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Kunst & Körper­wahrnehmung: Interview mit Bart Hess

Bart Hess stellt Textilien und Materialien her, die mit dem Körper interagieren und ihn verändern wie eine zweite Haut. Er nutzt den Körper als vorrangiges Element in seinen Arbeiten. In einer Welt, in der Körperform und -typen zu einem so bedeutenden Faktor in unserer Gesellschaft geworden sind, wollte ich mit Hess über seinen kreativen Prozess und die Bedeutung des Körpers in seiner Arbeit sprechen.

Hallo Bart, du erfindest für deine Kunst neue Materialien, welche sich über die Körperoberfläche erstrecken. Welchen Stellenwert hat der Körper in deiner Arbeit? Wenn es um den kreativen Prozess geht, stellst du dir spezifische Körpertypen vor oder betrachtest du den Körper ganz allgemein?

Der Körper ist sehr wichtig für meine Arbeit. Wir als Menschen haben uns evolutionär so entwickelt, dass wir bestimmte Merkmale der Haut des Körpers sehr gut lesen können. Bei roten Wangen weißt Du zum Beispiel, dass jemand böse auf Dich ist. Wenn ich meine Materialien auf dem Körper platziere, kann der Betrachter auch daran ablesen, was das Material mit der Haut macht und wie die Person sich darin fühlen soll. Der Körpertyp, den ich für meine Arbeit verwende, ist mir sehr wichtig.

Bart Hess

Germination Tag Acht

Wenn ich das Gefühl habe, mein Bild oder Material geht mehr in Richtung Horror, nehme ich gerne eher einen klassisch schönen, eleganten Körper. Es ist oft schwer zu erklären, was das für mich bedeutet. Mein Projekt „Shaved” hat zum Beispiel nicht funktioniert, als ich es an meinem eigenen Körper getestet habe. Ich bin etwas dünn, daher hast Du als Betrachter eher Mitleid mit mir. Ich entschied mich für einen starken, wohl geformten Mann als Kontrast.

Wie wählst du die Models für deine Filme aus? Suchst du nach bestimmten Körpertypen, die deinen Ideen entsprechen?

Zunächst ist es mir erstmal sehr wichtig, dass die Chemie zwischen mir und meinen Models stimmt. Sie sollten erkennen, worum es in meiner Arbeit geht. Oft bringe ich sie in schwierige Situationen und sie müssen verstehen, wofür dieser Schmerz gut ist. In letzter Zeit arbeite ich gerne mit Tänzern zusammen. Ich habe mit vielen Körpertypen gearbeitet, aber in meinen erfolgreichsten Projekten war es eher der klassisch geformte Körper – sozusagen geformt wie eine griechische Statue. Wenn ich mich für einen Mann als Model entscheide, sehe ich ihn gerne ohne Haare. Ich glaube, weil meine Arbeit haarig genug ist.

Bart Hess Digital Artefact

Bart Hess

In welcher Beziehung steht der Körper mit den Materialien, die du herstellst? Wie beeinflussen sich beide Elemente gegenseitig? Verstärkt der Körper die Struktur? Verleiht die Struktur dem Körper Macht?

Ich beginne meine Arbeit immer damit, dass ich an meinem eigenen Körper mit den Materialien experimentiere. Ich stelle fest, dass ich sie auf eine bestimmte Art fühle. Die Materialien beeinflussen meine Stimmung, meine Haltung und erzählen eine Geschichte für die Kamera. In meinem neuesten Projekt habe ich versucht mit Materialien den Körper nachzuahmen. Das Projekt hat also ohne Körper funktioniert. „Stimulus” ist mein jüngstes abgeschlossenes Projekt und ich habe mich dabei von dem subtilen Puls des männlichen Testikels inspirieren lassen. Dafür habe ich mehrere semi-interaktive Textilien hergestellt, die sich wie Haut verhalten.

Deine Videos sind wie Fashion Filme – die Art, wie sie gedreht sind, ihr Stil und die Models. Stimmst du dem zu?

Ja, ich würde dem zustimmen. Allerdings würde ich sie nicht als Fashion Filme bezeichnen. Ich zeige in den Videos nur sehr wenige Modeelemente. In meinem Film „Pins and Needles” trägt der Tänzer in den meisten Aufnahmen zum Beispiel nur Magnete, die wir an seine Haut geklebt haben. Ich habe den Tänzer dann gebeten in einen Pool aus kleinen Metallobjekten zu tauchen.

