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Foto: Jörg Farys/ Junge Tüftler.

Ist Deutschland wirklich ein Land der Ideen? 

Welche guten Ideen, die aktuell in Deutschland entstehen, werden nach der Krise übrig bleiben und Deutschland voranbringen? Wir haben mit Ute E. Weiland via Zoom über ihre neue Ideen-Kampagne #beyondcrisis gesprochen.

Ute Elisabeth Weiland liebt Ideen mit Leib und Seele. Seit 2016 ist sie Geschäftsführerin von „Deutschland – Land der Ideen“, ein Garant für zukunftsweisende Wettbewerbe. Zuvor war sie 12 Jahre stellvertretende Geschäftsführerin der Alfred Herrhausen Gesellschaft, dem internationalen Forum der Deutschen Bank. Zwischen den Abi-Vorbereitungen der Tochter und der Leitung der bisherigen Wettbewerbsinitiativen hat sie eine neue Ideen-Suche an den Start gebracht. Unter dem Motto: #beyondcrisis wird nach langfristigen, kreativen Lösungen für ein Leben mit dem Corona-Virus gesucht. 

Ute Weiland ist seit 2016 Geschäftsführerin von „Deutschland – Land der Ideen“. Zuvor war sie 12 Jahre stellvertretende Geschäftsführerin der Alfred Herrhausen Gesellschaft, dem internationalen Forum der Deutschen Bank. Foto: Ute Weiland, fotografiert von Bernd Brundert.

Guten Morgen, liebe Ute, wie geht es Dir und Deinem Team? Seid ihr alle gesund und munter und was hat sich bei Euch in der Corona-Krise, die Du auch als Chance siehst, geändert?

Guten Morgen und Danke der Nachfrage – mir und dem ganzen Team und unseren Partnern geht es bislang gut. Toi toi toi, dass das so bleibt. Wir sind sehr schnell in Isolation gegangen, da bei uns sehr viele Frauen arbeiten, die zum Teil auch Kinder haben und wir fanden das alle notwendig, in so einer Krise bei ihnen zu sein. Wir sind in der Regel alle sehr viel unterwegs, haben Laptops und Smartphones und sind das Arbeiten aus dem Homeoffice gewohnt. Von daher war das für uns kein Problem. Geändert hat sich nur, dass wir uns nicht mehr regelmäßig in unserem Büro in der Charlottenstraße treffen. Wir halten jetzt jeden Montag ein Online-Meeting ab und telefonieren mehr miteinander. Tendenziell arbeiten wir effizienter, weil viele lange Wege und Meetings wegfallen. Und ich konnte bei meiner Tochter sein, die während wir hier sprechen, ihre Abi-Klausur in Biologie schreibt.

Wow – gleich in der ersten Woche, in der die Schulen wieder aufmachen. Wie lief das bei Euch mit der virtuellen Vorbereitung und fühlte sich Deine Tochter gut vorbereitet?

Ja, wir können uns hier nicht beschweren. Meine Tochter geht auf die Marienschule in Potsdam und dank bereits vorher eingesetzter Lern-Software lief das dort von Anfang an prima, auch der enge Austausch zwischen Lehrern und Schülern.

Unsere Daumen sind gedrückt. Deutschland hinkte ja bislang ziemlich hinterher mit der Digitalisierung. Jetzt werden wir quasi über Nacht zwangsdigitalisiert. Denkst Du, dass viele Dinge, die jetzt breitflächig ausprobiert oder entwickelt werden, auch nach der Krise bleiben?

Preisverleihung “Ausgezeichnete Orte” 2019 am 14. Mai 2019 im Forum PalaisPopulaire. Foto: Ute Weiland fotografiert von Bernd Brundert.

Ja, ich denke, kluge Lösungen werden bleiben. Wir haben zum Beispiel schon vor drei Jahren die HPI Schul-Cloud des Hasso-Plattner-Instituts in Potsdam ausgezeichnet. Das ist eine in Deutschland gehostete und geschützte Cloud, für die sich alle Schulen anmelden können. In ihr steht alles zur Verfügung, was Lehrer und Schüler für den digitalen Fernunterricht brauchen, inklusive einer Plattform für Lehrer, die innerhalb eines geschützten Datenraumes ihre Erfahrungen miteinander austauschen können. Während das vorher in den meisten Schulen nur sehr zögerlich und als Modellversuch lief, haben sich seit der Zugangsöffnung durch das BMBF am 27. März bereits mehr als 2.800 Schulen für die HPI Schul-Cloud angemeldet. Dafür wurde auch der sogenannte Onboarding-Prozess für neue Schulen stark verkürzt. Auch die Vorbereitung der Lehrkräfte erfolgt jetzt weitgehend elektronisch. Ich finde es faszinierend, wie schnell sich Innovationen durchsetzen, wenn ein äußerer Anreiz geschaffen wird.

