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Bild: Miguel Teirlinck (via Unsplash)

Für immer mein – Warum heiraten immer mehr Frauen sich selbst?

Sarah Jessica Parker’s Seriencharakter Carrie Bradshaw hat es vorgemacht, Stars wie Selena Gomez und Miley Cyrus haben es angeblich getan: Sie schworen sich selbst die ewige Treue und (Selbst-)Liebe. Aber was steckt hinter dem Trend, sich selbst zu heiraten?

Als die indische Bloggerin Kshama Bindu im Sommer 2022 heiratet, berichten zahlreiche westliche Medien über das Event. Denn Kshama hat sich – entgegen der strikten Eheschließungsvorgaben ihres Heimatlandes – selbst ausgesucht, wen sie heiratet: Kshama Bindu. Ja, richtig gelesen. Die Youtuberin und Influencerin hat sich selbst das Ja-Wort gegeben und ihre traditionelle Hindu-Zeremonie als “Indiens erste Selbstheirat” in einem zweiminütigen Video festgehalten. “Ich wollte eine Ehefrau und eine Braut sein”, sagt Kshama darin – nur eben für sich selbst statt für jemand anderen. Kshamas Eheschließung mit sich selbst ist nur ein Beispiel eines gerade wieder angesagten Trends: der Sologamie.

Sologamie, wörtlich übersetzt Selbstheirat, ist allerdings ein rein symbolischer Akt. Und das nicht nur in Indien, sondern in allen Ländern dieser Welt. Rechtlich bindend und – was vermutlich noch wichtiger wäre – anerkannt, ist die Eheschließung mit dem eigenen Ich nicht. In Deutschland heißt das vor allem: Steuervergünstigungen gibt es für sologame Menschen nicht. Und auch eine offizielle Scheidung von sich selbst ist dementsprechend weder möglich noch nötig, sollte man sich irgendwann doch für die Ehe mit jemand anderem entscheiden. 

Statistiken, die erfassen, wie viele Menschen sich in den vergangenen Jahrzehnten selbst das Ja-Wort gaben, sind daher nicht vorhanden. Es sind vielmehr einzelne oder prominente Selbsthochzeiten, die es regelmäßig in die Medien schaffen. Was sich aber sagen lässt, ist, dass der Trend Geschichte hat. 1993 fand durch eine amerikanische Frau namens Linda Baker die erste öffentliche Selbstheirat statt. 2003 hat der fiktive Serienstar Carrie Bradshaw in einer Episode von Sex and the City die Heirat mit sich selbst beantragt und dadurch viele Stars im realen Leben inspiriert, es ihr gleichzutun. Die Sologamie-Bekundungen von Selena Gomez, Miley Cyrus, Adriana Lima oder Emma Watson haben die Selbstheirat in letzter Zeit wieder stärker ins Licht gerückt. Aber auch bei Nicht-Prominenten kommt Sologamie gut an. So gut, dass sich mittlerweile eine eigene Branche von Hochzeichtsplaner:innen etabliert hat, die sich jenen Menschen annehmen, die sich selbst heiraten wollen. 

Wer den Trend prägt und trägt

Was dabei auffällt: Der Sologamie-Trend wird ausschließlich in Verbindung mit Frauen, die sich trauen, zum Thema. Geschichten über sologame Männer sucht man bisher vergeblich. Einige Medien sehen den Sologamie-Booster der letzten Zeit unter Frauen dabei in der Pandemie begründet: Durch Dating-Einschränkungen habe sich für viele weibliche Singles der Zeitdruck in Sachen Partnersuche verstärkt. Heiraten konnte vor allem, wer bereits eine:n Partner:in hatte. Und im zweiten Pandemiejahr (2021) waren immerhin rund 22,69 Millionen Menschen partnerlos, etwa die Hälfte davon weiblich

Eine Umfrage von Real Research Media hat Teilnehmer:innen gefragt, warum sie denken, dass vor allem Frauen das Konzept der Sologamie feiern. Das Ergebnis: Beinahe 11 % gehen davon aus, dass Sologamie Frauen einen Ausweg aus toxischen Partnerschaften bietet. Ebenso viele Befragte denken zu jeweils gleichen Teilen, dass Sologamie den familiären Druck in Hinblick auf Hochzeiten mindert oder dass Frauen, die sich selbst heiraten, schlichtweg zeigen wollen, dass Sologamie möglich ist. Und ganze 57 % vermuten, dass die Selbstheirat für Frauen ein Mittel ist, um ihre Selbstliebe adäquat auszudrücken.

