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Foto: Ulrich-Ferdinand Beyle.

Pele Uibel: „Unsere Identität lässt keinen Raum für Diskussionen”

Pele Uibel begann im frühen Kindesalter mit Modernem Fünfkampf und wurde bereits als Teenager als erfolgreicher Athlet gefeiert. Neben seinem intensiven Training begann er mit 18 Jahren Jura zu studieren, mit dem Ziel, für mehr Gerechtigkeit zu kämpfen. Wir haben ihn gefragt, was er angesichts der aktuellen gesellschaftsrechtlichen Lage gerne verändern würde.

Disziplin bedeutet ihm mehr als Talent, daher trainiert Pele Uibel sechs Mal die Woche. Foto: Ulrich-Ferdinand Beyle.

Pele, Moderner Fünfkampf ist eine außergewöhnliche Sportart. Wie bist du dazu gekommen? 

Das war eigentlich per Zufall. Ein Freund von mir aus dem Schwimmverein hatte zuerst damit angefangen und mich gefragt, ob ich mal Lust habe mitzukommen. Die Atmosphäre im Sport-Zentrum hat mir direkt gefallen, dann bin ich einfach dabei geblieben. Am Anfang ist es noch ein Kindersport mit Spaß und Spielen. Ab 13 entscheidet man sich dann dafür, es als Leistungssport zu betreiben und ambitionierter an die ganze Sache heranzugehen. 

Wie kam es zu dieser Entscheidung? Was war für dich der ausschlaggebende Grund? 

In jenem Jahr waren die deutschen Meisterschaften, daher hat mich die Vorstellung motiviert, es dort aufs Podest zu schaffen. Ich fing in jenem Sommer an zu trainieren und wurde dann tatsächlich Zweiter. Da habe ich gemerkt, dass sich viel Training auszahlt und bin dabei geblieben. 

Wie bist du zu deiner eigenen Disziplin und deiner eigenen Bereitschaft zum Leistungssport gekommen? 

Man lebt sich da rein und merkt gar nicht, dass man plötzlich sechs Tage die Woche vier Stunden täglich trainiert. Es war keine aktive Entscheidung, die Motivation kam mit dem Training und wurde zur Normalität. 

Du stehst zwar noch am Anfang deiner Sportlerkarriere, aber was war bisher dein emotionalstes Erlebnis? 

Das war auf jeden Fall die Teilnahme an den Youth Olympic Games in Argentinien. Man bereitet sich wie bei den richtigen Olympischen Spielen ein Jahr lang nur auf die Qualifikation vor. Damals war ich dann Fünfter oder Sechster der Weltrangliste U19 und konnte mich als einziger deutscher Fünfkämpfer für die Spiele qualifizieren. Ich bin knapp an der Medaille vorbeigeschrammt und Vierter geworden, das war alles sehr, sehr nervenaufreibend. 

Jetzt studierst du neben deiner Sportlerkarriere auch noch Jura. Das ist nicht das einfachste Studium. Wie bist du zu diesem Studium gekommen?  

Die Entscheidung, mich für Jura einzuschreiben, kam einfach so zu mir. Ich war mir gar nicht sicher, was da auf mich zukommt, da ich erst 17 war. Erst am Ende des zweiten Semesters habe ich gemerkt, wie cool und politisch es ist. Es hat mich auch das alltägliche politische Geschehen viel besser verstehen lassen und so habe ich Jura mit der Zeit lieben gelernt.  

Neben seinem intensiven Training begann er mit 18 Jahren Jura zu studieren, mit dem Ziel, für mehr Gerechtigkeit zu kämpfen. Foto: Ulrich-Ferdinand Beyle.

In dem Video erzählst du von Serena Williams, wie sie mit ihrer Schwester auf dem Tennisplatz mit Affenlauten ausgebuht wurde. Das hat mich sehr berührt, da ich die Geschichte noch nicht kannte. Wie erlebst du gerade das Thema Rassismus im Sport? 

Rassismus im Sport ist nicht anders als Rassismus im Alltag. Sportler sind eigentlich immer solidarisch gegenüber ihren Mitsportlern, aber es gibt ähnliche Missverständnisse und Vorurteile. Dieser latente Alltagsrassismus, der leider in unserer Gesellschaft vorherrscht, den gibt es auch in der Sportwelt. 

Wenn wir über das Thema Alltagsdiskriminierung sprechen: Ich erlebe es selbst, dass man als Person of Color oft die Frage „Woher kommst du?” beantworten muss. Erlebst du das auch? Und wie fühlst du dich bei dieser Frage?

Ich fühle mich schon angegriffen, muss ich sagen. Was ist denn die Aussage dieser Frage? Menschen mit weißer Hautfarbe wird sie nicht gestellt. Das Ergebnis ist das Gefühl, dass ich mich rechtfertigen muss, warum ich in Deutschland bin oder warum ich im Sport für Deutschland an den Start gehe. Dabei besteht Deutschland aus Menschen jeglicher Hautfarbe. 

Dein älterer Bruder Langston Uibel ist ein fantastischer Schauspieler, der bereits in international beliebten Serien wie Unorthodox mitgespielt hat. Vor ein paar Wochen habe ich ihn auf der Bühne der Black–Lives-Matter-Demonstration erleben dürfen. Wie ist deine Beziehung zu ihm? 

