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LGBTQ Love – Fotoprojekt dokumentiert queere Liebe in Israel

Israel präsentiert sich weltweit als ultimative „LGBTQ-Travel-Destination“. Queere Menschen vor Ort erleben aber nicht die Toleranz und Offenheit, die das Land nach außen hin präsentiert. Das Fotoprojekt LGBTQLove des israelischen Fotografen Michael Liani gibt intime Einblicke in queere israelisch-palästinensische Liebe, zwischen Diversity und Pinkwashing.

Liebe ist nie falsch“, sagte schon die amerikanische Musikerin Melissa Etheridge, die sich 1993 auf Bill Clintons Vereidigungsfeier öffentlich als lesbisch bekannte. Ihre einfache Botschaft sollte heute eigentlich selbstverständlich sein, doch nach wie vor wird in den meisten Mainstream-Medien hauptsächlich heteronormative Liebe abgebildet und queere Liebe oft durch sogenanntes pinkwashing” monetarisiert.

Das möchte der israelische Fotograf Michael Liani ändern und rief das LGBTQLove Projekt ins Leben. Mit dem Projekt möchte Liani die vielen Facetten der gleichgeschlechtlichen Liebe in Israel zeigen – einem Land, das sich nach außen hin offen und LGBTQ+-freundlich gibt, tatsächlich aber außerhalb der „Schwulenhauptstadt des Nahen Ostens”, Tel Aviv, die israelische wie palästinensische queere Menschen anzieht, eher konservativ ist. 

Die Tel Aviv Pride Parade zieht jedes Jahr im Juni Millionen von Touristen an. Bild: US Botschaft Tel Aviv, 2015.

Queere Menschen in Israel werden immer noch rechtlich und sozial diskriminiert

Obwohl Israel als einziges Land im Nahen Osten mit einer Pride Parade für eine lebhafte LGBTQ+ Szene bekannt ist, sieht die Realität außerhalb Tel Avivs leider ganz anders aus. Aus Umfragen geht hervor, dass 45% der Bevölkerung der Meinung ist, Homosexualität sollte nicht akzeptiert werden. Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) bewertet Israel als eines von 14 Mitgliedsstaaten, wo LGTBQ+ Inklusivität noch immermoderat“ ist. Diese 14 Mitgliedstaaten, zu denen Israel gehört, zeichnen sich durch eine unterdurchschnittliche Performance von Inklusivität und juristischem Fortschritt für LGBTQ+ Communities zwischen 1999 und 2019 aus. 

Faktisch haben queere Menschen in Israel weniger Rechte als heterosexuelle Menschen. Tel Aviv erkennt zwar seit 2020 symbolisch die gleichgeschlechtliche Ehe an, trotzdem können gleichgeschlechtliche Paare in Israel nicht heiraten und werden das womöglich auch niemals können. Zumindest nicht, solange das Oberrabbinat Israels, welches die traditionelle heteronormative Ehe wie einen Goldbarren hütet, bestimmt, wie und wen Juden und Jüdinnen heiraten dürfen. Gleichgeschlechtliche Paare in Israel müssen im Ausland heiraten und können ihre Ehe im Anschluss in einem langwierigen Prozess anerkennen lassen. Heute ist Israel eine der wenigen Demokratien weltweit, in der eine standesamtliche Heirat nicht möglich ist.

Gay-Paradies Tel Aviv – Echte Toleranz oder einfach nur gutes Marketing?

Gerade wegen des Gefälles zwischen der “Gay Tel Aviv”-Marke und der eigentlichen Situation für LGBTQ+ Communities vor Ort gerät die israelische Regierung immer wieder in die Kritik, die Community mit großangelegten Branding-Kampagnen auszunutzen, um von dem israelisch-palästinensischen Konflikt abzulenken und Israels Image aufzupolieren – ein klassischer Fall von „pinkwashing“? So argumentieren zumindest immer mehr WissenschaftlerInnen. (Mehr dazu auch hier: Sasson-Levy 2019; Snellings 2019; Blackmer 2019; Ritchie 2014). 

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Und die haben nicht ganz Unrecht, denn das Bild von Tel Aviv als die gay-friendly Partystadt im Nahen Osten schlechthin ist das Ergebnis einer sorgfältig geplanten Marketing-Strategie, deren Anfänge sich auf das Jahr 2005 zurückverfolgen lassen. Das Forward Magazin veröffentlichte damals den Artikel “Israel Aims to Improve Its Public Image”, der von der Entscheidung des “Rebrandings” von Israel zu einem “hippen, coolen” Ort berichtet. Seitdem investierte die Regierung konstant in “Gay-Tourismus”. 2016 kündigte das Ministerium für Tourismus eine 11 Millionen Shekel (ca. 3,1 Millionen €) Marketing-Kampagne an, die Israel im Ausland als “Gay-Destination” bewerben sollte. Die lokale LGBTQ+ Community, die zu dem Zeitpunkt nur 1,5 Millionen Shekel (ca. 424.000€) Förderung jährlich bekam, fand das nicht so witzig. 

Erst kommen die Gays, und dann der Rest”

Nach dem Motto „erst kommen die Gays, und dann der Rest” heuerte das Ministerium für Tourismus 2012 den Marketingexperten und Vorsitzenden der nationalen LGBT-Organisation Aguda Shai Deutsch an, der dafür sorgen sollte, dass Tel Aviv nicht mehr für Bomben und Jugendliche mit Gewehren, sondern für Parties und Gay Pride bekannt ist. Und die Strategie ging auf: Während Israel im Jahr 2005 nur knapp 1,9 Millionen Touristen pro Jahr begrüßen durfte, waren es 2013 bereits 3,5 Millionen und 2018 4,3 Millionen.

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Michael Lianis Fotoprojekt kann gerade deshalb als Signal gegen pinkwashing” gewertet werden, denn es zeigt die Vielfalt und Intimität der lokalen LGTBQ+ Community jenseits von großangelegten Pride-Paraden und Branding-Kampagnen. Dafür fotografierte Liani analog Paare im ganzen Land, im vertrauten Umfeld, zuhause, auf der Couch oder im Garten, beim Stillen, mit Kindern, ohne Kinder, oder sogar in Militäruniform. Zugegeben: es ist unverkennbar, dass die Mehrheit der Paare, die Liani fotografierte, jüdische Israelis sind – PalästinenserInnen sind hier ganz klar in der Unterzahl. Das Projekt, so Liani, “wurde aus dem Wunsch geboren, zu zeigen, was gleichberechtigte Liebe ist. Liebe definiert sich ist nicht im Vergleich zu anderen oder zu irgendeiner Institution, sondern nur durch die Liebe selbst. Dieses Archiv zeigt Israelisch-Palästinensische queere Liebe in allen Formen, die leider nicht immer gleichberechtigt ist.”