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Inforafiken dienten schon immer zur Abbildung und Nachvollziehbarmachung unserer Welt. Früher gab es sie farbig dargestellt auf Papier, heute gibt es sie digital. Werden Infografiken irgendwann in der Wirklichkeit für uns greifbar sein?

Infografik: Wenn Wissen zum Bild wird 

Der Bildband „History of Information Graphics” zeigt, wie im Wandel der Jahrhunderte die Kunst der Infografik immer auch die Welt, die sie abbildet, verändern will.

Wer denkt, komplexe Themen darzustellen und erklärbar zu machen, sei ein Trend des jüngeren Datenjournalismus, der liegt grob daneben: Investigative Auswertungen als Infografiken zu vermitteln, das taten bereits die Mönche im Mittelalter, wenn sie theologische oder astronomische Zusammenhänge visuell verdeutlichten.

Bereits die Mönche im Mittelalter erstellten Infografiken, um theologische oder astronomische Zusammenhänge visuell zu verdeutlichen. Foto: Taschen (c)

Eine politische Dimension der Datenvisualisierung brachten ihre Pioniere, wie die britische Krankenschwester und Statistikerin Florence Nightingale ins Spiel: Während des Krimkrieges (1853 bis 1856) kümmerte sie sich mit einem Krankenschwester-Team um die Verwundeten. In ihrem Abschlussbericht nach Ende des Kriegs visualisierte sie aufschlussreich, welche Auswirkungen die schlechten sanitären Zustände in den Krankenhäusern hatten: In einer Infografik zeigte sie anhand eines scheibenartigen Diagramms die Sterblichkeit der Soldaten auf – und wie sehr diese zurückging, als sich die hygienischen Bedingungen verbesserten.

 

Zukünftiges durch Codes generieren lassen

Die Art, wie Daten visualisiert werden, geschieht damit immer auch subjektiv: Bestimmend ist der Fokus des Machers, des Grafikers oder des Illustrators, der ihn ästhetisch und verständlich aufbereitet. Seine Mittel haben sich durch die Jahrhunderte verändert und optimiert, dementsprechend werden auch die Inhalte anders und neu transportiert. Denn neue (digitale) Werkzeuge schaffen völlig neue Möglichkeiten für Visualisierungen: So veränderte zum Beispiel die grafische Entwicklungsumgebung Processing ab den 2000er-Jahren die Infografik-Landschaft entscheidend. Damit konnten auch Programmier-Laien auf einmal Visualisierungen ohne großen Aufwand umsetzen. Anhand von Datensammlungen entstehen durch diese Technik animierte Grafiken – rein aus Programmiercodes generiert. Der Übergang zwischen Infografik und Datenkunst hatte sich de facto durch diese Innovation aufgelöst. Der Code gab die Koordinaten vor, doch die generativen Visuals entstanden daraus zufällig und einmalig. Ganz so, als wollten sie etwas Entstehendes vorwegnehmen.

“An diesen visuellen Modellen kann das zukünftig Wirkliche stellvertretend gedacht, diskutiert und abgewogen werden.”
Michael Stoll

Vielleicht liegt darin auch das Wesen der Infografik. Michael Stoll, Professor für Informationsdesign und Co-Autor von „History of Information Graphics”, erklärt: „Die Darstellung von Werkzeugen und Maschinen wird dann spannend, wenn die Vermittlung innovativer Funktionsweisen das Ziel ist. Besonders auch solcher, die noch nicht umgesetzt wurden, sondern als Skizzen oder Pläne Zukünftiges visualisieren: also im Entwurf den Erfolg antizipieren. Ein Konzept, das sich ausgehend von Höhlenzeichnungen, die den Jagderfolg vorwegnehmen, bis zu zeitgenössischen Simulationen der zukünftigen Marsbesiedlung nachverfolgen lässt. An diesen visuellen Modellen kann das zukünftig Wirkliche stellvertretend gedacht, diskutiert und abgewogen werden.“

 

Erfühlbare Visualisierungen im 3D-Raum

Statistiken und Auswertungen werden sich als Augmented Reality über die physische Welt legen – gesehen durch die AR-Brille oder AR-Kontaktlinsen des Nutzers. Foto: Brian via Unsplash.

Die interaktiven Grafiken von heute nehmen schon den 3D-Raum vorweg, den sie darstellen wollen. In den nächsten fünf Jahren werden Visualisierungen im mehrdimensionalen Raum dargestellt. Wir werden sie nicht nur mit dem Datenhandschuh erfassen und mit der Virtual-Reality-Brille erkunden – wir werden sie erfühlen können. Die Infografiken werden dann einen visuellen Ansatz haben, der uns in Datenanalysen regelrecht eintauchen lässt. Trockene Tortengrafiken sind dann längst passé.

Statistiken und Auswertungen werden sich stattdessen als Augmented Reality über die physische Welt legen – gesehen durch die AR-Brille oder AR-Kontaktlinsen des Nutzers. Oder auch irgendwann durch Implantate. Das könnte dann so aussehen: Wer sich mit der Datenbrille im Supermarkt ein Produkt anschaut, bekommt gleich das Visual zum Nährwert und zu weiteren Details als Grafik auf das Produkt projiziert. Das könnte unterwegs schnellen Input geben oder auch Aufschlussreiches für das Hintergrundwissen.

 

Dystopische Grafiken für immer mehr Effizienz

Das könnte aber auch schiefgehen für uns alle. Der Londoner Designer Keiichi Matsuda zeigt uns eine Dystopie, in der die visualisierten Daten wie Fluten über uns hereinbrechen und uns total überfordern: Die Zukunft der Arbeit wird bestimmt von Daten aus der Augmented Reality, die uns zur ständigen Produktivität zwingen und uns nicht mehr zur Ruhe kommen lassen. In Matsudas Kurzfilm „Merger“ arbeitet eine Angestellte auf einem Interface aus Datenvisualisierungen. Doch den Wettlauf um die Effizienz kann sie gegen eine KI nicht gewinnen. Am Ende entscheidet sie sich, sich mit dem System zu verbinden. Um mitzuhalten, wird sie selbst zum Datenwesen.

Diese Macht haben die Datenvisualisierungen von heute noch nicht. Doch was sie uns auf welche Weise vermitteln, hat so viel Durchschlagskraft und Potenzial zur Veränderung. Der Entwurf kann den Erfolg vorwegnehmen, wie Infografik-Professor Michael Stoll erklärte, und uns so in eine bestimmte Richtung zur Umsetzung lenken. Hoffentlich zum Guten.

Header: 1878 Adams Monumental Illustrated Panorama of History – Geographicus – WorldHistory-adams-1871.jpg (public domain).