Der Meinungspopulismus von Trump, Musk & Co. der letzten Jahre bedeutet auch eine Krise für die Wahrnehmung von Wissenschaft. Das ist fatal: Denn für die Suche nach fairen, innovativen und nachhaltigen Lösungsansätzen spielt die Wissenschaft eine entscheidende Rolle. Aber wie kann man Wissenschaft sichtbar machen? Das offene Wissenslabor der Berlin University Alliance zeigt eine Möglichkeit.
Man nehme eine kosmische Katastrophe, eine Handvoll warnender Wissenschaftler:innen und eine entscheidende Prise nicht zuhörender Politiker:innen – fertig ist der Grundteig von Filmen wie The Day After Tomorrow (2004) oder Don’t Look Up (2021). Was beide Filme mit Bravour zeigen: Wie die Politik es letztlich verpasst, rechtzeitig auf die Wissenschaft zu hören. Wie populistische Stimmen Zweifel an fundierten Erkenntnissen schüren. Und welche katastrophalen Folgen beides letztlich für die gesamte Menschheit hat.
Dass die Handlungen von solchen Filmen nicht völlig aus der Luft gegriffen sind, zeigt ein Blick in die Realität: In den vergangenen Jahren gewannen populistische Haltungen immer mehr Zugkraft im politischen und gesellschaftlichen Miteinander. Die letzten Europawahlen zeichneten auf dem europäischen Kontinent ein kritisches Bild; die amerikanischen Präsidentschaftswahlen könnten im November einen verurteilten (rechts)konservativen Republikaner ins Amt führen, der eine längst bekannte anti-wissenschaftliche Haltung vertritt. Die Infragestellung von wissenschaftlichen Erkenntnissen und Positionen bis hin zu ihrer Verleugnung ist heute eine der größten Herausforderungen, der sich die Bildungs- und Forschungsgemeinschaft weltweit stellen muss.
Zum Glück ist es in Deutschland nicht ganz so kritisch mit der Wissenschaft bestellt: Im Jahr 2020 – dem ersten Jahr der COVID-Pandemie – haben in Deutschland über 90% der Befragten einer Studie ausgesagt, dass sie der Wissenschaft vertrauen. Im weltweiten Vergleich haben nur in Schweden noch mehr Menschen angegeben, dass sie der Wissenschaft dieses Vertrauen schenken. Grundsätzlich waren die Vertrauenszuschüsse der Weltbevölkerung zumindest nicht im Keller.
Wissenschaft sichtbar machen
Dass die Vertrauenswerte gegenüber der Wissenschaft vor allem während der Pandemiezeit weltweit vergleichsweise hoch waren, hängt unbestreitbar auch mit der Präsenz zusammen, die wissenschaftliche Erkenntnisse und Standpunkte in Fernsehen, Radio, Serien und Podcasts erhielten. Die Wissenschaft wurde gewissermaßen sichtbar und erfahrbar – und hat sich zudem einem akuten Problem gewidmet, von dem alle in irgendeiner Form betroffen waren.
Aber wie macht man etwas so komplexes und uneindeutiges wie die Wissenschaft sichtbar? Geht das überhaupt?
Vom isolierten Studierzimmer zum offenen Wissenslabor
Zweifelsohne gibt es auch auf diese Frage keine einfache Antwort. Möglich ist es aber dennoch, wie das Beispiel der aktuellen Kampagne der Berlin University Alliance (kurz BUA) zeigt. Die BUA ist der Verbund der Freien Universität Berlin, der Humboldt-Universität zu Berlin, der Technischen Universität Berlin und der Charité – Universitätsmedizin Berlin, und europaweit einmalig. In inter- und transdisziplinären Einrichtungen und Gruppen forschen Wissenschaftler:innen an zahlreichen drängenden Fragen der Gegenwart, etwa an nachhaltiger Technologie für Weltraumerkundungen oder Arzneimitteln mit lebenden Zellen. Gefördert wird der Verbund von der Deutschen Forschungsgemeinschaft DFG im Rahmen der Exzellenzstrategie des Bundes, deren Ziel es ist, den deutschen Wissenschaftsstandort im internationalen Wettbewerb nachhaltig zu stärken und international sichtbarer zu machen.
Für die Kampagne “das offenen Wissenslabor der Berlin University Alliance” sprechen Forschende aus verschiedenen Disziplinen und Einrichtungen Berlins über ihre Arbeit. Dabei stehen oft drägenden Herausforderungen der Gegenwart im Mittelpunkt. Die Zukunft mitgestalten zu können, heißt schließlich auch, im Hier und Jetzt damit zu beginnen.
