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Native TikTok: Indigener Aktivismus mit hunderttausenden von Zuschauern

Ein neuer Trend ergreift das Netz: Indigene Aufklärung statt Tanzvideos auf TikTok. Eine Reihe junger Menschen hat begonnen, Nutzer der sozialen Plattform über ihre indigene Kultur aufzuklären. Wer sind die Gesichter dieser Bewegung und was kann man von ihnen lernen?

Wer als Digital Native auf den sozialen Plattformen unserer Zeit aufgewachsen ist, wird es kennen: schön inszenierte, bunte Bildinhalte, die uns eine gestellte Realität als Wahrheit präsentieren. Ein weitverbreiteter Kleidungsstil, der sich Boho-Chic nennt, allerlei Kriegsbemalung, die als Festival-Makeup millionenfach geteilt wurde und leicht bekleidete Menschen auf Partys mit buntem Federschmuck im Haar. Doch was für deren Macher ein gedankenloser Spaß war, ist in Realität, damals wie heute, kulturelle Aneignung in sehr großem Stil. 

So verbreiteten sich diese Inhalte weltweit, werden in unsere Realität überschrieben und dabei gibt es nur wenige Nutzer, die in kritischen Kommentaren darauf aufmerksam machen. Nicht genug, um etwas zu ändern. Kopfschmuck der amerikanischen Ureinwohner auf der Fashion Week, Box Braids an weißen Frauen und der kommerzialisierte Boho-Chic, der sich auf den Kleidungsstil der Sinti*zze & Rom*nja bezieht. Das Thema der kulturellen Aneignung in der Mode und auf sozialen Netzwerken bleibt tiefgreifend und kompliziert. Wo fängt kulturelle Aneignung an und wo hört kulturelle Anerkennung auf? Jetzt rüttelt eine neue Bewegung das Netz auf, die Voreingenommenheit und Rassismus gegenüber indigenen Völkern Sichtbarkeit schenkt und über indigene Kultur aufklären möchte.  

Aus einer Tanzplattform wird eine Chance für Aufklärung

Alles beginnt dort, wo man es wohl am wenigsten erwartet hätte: TikTok hat sich innerhalb weniger Monate von einer Plattform, welche Generation Z scheinbar für ihre Tanzvideos gepachtet hatte, zu einem kulturellen „Grundnahrungsmittel” weiterentwickelt. Hier nutzen indigene Menschen die Plattform, um ihre Kultur und Traditionen auf eine zeitgemäße Art und Weise zu vermitteln. So wird ein Nutzen der Plattform geschaffen, der über die gestellten Fotos auf Instagram und Pinterest hinausgeht. In diesem Jahr setzt TikTok den Hashtag #NativeFamily als einen „Safe Space” für indigene Content Creators ein, unter dem sie sowohl aufklären als auch ihre Erfahrungen mit Rassismus teilen. Sie präsentieren ihren Abonnenten außerdem indigene Kulturgüter, klären über indigene Sprachen auf und geben Außenstehenden einen ungestellten Einblick in ihre Lebensrealität.

Diese vier Content Creators zeigen, wie indigene Aufklärung auf TikTok funktioniert

Haatepah Clearbear wurde als Waise in Kalifornien adoptiert. Sein Vater entmutigte ihn während seiner Kindheit, seine Abstammung zu recherchieren und lehnte indigene Kultur weitestgehend ab. Doch spätestens als Clearbear die Highschool besuchte, wurde sein Interesse unaufhaltsam, da er auf andere Schüler traf, die ihm ähnlich sahen. „In den Vereinigten Staaten wurde vielen Ureinwohnern beigebracht, dass es etwas Schlechtes ist, ein Ureinwohner zu sein, dass es barbarisch und schmutzig ist, dass sie Heiden waren und ihre Lebensweise schlecht war. Und das ist einfach nicht richtig.”, erklärt Clearbear gegenüber dem Magazin Youth to the People. „Wir schreiben das Jahr 2020: Es ist an der Zeit, sich auf das zu besinnen, was man ist und stolz darauf zu sein.” Heute nutzt er TikTok als Plattform, um seine 750 000 Abonnenten und fremde Interessierte über die Native American Culture aufzuklären.  

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Shina Novalinga ist Inuk, also Zugehörige des Inuitvolks, das im arktischen Zentral- und Nordostkanada sowie auf Grönland lebt. Analog ist Novalinga Studentin, die in Montreal Business Management studiert; digital allerdings bringt sie ihre indigene Kultur täglich ihren zwei Millionen TikTok-Abonnenten näher. Bekannt wurde sie besonders durch die Videos, in denen sie den ihrer Kultur eigenen Kehlkopfgesang präsentiert. Sie gibt verschiedenen viralen Trends auf der App ihre eigene Note, indem sie zum Beispiel ihren Kehlkopfgesang über Popsongs legt. In anderen Videos zeigt sie typische Flechtfrisuren und selbstgeschneiderte Kleidung wie traditionelle Parkas mit pelzgefütterten Kapuzen. 

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Der Tansanier Kili Paul begeistert mit seinen Videos, die sein Leben und seinen Alltag als Mitglied des Massaivolks festhalten, über 600 000 Menschen. Für seine Fans ist es faszinierend, auch hier in eine Kultur Einblick zu erhalten, die sonst bisher nur von Außenstehenden eingefangen wurde. Dabei zeigt er mit Witz und Charme Tänze der Massai, die er liebt, gibt Einblick in seiner Arbeit als Lehrer, in die Kleidungs- und Esskultur seines Volkes und teilt private Gedanken, die ihn umtreiben.

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Mele Maikalani ist Hawaiianerin und klärt ihre über 800 000 TikTok-Abonnenten über Unwahrheiten, Bräuche, Götter, Tanzrichtungen und Glaubensweisen ihres polynesischen Volkes auf. Ihre bekanntesten Videos zeigen sie, während sie traditionell Hula tanzt und dabei über Untertitel im Video interessante Fakten über ihr Volk erzählt und über Lügenmythen aufklärt.

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Diese TikTok-Accounts sind ein tragendes Beispiel dafür, wie die Plattform nicht nur für Unterhaltungszwecke genutzt werden kann, sondern ebenfalls, um Aufklärung im großen Stil zu betreiben. Soziale Medien, Mode und Populärkultur sind heute die drei größten Konfliktherde kultureller Aneignung. So kennzeichnen indigene Content Creators auf sozialen Plattformen enteignete Teile ihrer Kultur wieder als ihre eigenen. „Indigene TikToks“ kritisieren so die Art und Weise, wie jene Mainstream-Perspektiven indigene Menschen von außen sehen – mit all ihren Vorurteilen und ihrer Unwissenheit. Neben dem Ruf, nur flache Comedy und Tanzvideos zu enthalten, entsteht so eine Rige spannender TikTok-Accounts, die dokumentarisch arbeiten, aufklären und Mehrwert bringen. Gerne mehr davon!