Wo siehst du die kreative Stärke Deutschlands und wo kann sie uns hinführen?

Als Geschäftsführerin von Deutschland-Land der Ideen weiß ich, wie viel Innovationskraft in unserem Land steckt. Mir begegnen tagtäglich kreative Menschen, die Lösungen für alle möglichen Herausforderungen in allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens finden. Was mir aber Sorgen bereitet, ist unser Bildungssystem. Schließlich sind Menschen mit guten Ideen Deutschlands einziger Rohstoff und diesen kann man nur durch gute Vorraussetzungen für alle erhalten und kultivieren. Die Corona-Krise hat hier die Versäumnisse der letzten Jahre sichtbar gemacht. Während einige Schulen sofort auf Video-Unterricht umgestellt haben, wurden andere Schüler und Eltern mit ausgedruckten Aufgabenblättern allein gelassen. Ich wünsche mir sehr, dass das die zuständigen Stellen inzwischen erkannt haben und sofort handeln, um nicht noch mehr Zeit zu verlieren.

Die Krise ist also auch ein Innovationsmotor, der Euer Projekt in den Fokus der Öffentlichkeit rückt. Du bist seit fast vier Jahren Geschäftsführerin bei Deutschland – Land der Ideen. Worauf habt ihr Euch die letzten Jahre konzentriert?

Seit Gründung der Initiative im Jahr 2006 hat sich einiges geändert – zu meinem Leidwesen vor allem die finanzielle Ausstattung des Projektes. Die meisten denken ja bei unserem Logo mit den schwarz-rot-goldenen Blümchen immer, wir werden vom Bund finanziert, aber so ist es nicht. (lacht) Ich verbringe in der Regel rund 70 Prozent meiner Zeit mit der Akquise von Geldern, da jedes Projekt einzeln finanziert werden muss. Wir haben zwar starke Partner, aber im Moment ist kein guter Zeitpunkt, Gelder von Unternehmen zu erhalten. 

Preisverleihung “Ausgezeichnete Orte” 2019 am 14. Mai 2019 im Forum PalaisPopulaire. Foto: Ute Weiland fotografiert von Bernd Brundert.

Deutschland – Land der Ideen ist vor allem bekannt durch den bundesweiten Wettbewerb „Ausgezeichnete Orte“, der von 2006–2020 von der Deutschen Bank als nationalem Förderer finanziert wurde. Durch diesen Wettbewerb haben wir ein Netzwerk aus mehr als 3.000 innovativen Projekten aufgebaut. Dazu gehören nicht nur wissenschaftliche oder technische Innovationen, sondern auch soziale Innovationen, die unserer Gesellschaft helfen, stärker zusammenzuhalten. In diesem Jahr schließen wir dieses Langzeitprojekt mit einer Publikation ab.

Letztes Jahr stand der internationale Wettbewerb „beyond bauhaus – prototyping the future“ im Kontext der Jubiläums-Feierlichkeiten zum 100. Jahrestag des Bauhauses. Gesucht wurden wegweisende Gestaltungsideen und Designkonzepte, die sich einem gesellschaftlich relevanten Thema widmen und gestalterische Antworten auf drängende Fragen unserer Zeit bieten. 1.500 Ideen aus 50 Ländern kamen zusammen. Das war ein großer Erfolg.

Ihr macht also Werbung für gesellschaftsrelevante, zukunftsweisende Ideen innerhalb Deutschlands, die 2020 gefragter sind als je zuvor. Neben dem laufenden Wettbewerb 2020 habt ihr gerade zur Ideen-Initiative #beyondcrisis aufgerufen. Wie kam es zu dieser Idee und was verbirgt sich hinter dieser neuen Initiative?

Anlässlich der Corona-Pandemie 2020 haben wir zusammen mit Sascha Wolf von AusserGewöhnlich Berlin und weiteren Partnern die Initiative #beyondcrisis – Zeit für neue Lösungen ins Leben gerufen. Gesucht werden hier Ideen und Geschäftsmodelle, die aus der Krise Zukunft gestalten. Ziel ist es, den Teilnehmern eine attraktive Plattform zu bieten, auf der ihre Einreichungen überregional wahrgenommen werden, und sie mit potenziellen Unterstützern zu vernetzen. Die Idee dafür hatte ich, als ich vor dem Fernseher saß und die erste Ansprache der Bundeskanzlerin hörte. Mich hielt nichts mehr auf dem Fernsehsessel und nach einer langen Radtour durch meine Heimatstadt Potsdam, einer Woche des Gedankenstürmens und der Partnersuche informierten wir das Kanzleramt und die Ministerpräsidenten der Länder, dass wir dabei helfen wollen, kluge Ideen für die Krise und danach zu sammeln.