Um die Berliner Stadtbevölkerung an der aktuellen Forschung der vier Verbundpartnerinnen teilhaben zu lassen, macht die BUA in Kooperation mit den Agenturen futurehain und Observism die unsichtbare Kraft der Wissenschaft sichtbar – und zwar in Form von visuellen 3D-Objekten der Künstlerin NAOWAO, die im Mai und Juni bereits in der ganzen Stadt präsentiert wurden. Im September, zur Berlin Art Week, werden sieben weitere Artworks von den beiden Berliner 3D-Künstlern Liam Schnell und Robin Lochmann vorgestellt und nächstes Jahr schließlich als Augmented Reality-Ausstellung für alle im Berliner Stadtraum erlebbar.
Durch die Brille der Virtual Reality
Die Wahl der visualisierten Forschungsgegenstände und -themen ist dabei nicht zufällig: Die Virtual Reality-Brillen auf Büsten der Humboldt-Brüder repräsentieren die Humboldt-Universität zu Berlin als Lehr- und Forschungsort, der digitale Tools entwickelt und sie von Gaming bis in die Erforschung von Migrationsbewegungen einsetzt.
Dabei spielt auch die Überlegung eine Rolle, wie etwa Wilhelm und Alexander von Humboldt selbst ihre Forschung mittels VR umgesetzt hätten. Wäre Alexander von Humboldt etwa in virtuellen Nachbauten des Amazonasbeckens unterwegs, um das Ökosystem des südamerikanischen Terrains zu erforschen? In Zeiten von Overtourism, hohen Flugemissionen und einem austrocknenden Amazonasgebiet gar keine so abwegige Idee. Die fiktive Überlegung zeigt, dass Virtual Reality die Realität vielleicht nicht ersetzen, aber in verschiedenen Bereichen durchaus bereichern kann. Damit VR-Technologie das zukünftig tatsächlich auch kann, arbeitet man etwa im gamelab.berlin der Humboldt-Universität an Anwendungen, die interaktive, unterhaltsame und lernfördernde Umgebungen erschaffen.
Vom Nutzen der Zellforschung
Omnis cellula a cellula – Jede Zelle entsteht aus einer Zelle. Diese Erkenntnis hatte der Forscher Rudolf Virchow im 19. Jahrhundert und begründete damit ein neues Verständnis von Gesundheit und Krankheit. Schließlich markiert Virchows Zellularpathologie eine der größten Transformationen in der Medizingeschichte.
Als 3D-Objekt über der Charité – Universitätsmedizin Berlin visualisierte die Künstlerin NAOWAO deshalb sich teilende Zellen – eine Hommage an Virchow, aber auch eine Erinnerung daran, was mittels Zellforschung in jüngster Zeit alles erreicht wurde. Längst werden etwa Arzneimittel aus lebenden Zellen hergestellt, um kranken Patient:innen eine optimierte und auf ihre Bedürfnisse angepasste Versorgung zu geben. Und auch bei der Erforschung von Krebserkrankungen spielen Zellen eine maßgebliche Rolle: Mediziner*innen der Charité verändern die Immunzellen von Tumorerkrankten mittels der CAR-T-Zell-Therapie so, dass sie zurück im Körper die jeweiligen Krebszellen aufspüren und zerstören können.
Was uns Satelliten im All bringen
Am 12. April 1961 flog der Kosmonaut Juri Gagarin als erster Mensch in den Weltraum und schrieb damit Geschichte. Denn plötzlich war klar: Der Mensch ist nicht auf die Erde beschränkt. Und das war erst der Anfang. In den Weiten des Alls kreist mittlerweile in Form von Satelitten, Sonden und Raumstationen das Modernste, was die Menschheit an technologischen Innovationen zu bieten hat.