Warum der Narziss-Vergleich hinkt

Dass Selbstliebe nicht von allen gleich aufgefasst wird, macht die vordergründige Kritik am Sologamie-Trend deutlich. Immer wieder sehen sich Sologamistinnen mit Vorwürfen des Narzissmus konfrontiert. Kritiker:innen, die jedoch mit Vergleichen wie Narziss daher kommen, verwechseln Selbstliebe mit romantischem Verliebtsein. Narziss hat sich dem Mythos nach in sein eigenes Spiegelbild verguckt. Wenn aber jede Form von Selbstachtung und -wertschätzung direkt mit narzisstischen Persönlichkeitsstörungen gleichgesetzt wird – müssten wir uns als Konsequenz nicht alle ziemlich gleichgültig gegenüber dem eigenen Ich verhalten? Anders ließe sich diese Kritik wohl nicht vermeiden. 

Scrollt man durch die Bilder von europäischen oder amerikanischen Frauen im traditionell weißen Kleid – den einen Ring am Finger und inmitten von Brautjungfern – kann man sich jedoch zu Recht fragen: Drückt sich Selbstliebe nur darin aus, in einer Hochzeit für sich selbst viel Geld auszugeben? Letztendlich betonen Sologamistinnen auch oft nur die romantische Seite einer Ehe. Dass auch Selbstliebe Arbeit bedeutet und Facetten haben kann, geht in den Statements von sologamen Frauen schnell unter. Hier gilt eher die simple Gleichung Ehe = Liebe, in diesem Fall Selbstliebe – Hürden ausgeschlossen.

Narziss hat sich dem Mythos nach in sein eigenes Spiegelbild verguckt. Immer wieder sehen sich auch Sologamistinnen mit Vorwürfen des Narzissmus konfrontiert. Bild: John William Waterhouse, Echo und Narziss, 1903 (Bildausschnitt), cea + (CC BY 2.0)

Sologamie als feministische Kampfansage?

Im Kontext der Emanzipation, die mit einer Selbstheirat augenscheinlich einhergeht, kann man sich außerdem fragen: Fügen die Sologamistinnen sich letztendlich nicht doch wieder einer gesellschaftlichen Erwartung – nämlich der, überhaupt zu heiraten? In der Verfilmung der ersten öffentlich wirksamen Selbstheirat von Linda Baker “I Me Wed” aus dem Jahr 2007 heiratet die Protagonistin Isabel Darden schließlich nur sich selbst, weil sie die ständige Frage ihres Umfelds, wann denn endlich die Hochzeitsglocken läuten, nicht mehr erträgt. Und auch Carry aus Sex and the City landet letztlich bekanntermaßen eben doch mit Mr. Big vor dem Altar. Wenn Sologamie bei aller Selbstliebe nur symbolischer Aktionismus bleibt, der gesellschaftliche Erwartungen nur in einem neuen Gewand reproduziert, ist der Trend von einer feministischen Kampfansage, die echten Wandel hervorruft, noch entfernt. Die genannten Beispiele sind allerdings auch schon ein gutes Jahrzehnt alt. 

Schaut man sich die Protagonistinnen an, die den Trend in jüngster Zeit prägen, allen voran Emma Watson oder Kshama Bindu, erkennt man, dass Sologamie durchaus patriarchale Gesellschaftsstrukturen kritisch hinterfragt. Die Entscheidung sich selbst zu heiraten, wie Kshama Bindu es tat, kann als Persiflage auf den performativen Akt der Ehe begriffen werden – als humorvollen Take, das Patriarchat und all seine Erwartungshaltungen an Frauen mit den eigenen Mitteln schlagen.

Das Ja zu sich selbst kann dadurch auch ein Nein zum Patriarchat sein. Nicht nur in der westlichen Hemisphäre, sondern auch in Ländern wie Japan oder China tragen unverheiratete Frauen nämlich unwillentlich das Stigma der Alleingelassenen – während Männer für ihr Single-Dasein oft noch gefeiert werden. In Japan geht dieses Vorurteil gegenüber alleinstehenden Frauen sogar so weit, dass Single-Frauen nicht als vollwertiges Mitglied der Gesellschaft anerkannt werden. 

Sologamie erscheint vor diesen Hintergründen also durchaus mit einer feministischen Komponente versehen zu sein – ein “Ich will” zu sich selbst, welches zugleich auch ein “Ich will nicht” gegenüber Stigmatisierung und Ausgrenzung ist.