Weil du gerade Angela Merkel ansprichst. Alle von Frauen regierten Länder scheinen zurzeit erfolgreicher im Umgang mit der Krise. Woran denkst Du, liegt das?

Ich glaube, dass Frauen weniger auf Populismus setzen und besser zuhören können. Sie zeigen mehr Empathie und das führt letztlich zu größerem Vertrauen in ihr Handeln.

Die Regierungschefin von Thailand hat es vorgemacht. Neuseeland handelt beispielhaft und unsere Bundeskanzlerin hat sich in der Krise als unersetzbar erwiesen. Die Kombination aus wissenschaftlichem Background, jahrelanger Regierungserfahrung und ihrem ruhigen, bedachten Vorgehen kommt bei der Bevölkerung gut an. Außerdem hat sie die Maßnahmen der Regierung, wie ich finde, gut erklärt und kommuniziert.

Die Website #beyondcrisis ist online und es wurden schon mehr als 100 tolle Projekte angemeldet. Ist Berlin ein besonders kreatives Pflaster, aus dem Innovationen hervorgehen oder kommen Einreichungen aus dem gesamten Bundesgebiet?

Anlässlich der Corona-Pandemie 2020 wurde zusammen mit Sascha Wolf von AusserGewöhnlich Berlin und weiteren Partnern die Initiative #beyondcrisis – Zeit für neue Lösungen ins Leben gerufen. Gesucht werden hier Ideen und Geschäftsmodelle, die aus der Krise Zukunft gestalten. Bild: #beyond crisis /Deutschland – Land der Ideen / AusserGewöhnlich Berlin.

Berlin ist ein kreativer Schmelztiegel. Hierher kommt ein bestimmter Schlag an Menschen und eine spannende internationale Community und weil wir in Berlin sitzen, kommen von hier auch bei anderen Wettbewerben immer die ersten Ideen, wie zum Beispiel die Plattformlösungen Berlin(a)live oder helfen.berlin, aber auch tolle Ideen aus der Wissenschaft. Zusammen mit dem Fraunhofer IPA macht das Fraunhofer IAO im Projekt »FutureWork360« Potenziale sichtbar, wie neue und vor allem virtuelle Wege der Kommunikation und Zusammenarbeit funktionieren können.

Ihr habt ein Netzwerk aus über 3.000 Preisträgern und tolle Projekte, die eingereicht wurden. Wer kann sich bei Euch bewerben?

Im Prinzip jede und jeder, der eine Idee hat. Auf der Seite befindet sich ein pdf, das relativ simpel gehalten ist. Wir sind auf der Suche nach neuen Geschäftsideen von UnternehmerInnen und GründerInnen, die neue Impulse für die Arbeitswelt und das Zusammenleben geben. Diese Ideen sollten ein neues Wir-Gefühl und damit einen wichtigen gesellschaftlichen Zusammenhalt schaffen. Wir stellen die Frage: Welche Lösungen wecken Hoffnung für den Alltag in der Krise? Eingereicht wurde schon einiges von Nachbarschaftshilfen und psychosozialen Beratungsangeboten über digitale Sport- und Kulturformate bis hin zu kreativen Tipps gegen den Lagerkoller zu Hause – gute Ideen aus verschiedensten Blickwinkeln zur Beantwortung dieser Frage sind jetzt gefragt und wir freuen uns wirklich über jede Einreichung. Einfach das ausgefüllte Formular an bewerbung@beyond-crisis.de schicken oder mich unter ute@beyond-crisis.de kontaktieren, ich rufe dann zurück.

Warum sollten kreative Köpfe, die jetzt Ideen haben, die der Gesellschaft helfen können, so schnell wie möglich ihre Projekte auf die Projektseite #beyondcrisis eintragen und wer wird dabei helfen, diese Projekte auch finanziell zu unterstützen?

Meine Tochter kommt gerade zur Tür rein, deshalb in einem Satz, frei nach einem alten Ton Steine Scherben-Song: „Wer, wenn nicht wir? Wann, wenn nicht jetzt?“ Ich bin sehr positiv, dass diese Kampagne, dank der bestehenden Aufmerksamkeit vonseiten der Öffentlichkeit, alte und neue Sponsoren finden wird.

Das ist doch ein wunderbares Schlusswort. Vielen Dank für das Gespräch.