Der Gedanke dahinter ist nicht nur die Erforschung des Universums. Sondern auch den Blick “von oben” zu nutzen, um die Erde besser zu verstehen. Vor allem Satelliten spielen dabei eine besonders kritische Rolle. Mit ihrer Hilfe können Forschende die Erde nicht nur aus einer völlig neuen Perspektive wahrnehmen. Sie können auch wichtige Informationen über das gesamte Planetensystem sammeln und dadurch Umwelt, Natur- und Wetterphänomene besser erfassen. Und das alles ohne selbst die Strapazen eines Weltraumfluges auf sich zu nehmen. Am Institut für Luft- und Raumfahrt der Technischen Universität Berlin etwa sind Satelliten im Einsatz, die durch geringere Kosten und schnellere Produktion neue Möglichkeiten für Wissenschaft und kommerzielle Dienste eröffnen. Ihr hochkompaktes Design macht sie zudem nachhaltiger, was wichtig ist, wird der Weltraumschrott doch immer mehr zum Problem. NAOWAO hat im Rahmen der BUA Kampagne diesen wichtigen Meilenstein technologischen Fortschritts durch einen von der Technischen Universität entwickelten Nanosatelliten visualisiert. Das 3D Objekt steht dabei ganz konkret für die bahnbrechende Forschung der TU in Sachen Weltraumerkundung und erinnert zugleich daran, dass unsere Welt Teil von etwas wesentlich Größerem ist.
Wer sich ein Bild von der Zukunft macht, kann sie mitgestalten
Im 16. Jahrhundert stellt sich der Jurist Thomas Morus eine essentielle Frage: Kann es eine Welt geben, in der alle Menschen glücklich, frei und gut versorgt leben können? Seine Überlegungen dazu begründen den Begriff und das Konzept der Utopie, zusammengesetzt aus den griechischen Begriffen “ou” (= nicht) und “tópos” (= Ort), also “Nichtort”.
Seitdem sind Vorstellungen darüber, wie eine solche Welt in Zukunft aussehen könnte aus Literatur, Filmen und anderen Genren nicht mehr wegzudenken. Und auch die Wissenschaft macht vor Utopien keinen Halt. Im Gegenteil: Sich ein Bild von der Zukunft zu machen, kann entscheidend dabei helfen, sie in die Richtung zu formen, in die sie sich idealerweise entwickeln soll. Im Mittelpunkt des wissenschaftlichen Arbeitens an der Freien Universität Berlin stehen deshalb die Fragen: Welche Zukunft wollen wir und was müssen wir heute dafür tun? Wie können wir die Zukunft so gestalten, dass sie für alle verträglich ist? Welche Anpassungen müssen dafür unternommen werden und wie schaffen wir es, sie als vereinte Gesellschaft umzusetzen? Diese Fragen begleiten jedes Problem, das der Menschheit aktuell droht, so zum Beispiel der immer größer werdende Wassermangel auf unserem Planeten. Oder der knapper werdende Lebensraum für Mensch und Tier. Die Künstlerin NAOWAO kreierte deshalb mehrere Seifenblasen, die wünschenswerte Zukünfte beinhalten: Grüne Städte, die genügend Platz für alle bieten; Technologien, die uns Menschen sicher vernetzen; oder das Bild einer Erde, die sich vom Klimawandel erholt hat. Die Seifenblasen zeigen uns zeitgleich auch, wie fragil diese Zukünfte sind. Wie Träume können sie platzen, wenn die Menschheit nicht als Ganzes ins Handeln kommt.
Please look up
Wissenschaft sichtbar und verständlich zu machen, ist eine der zentralen Aufgaben der Gegenwart und Zukunft. Verbünde wie die Berlin University Alliance können sich als stabiles Fundament erweisen, durch das Forschungsgruppen, Exzellenzcluster und Universitäten den Schritt nach außen machen können. Eine der Ausgangsfragen der BUA-Kampagne DAS OFFENE WISSENSLABOR war wie man der Stadtbevölkerung Einblicke in das Wissenschaftsgeschehen der Berliner Forschungslandschaft geben kann. Herausgekommen ist ein kreativer Take, der visuell durch 3D-Kunst und Motion Design-Ästhetiken besticht und inhaltliche Bezugspunkte zwischen Orten und Forschungsthemen schafft. Wenn dieser Ansatz kommendes Jahr in eine AR-Ausstellung überführt wird, kann man in Berlin überall bewegte Versionen der Kunstwerke entdecken. Da heißt es gegenteilig zum dystopischen Katastrophenfilm Don’t look up – Please look up.
Transparenzhinweis: Die Agentur Observism, die das Qiio Magazin herausgibt, ist derzeit an der visuellen Umsetzung dieser Kampagne beteiligt. Daher können wir in diesem Fall keine vollständige Neutralität gewährleisten. Es handelt sich hierbei aber nicht um eine bezahlte redaktionelle Platzierung.