facebook-likehamburgerlupeoverview_iconoverviewplusslider-arrow-downslider-arrow-leftslider-arrow-righttwitter

Meinung: Macht den Verbraucher zum Global Player!

Unternehmen nutzen viele Vorteile der Globalisierung – die meisten Kunden haben davon eher wenig.

Nach ein paar Jahren als Deutscher in den USA habe ich einen unsympathisch klingenden Wunsch: Ich hätte gern ein bisschen mehr Globalisierung. Es gibt ein paar gute Dinge dort, die es hier nicht gibt und umgekehrt. Ich schlage also einen Tausch vor: Wir importieren die Höflichkeit, die Oberklasse-Donuts und die geschmackvollen Wandfarben aus New England und exportieren im Gegenzug Heiz- und Klimatechnik. Wir importieren 24-Stunden-Drogerie-Apotheken und exportieren Käse. Wir importieren richtigen Iced Coffee und Tacos mit frittierten Kichererbsen und exportieren Bolognese-Sauce, die dort absurderweise unbekannt ist. Wir importieren Apple Pay und exportieren ein standardisiertes elektronisches Überweisungssystem, das zwischen allen Banken funktioniert. Wäre das ein Deal? Tatsächlich aber sieht es im internationalen Austausch eher mau aus, jedenfalls wenn man nur Kunde ist und kein Konzern.

Warum sollte der globalisierte Handel nur den international agierenden Unternehmen zugutekommen? Foto: Chuttersnap

Tut mir leid, das ist eine deutsche American-Express-Karte

Als die Deutsche Telekom im Jahr 2001 den US-Mobilfunkanbieter Voicestream übernahm, erhielt sie das lang ersehnte Standbein in den USA. Fast die Hälfte der Telekom-Einnahmen kommen heute von dort. Aber als ich mit meinem deutschen T-Mobile-Vertrag in Amerika ankam, nutzte mir das bei T-Mobile US rein gar nichts.

Ebenso sieht es bei den Kreditkarten aus: In den USA braucht man mindestens eine Kreditkarte, um seinen Alltag zu bewältigen. Man bekommt aber keine, wenn man keine Credit history, also keine Bonität, vorweisen kann. Die deutsche Bonität ist wertlos – What the heck is a Schufa? Man erhält nicht mal eine VISA-Kreditkarte, wenn man jahrelanger deutscher VISA-Kunde ist. Bezahlt man mit seiner deutschen VISA-Karte in den USA, werden Auslandsgebühren fällig. Das hätte ich von einer internationalen Marke anders erwartet. Bei American Express würdigten sie immerhin meinen bestehenden Vertrag, aber verkauften mir trotzdem eine zweite Kreditkarte – ich habe nun neben meiner deutschen American-Express-Karte auch eine amerikanische, kein Witz.

Apps haben Nationalitäten

Wechselt man bei Amazon von seinem deutschen Konto auf ein amerikanisches, werden alle Abos storniert. Bei Apple kann man sein Konto nur umstellen, wenn man eine amerikanische Zahlungsmethode hinterlegt, zum Beispiel eine Kreditkarte, die man ohne Credit history nicht bekommt. Lädt man dann Apps aus dem amerikanischen App Store auf sein Handy, werden sie nicht mehr aktualisiert, wenn man zurück nach Deutschland geht. Apps haben Nationalitäten, wer hätte das gedacht.

Wer eine amerikanische App in Deutschland updaten will, der bekommt Schwierigkeiten. Foto: Rob Hampson

Ein Auto kann man nur bar kaufen, denn man hat ja keine Bonität. Will man es versichern, werden utopische Beträge fällig, weil man als Fahranfänger gilt – auch wenn man seit zwanzig Jahren unfallfrei gefahren ist, aber in Deutschland, und was ist das schon. Versicherungskonzerne haben Holdings überall, wo es gerade steuerlich günstig ist, aber keine einzige Versicherung macht einem Deutschen ein akzeptables Angebot in den Staaten. Wirtschaftsunternehmen sind Weltbürger, wenn sie unter ihresgleichen sind, wenn ein Kunde aber internationalen Service will, herrscht plötzlich wieder Kleinstaaterei.

Wenn deine Steuererklärung gegen das Völkerrecht verstößt

Deutschland ist allerdings auch kein Vorbild: Wer wie ich im Ausland als Selbständige(r) gearbeitet hat, muss damit rechnen, dass die Steuerregelungen in den völkerrechtlichen Verträgen plötzlich nicht mehr gelten. Die Bundesrepublik weicht nämlich per Bundesgesetz einseitig die Doppelbesteuerungsabkommen mit Drittstaaten auf: Was schert uns schon das Völkerrecht, wenn es auf Kosten unserer Steuereinnahmen geht. Zu diesem Vorgehen ist seit 2014 beim Bundesverfassungsgericht ein Normenkontrollverfahren anhängig.

Auch beim VW-Skandal wurde deutlich, dass Deutschland das nationale Hemd näher ist als die internationale Hose. In den USA wurde der Dieselbetrug aufgedeckt, und nur dort wurden die Kunden angemessen entschädigt: VW musste seine Gaunerdiesel zurückkaufen. Den handelnden Personen drohen in den USA empfindliche Strafen, weshalb der Florida-Urlaub für einige deutsche VW-Manager ab sofort entfällt.

Insbesondere der VW-Skandal führt vor Augen, dass verschiedene demokratische Systeme verschiedene Ergebnisse produzieren. In diesem Fall zu Lasten des deutschen Verbrauchers. Foto: Xan Griffin

Die hiesigen Kunden dagegen profitieren nicht von den Urteilen amerikanischer Gerichte. Obwohl sie ein als sauber und verbrauchsarm beworbenes Auto gekauft haben, erhalten sie kein Geld zurück. Habe ich erwähnt, dass ich den kalifornischen Verbraucherschutz auch gern importieren würde?

Konzernrechte für alle

Wir brauchen nicht nur weltweite Regelungen gegen Steuervermeidung, sondern einen Weltverbraucherschutz. Internationale Unternehmensbeteiligungen sollten Bestandskunden in allen beteiligten Ländern wie ebensolche behandeln und nicht die gleiche Person mehrmals zur Kasse bitten. Wenn supranationale Konstruktionen Konzernen Vorteile bringen, sollte dann nicht auch der Kunde davon profitieren? Und während Großunternehmen über Ländergrenzen hinwegschweben, darf der auf seine Staatsbürgerschaft reduzierte Bürger nicht mal seiner Rolle als internationaler Verbraucher nachkommen. Du kannst froh sein, in der Europäischen Union geboren zu sein, wo du wenigstens straflos ins Nachbarland reisen darfst. Wenn Firmen juristische Personen sind, müssen natürlichen Personen die gleichen Rechte eingeräumt werden. Wenn für Konzerne keine Grenzen gelten, dürfen sie auch nicht für Einzelpersonen gelten. Und wer von internationalen Privilegien profitiert, dem wachsen auch internationale Verpflichtungen zu. Das wäre ein Deal.