in der Luft, die wir atmen. Pflanzen nehmen sie über ihre Wurzeln auf, Tiere und Menschen nehmen sie über die Nahrung und das Trinkwasser zu sich, von Bad Neuenahr bis in die Antarktis sind die Chemikalien auf der ganzen Welt nachweisbar. Je nach Jahreszeit regnet oder schneit es buchstäblich PFAS auf unsere Erde, denn Chemikalien in der Luft bedeuten auch Chemikalien im Niederschlag. Von unserer Erde werden sie nie biologisch abgebaut – dafür sind die „forever chemicals“ einfach zu resistent.

Schädlichkeit von PFAS Chemikalien schon lange bekannt

Dass PFAS für Mensch und Umwelt schädlich sind, ist seit Jahrzehnten erwiesen. Sie könnten krebserregend sein, Schilddrüsenhormone beeinflussen, eine verringerte Antikörperantwort auf Impfungen bewirken und schaden dem Immunsystem. Trotzdem ist die Chemikaliengruppe erst seit kurzem in der Kritik. Warum ist das so?

Laut Umweltbundesamt haben PFAS Chemikalien einige besorgniserregende Eigenschaften. Bild: Éva Fetter/Umweltbundesamt

Die Geschichte der “forever chemicals” beginnt in den 1940er Jahren in den Werken der beiden amerikanischen Chemiekonzerne 3M in Minnesota und DuPont in New Jersey. Nach ihrer zufälligen Entdeckung durch den Chemiker Roy J. Plunkett erhielten die “forever chemicals” in Form von teflonbeschichteten Pfannen und Töpfen schnell Einzug in die Küchen der Welt. Obwohl bereits während der 1950er Jahre bekannt wurde, dass sie potenziell toxisch sein können, hat sich erst in den letzten Jahren ein kritisches Bewusstsein entwickelt. Das liegt unter anderem daran, dass Langzeitfolgen der Chemikalien, wie beispielsweise deren Auswirkung auf das Immunsystem, sowie deren Vorkommen im menschlichen Körper erst kürzlich ans Licht kamen.

Mittlerweile haben etliche amerikanische Städte und Staaten, darunter Lake Elmo in Minnesota, Fullerton in Kalifornien, Michigan und New York die Konzerne 3M und DuPont verklagt, da diese bereits seit Jahrzehnten von den schädlichen Konsequenzen der „forever chemicals“ wussten und diese bewusst verborgen haben. Eine interaktive Karte der Environmental Working Group (EWG) zeigt, wie weitläufig die Kontaminierung in den USA durch PFAS Chemikalien bereits ist. 3M und DuPont streiten jede Verantwortung ab.

Wie ist der Status Quo?

Eine neue amerikanische Studie kam zu dem Schluss, dass PFAS Chemikalien in den meisten kosmetischen Produkten wie Make-up, Lippenstift oder Wimperntusche zu finden sind. Richtlinien für Chemikalien in Kosmetika wurden in den USA seit über 80 Jahren nicht mehr angepasst. Wer also langanhaltenden Lippenstift oder Foundation aufträgt, isst PFAS Chemikalien freiwillig und nimmt sie über die Haut direkt auf.

Wer Make-up benutzt, nimmt laut einer amerikanischen Studie PFAS Chemikalien zu sich. Bild: Green Science Policy Institute

In Europa sind PFAS Chemikalien stärker reguliert

In Europa sind PFAS Chemikalien durch die REACH-Verordnung (Registration, Evaluation, Authorisation and Restriction of Chemicals) reguliert, die 2007 in Kraft trat. Dort gelten bereits seit 2007 einige PFAS-Chemikalien als besorgniserregende Stoffe, doch viele Chemikalien sind von der Verordnung noch nicht erfasst. 

2018 war Europa mit 16,9% der Verkäufe der zweitgrößte Hersteller von Chemikalien, gleich nach den USA. Die Produktion von Chemikalien ist die viertgrößte Industrie der EU. Die EU schätzt, dass die globale Produktion von Chemikalien sich bis 2030 verdoppeln wird. Dabei wird wohl kaum von nachhaltigen Produkten die Rede sein. 

Schaut man auf ein konkretes Unternehmen wie 3M sieht man, wie mächtig dieser Markt ist. Der Umsatz des US-Konzerns 3M betrug im letzten Jahr in Deutschland alleine 2,26 Mrd. Euro, weltweit 32,2 Mrd. US-Dollar, nicht zuletzt wegen der Produktion von FFP2-Masken während der Coronapandemie. Wie viel vom Umsatz von 3M mit den giftigen PFAS Chemikalien erwirtschaftet wurde, ist schwer einzuschätzen, doch das Unternehmen bereitet sich auf hohe Schadensersatzforderungen im Zusammenhang mit den Klagen zu den umweltschädlichen Chemikalien vor.

2020 verabschiedete die EU-Kommission mit dem Green Deal ebenfalls eine neue Chemikalienstrategie. Bis 2050 soll Europa nicht nur klimaneutral, sondern auch weitestgehend schadstofffrei werden. Sollte das tatsächlich passieren, könnte die Belastung durch PFAS-Chemikalien in Zukunft auf ein Minimum gesenkt werden. Erreicht die EU dieses Ziel nicht, sind wir den toxischen Chemikalien erstmal weiterhin schutzlos ausgeliefert.

Zwar sinkt die Belastung durch PFAS Chemikalien in Deutschland seit den 1980ern konstant, ist aber immer noch beachtlich. Aktuelle Studien konnten PFAS Chemikalien in fast allen untersuchten Blutproben nachweisen, was nahelegt, dass PFAS im Blut der ganzen Bevölkerung ist. Je länger Mütter ihre Neugeborenen stillten, desto höher war die PFAS Konzentration im Blutplasma.

Bild: Europäische Umweltagentur/Wikimedia Commons

Wie kann ich mich schützen?

Ganz kann man sich gegen die Aufnahme von PFAS Chemikalien kaum wehren, da diese so gut wie überall vorkommen. Deshalb ist Aufklärung der beste Schutz. Wer sich bewusst macht, wo die Chemikalien vorkommen, kann nach Möglichkeit alternative Produkte verwenden, wie etwa beim Kauf von Kosmetika, Kleidung, Küchenutensilien oder Imprägniersprays.

Greenpeace hat zum Beispiel eine Liste an Outdoor Marken veröffentlicht, die in der Produktion auf PFAS Chemikalien verzichten bzw. solche, die das nicht tun oder die PFAS Chemikalien durch andere toxische Chemikalien ersetzt haben. Einen guten Einblick bietet auch das PFAS Schwerpunkt Magazin des Umweltbundesamtes. Letzteres gibt an, dass die europäische Lebensmittelbehörde Fisch, Eier und Früchte derzeit als Haupt-PFAS-Quellen bei Nahrungsmitteln sieht. Sich ausreichend zu informieren ist also erstmal die beste Vorsorge. Auf Imprägniersprays werde ich beim nächsten Schuhkauf definitiv verzichten.