Er ist für mich wirklich ein Vorbild, wie er seine Bekanntheit dafür nutzt, Gutes zu tun. Wir sind zudem gute Freunde und haben auch viele gemeinsame Freunde. Er macht sein eigenes Ding, etwas was völlig anderes als das, was ich mache, aber wir haben immer eine ähnliche Weltanschauung; das ist sehr schön. Mit meinem Zwillingsbruder Duke geht mir das ähnlich. Er leitet die Tanzbar meines Vaters in London und wird da sicherlich auch bald Eigentümer. 

Dieses neue Jahr der Dekade bringt drastische Veränderungen. Erst das Coronavirus und jetzt die weltweite Protestbewegung BLM. Was ist denn in deinen Augen die wichtigste Herausforderung, die wir als Gesellschaft meistern müssen? 

Ich glaube, dass es da einen Zusammenhang zwischen der Pandemie und der Protestwelle Black Lives Matter (BLM) gibt. Dadurch, dass viele Menschen zu Hause bleiben mussten und Zeit zum Nachdenken hatten, hatte der aufgenommene Vorfall mit George Floyd eine viel tiefergehende Auswirkung. Die derzeit größere Bereitschaft online Beiträge zu teilen und die weltweiten Demonstrationen haben so etwas wie ein transnationales Civil Rights Movement ausgelöst. 

Die BML-Demo in Berlin am Wochenende war sehr bewegend. Die Mutter einer Freundin von mir und meinem Bruder hat eine Rede gehalten, die mich sehr berührt hat. Man hatte das Gefühl, mit allen Anwesenden dieses Gefühl zu teilen und sich in einer größtenteils weißen Gesellschaft nicht so alleine zu fühlen. Es hat sich auch gut angefühlt zu wissen, dass nicht nur PoC (People of Color, Anm. der Redaktion), sondern auch weiße Menschen das Problem erkennen und einsehen, dass sie ihr Verhalten ändern müssen. 

Was viele jetzt natürlich beschäftigt: Werden die drängenden Forderungen und Anliegen ignoriert oder wird es eine nachhaltige Veränderung geben?

Ich glaube fest daran, dass es eine nachhaltige Veränderung geben wird. Auf Instagram ist mir aufgefallen, dass viele Menschen gegen die Polizeigewalt in Amerika protestieren, anstatt den Rassismus im eigenen Land zu kritisieren. Es wird Zeit zu erkennen, dass auch wir in Deutschland ein Problem haben. 

Viele weiße Freunde von mir fragen mich gerade, wie sie sich einbringen und helfen können. Sie sind verunsichert und haben Angst, Fauxpas zu begehen und etwas Falsches zu sagen, da es einem in der Kindheit nie beigebracht wurde.. Es gibt viele Filme, Bücher und Podcasts, um sich zu informieren. Bei der Fülle an Informationen heutzutage ist Unwissenheit keine Option. Und bei der Identität einer Person gibt es keinen Raum für Diskussion. Wenn sich eine Person of Color angegriffen fühlt, dann muss man dieser Person, die eigentlich immer in der Minderheit ist, auch den Raum geben, sich zu erklären. 

“Sportler sind eigentlich immer solidarisch gegenüber ihren Mitsportlern, aber es gibt ähnliche Missverständnisse und Vorurteile.” Foto: Ulrich-Ferdinand Beyle.

Was bedeutet für dich Identität? 

Identität ist etwas, was sich die ganze Zeit verändert. Man erweitert sie konstant und sie setzt sich aus vielen verschiedenen Faktoren zusammen. Je älter man wird, desto mehr wächst unsere Identität durch persönliche Einflüsse, durch die Identitäten anderer Menschen, die uns umgeben und innere Reflektion. 

Würdest du dir etwas von der Legislative wünschen? Was braucht die deutsche Gesetzgebung dringend? 

Eindeutig Antidiskriminierungsgesetze! Man sieht, dass viele Fortschritte mit der Erlassung neuer Gesetze oder Gesetzesänderungen dieser Art einhergegangen sind. Ob Abtreibung oder gleichgeschlechtliche Ehe, man braucht ein legales Fundament um etwas in der Gesellschaft zu verändern. 

Qiio beschäftigt sich ja mit dem Zusammenhang von Vergangenheit und Zukunft, daher würde ich dich gerne Folgendes fragen: Wenn du jetzt die Chance hättest mit einer Zeitmaschine irgendwo hinzureisen, wohin und wann wäre das? 

Ich glaube, ich würde in die Zukunft reisen. Manchmal blickt man ja zurück und ärgert sich über gewisse Lebensentscheidungen und fragt sich, ob man es nicht doch hätte anders machen sollen. Viele in meinem Alter stellen sich oft die Fragen, was sie später beruflich machen wollen. Mit meiner Zukunftsreise würde ich mir die Angst davor nehmen und schauen, wie sich mein Leben entwickeln wird. So könnte ich vielleicht sehen, dass man sich doch nicht so viele Sorgen machen muss. 

Die Deutsche Bank fördert gemeinsam mit der Deutschen Sporthilfe studierende Athleten mit einem Sportstipendium, um Leistungssport besser mit beruflicher Karriere zu vereinbaren. Pele Uibel ist einer dieser Stipendiaten.