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Bild: Benoit Rochon CC BY 3.0, via Wikicommons

Kann dein Eigenheim die Klimakrise lösen? – Häuser als Selbstversorger

Anleitungen im Netz, wie man sich ein klimaneutrales Haus baut, gibt es wie Sand am Meer. Doch bisher war das eher etwas für Tüftler mit ausreichendem Budget, die sich mühselig jede Handwerkerleistung einzeln zusammensuchen mussten. Das Hamburger Startup 1komma5° will Services rund um Solartechnik digitalisieren und bundesweit bündeln.

Was, wenn Häuser klimaneutral wären und selber den Strom produzieren würden, den sie benötigen? Das hauseigene Kraftwerk, ein autarker Stromversorger, unabhängig von fluktuierenden Öl- oder Gaspreisen und ganz nebenbei noch Klimaretter. So stellt es sich der Gründer des Hamburger Unternehmens 1komma5° Philipp Schröder, “Mister Stromrevolution”, wie er liebevoll von der Zeit genannt wurde, zumindest vor. 

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Der Countdown läuft

In weniger als sechs Jahren soll das globale CO₂-Budget aufgebraucht sein und die Erde sich um 1,5°C erwärmen. Der Countdown läuft nicht nur für die Menschen auf dem Planeten Erde, sondern auch auf der 1komma5° Website. Die sechs Jahre, die uns noch bleiben, werden dort runtergezählt, Sekunde für Sekunde. Und Schröder hat in diesen sechs Jahren Großes vor.

Er will Häuser klimaneutral machen und Deutschlands größten und günstigsten “One-Stop-Shop” für Vertrieb, Installations- und Serviceleistungen rund um Solar, Stromspeicher und Ladeinfrastruktur aufbauen, mit einem bundesweiten Netzwerk von Elektroinstallateuren. Ob die einzelnen regionalen Fachbetriebe, mit denen 1komma5° die Kund*innen vernetzt selber nachhaltig arbeiten, ist schwer zu sagen, da das StartUp nur das Netzwerk bietet. Die Idee des klimaneutralen Hauses ist natürlich nichts Neues. Bisher gab es aber aus noch keine praktische Lösung, die alles in einem anbietet. 

Pimp my Eigenheim

Und hier kommt Schröders 1komma5° ins Spiel. “Jedem und jeder den Zugang zu einem CO₂-freien Leben zu ermöglichen” lautet das 1komma5° Plädoyer. Zumindest für diejenigen, die sich ein Eigenheim leisten können. Laut der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe des Statistikamtes lebten 2018 etwa 42,1% der deutschen Haushalte in den eigenen vier Wänden, ca. 57,9% sind Mieterhaushalte. Die Vorteile von Schröders Konzept, was einen Touch von Uber für Eigenheimaufmotzung hat, erschließen sich also erstmal nur für diejenigen, die sich sowohl Eigentum, als auch das 1komma5° Paket leisten können. 

Das Unternehmen bietet Eigenheimaufmotzern ein Komplettpaket aus Solaranlage, Speicherbatterie, Wärmepumpe, Ladesäule fürs E-Auto und zusätzlichem Stromtarif an – falls es doch mal die Sonne sich ein paar Monate nicht blicken lässt. Dafür digitalisiert der ehemalige Deutschlandchef von Tesla lokale Handwerksunternehmen, bei denen er sich eingekauft hat und stattet sie mit moderner Soft- und Hardware aus. Im Gegenzug bekommen sie Anteile an dem StartUp. So sollen jährlich eine halbe Millionen Gebäude über die Plattform klimaneutral aufgemotzt werden. Noch scheint das Netzwerk aber noch nicht besonders umfassend zu sein – eine Anfrage bei 1komma5° ergab, dass das StartUp kein Partnerunternehmen in Berlin hat und die Anfrage daher nicht bearbeiten kann.

Viele Eigentumshäuser in Deutschland sind bereits mit Solaranlagen ausgestattet, so wie hier in Saarbrücken. Die Mehrheit der Deutschen lebt aber in Mieterhaushalten und können von Selbstversorgerhäusern und Autarkie à la 1komma5° nur träumen. Bild: Kevin Martin Jose

Schröders klimaneutrale Häuser kommen genau zum richtigen Zeitpunkt – denn seit 2021 sind nicht nur die Energiepreise so stark angestiegen wie noch nie. Auch hat die Bundesregierung als Teil des Klimaschutzprogramms 2030 die Bundesförderung für effiziente Gebäude (BEG) beschlossen, eine Reihe Förderprogramme für Privatpersonen, gemeinnützigen Organisationen, Kommunen oder Unternehmen, deren Ziel es ist, energieeffizienten Neubau und Sanierungen zu fördern.

Gefördert werden unter anderem Neubau oder der Kauf neuer Immobilien, die Sanierung bestehender Immobilien durch zum Beispiel neue Heizungsanlagen, Maßnahmen an der Gebäudehülle oder der Einsatz optimierter Anlagentechnik. Je nach Maßnahme und Förderpaket liegt die Förderung zwischen 15 und 50%, mit Investitionszuschüssen von bis zu 75.000 € pro Wohneinheit. Die genauen Förderoptionen können Interessierte im Förderwegweiser Energieeffizienz kalkulieren. Gebäude, die von der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB) zertifiziert sind, erhalten sogar einen zusätzlichen Förderbonus von 33.750€. Wer also saniert, baut oder Wohneigentum erwirbt, für den könnten sich die BEG-Förderprogramme lohnen.

Klimaneutrales Wohnen muss bezahlbar sein

Noch kostet die 1komma5° Rundumlösung für ein Einfamilienhaus rund 50.000€, berichtet das Handelsblatt. Aber der Countdown wartet nicht darauf, bis Normalverdienende für ein Eigenheim und eine umfassende Sanierung gespart haben. Schröders Antwort darauf: Innerhalb von sechs bis acht Jahren – also gerade noch innerhalb des Countdowns – sei die Investition durch eingesparte Energiekosten ausbezahlt, erklärt er dem Handelsblatt. “Wir glauben, dass es jetzt nicht mehr um Geld geht – es gibt genug Geld – und auch nicht um Technologie – es gibt mehr als genug verfügbare Technologien. Es geht gänzlich um die letzte Meile. Und um Geschwindigkeit”, pitchte Schröder sein Startup 2021 während des EcoSummit

2016 schrieb die Deutsche Energie Agentur (dena) in einer Studie, dass “die Energiewendeziele technisch schon heute erreichbar“ wären. Demnach verbrauchen energieeffiziente Wohnhäuser rund 60% weniger Energie als der Durchschnitt (und energieeffizient ist nicht klimaneutral). Klar ist: Solange klimaneutrales Wohnen ein Luxusgut für Menschen mit Eigenheim bleibt, wird autarkes, CO₂ freies Wohnen für die meisten Menschen nicht greifbar sein.