Bart Hess: Grow On You Part Two

Bart Hess: Grow On You Part Two.

Es gibt eine gewisse sexuelle Spannung in deiner Arbeit, besonders in den Projekten „Echo” und „Shaved”. Versuchst du diese Spannung bewusst hervorzurufen und sie in deine Arbeit miteinfließen zu lassen?

Die sexuelle Spannung entwickelt sich immer etwas später im Prozess. Oft fange ich einfach an mit einem Material zu experimentieren. Wenn ich dann das Endresultat filme oder fotografiere, gefallen mir die Aufnahmen am besten, aus denen eine sinnliche Verbindung zwischen der Person und dem Material hervorgeht. Ich möchte mit meinen Filmen bewirken, dass Du als Zuschauer die Person in dem Film sein willst, obwohl du weißt, dass diese Person Schmerzen erleidet.

Was macht einen Körper attraktiv?

Ehrlich gesagt weiß ich es nicht. Es ist ein instinktiver Prozess, der sich in meinem und im Kopf jedes Einzelnen abspielt und sich über Jahrhunderte entwickelt hat. Es ist schwierig zu erklären, warum es so schwer ist, die Augen von einem schönen männlichen oder weiblichen Körper abzuwenden.

Bart Hess Germination Tag Eins

Bart Hess: Germination Tag Eins.

Was steckt hinter der Idee zu „LucyandBart” und „Low-tech plastic surgery”, in denen die menschliche Anatomie verzerrt und verformt wird?

LucyandBart” ist eine Zusammenarbeit, die Lucy McRae und ich begonnen haben, als wir uns vor einigen Jahren bei Philips Design begegnet sind. Damals haben wir beschlossen uns jeden Freitag zu treffen, um mit verschiedenen Materialien auf unseren Körpern zu experimentieren. Für uns war es ein Spielplatz, auf dem wir unseren Instinkten ohne Wertung folgen konnten. Mit „Low-tech plastic surgery” experimentierten wir an einem Publikum herum. Oft haben wir gewitzelt, dass es gut abgelichtete, allerdings komische Gesichter waren. Wir wollten der Schönheitschirurgie ein Gegenteil gegenüberstellen. Können wir jemanden müder oder älter aussehen lassen und Falten erzeugen, wo man sie nie bekommen würde?

In deiner Arbeit gibt es eine Entwicklung des Körpers von „Liquified”, wo der Körper vergrößert dargestellt ist, bis hin zu „Caged”, worin der Körper etwas Dunkles an sich hat. Was treibt dich an immer wieder etwas Neues zu schaffen?

Ich arbeite für gewöhnlich über zwei Wege. Zunächst gibt es das Materialexperiment, das häufig sehr zufällig daherkommt. Meine Idee zu „Digital Artifacts” kam mir als ich mit Kerzen herumgespielt habe. Und dann gibt es noch den Weg über den Kunden – ich erhalte eine Anfrage von einem Kunden.  Ich gehe im Geiste die Geschichte durch und betrachte jedes Material in einem anderen Licht. Das bringt mich dazu, ein Experiment wiederaufzunehmen und zu schauen, wie umfangreich ich es austesten kann.

Bart Hess Liquified

Bart Hess: Liquified.

Wie hat es sich angefühlt das 11-jährige Jubiläum zu feiern?

Ich habe mein eigenes Archiv eröffnet. Während ich an meinen Projekten arbeite mache ich viele Tests. Innerhalb der letzten elf Jahre habe ich kistenweise Festplatten mit Bildern angesammelt. Ich habe mich dazu entschlossen, diese Bilder mit der Welt zu teilen. Statt meine Arbeiten nur in einem Museum auszustellen, genieße ich es auch, dass die Leute sie in ihrem eigenen Schlafzimmer betrachten können.

Mit Blick auf den Anfang deiner Arbeit und deinem jetzigen Standpunkt: Was möchtest du gerne als nächstes tun?

Ich würde sehr gerne ein multidisziplinäres Event organisieren. Irgendetwas zwischen Ausstellung, Performance, Modenschau und Dinner. Ein Moment, in dem alle unterschiedlichen Disziplinen, in denen ich gearbeitet habe, zusammenkommen.

Bart Hess Digital Exploded View Lucy

Bart Hess: Digital Exploded View Lucy.

Alle Bilder wurden freundlicherweise zur Verfügung gestellt von Bart Hess.