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Foto: Briam Cute

Phytomining – Können Pflanzen in Zukunft unsere Metalle produzieren?

Umweltfreundlicher Rohstoffabbau, geht das überhaupt? Phytomining nennt sich eine neue, alte Technologie, die aus Pflanzen Metalle gewinnen kann. Könnte die Technologie der Schlüssel zu einem größeren Umweltproblem sein?

In nahezu jedem Produkt, das wir kaufen, stecken umkämpfte Ressourcen wie Öl, Metalle oder Holz. Allein in einem Smartphone finden wir rund 30 verschiedene Metalle, darunter unter anderem Kupfer, Eisen, Aluminium, Silber, Gold, Palladium und Platin, sowie Metalle, die von der EU-Kommission als sogenannte “kritische Rohstoffe” bzw. seltene Metalle eingestuft wurden. 

Die Rohstoffgewinnung in Entwicklungsländern ist nicht nur sehr ressourcenintensiv und konfliktreich, sondern schadet auch der Umwelt, zerstört Lebensräume und geht oft sogar mit Kinderarbeit einher. Um zum Beispiel an Erzvorkommen zu gelangen, müssen oft gesamte Wälder gerodet werden. Dabei kommen häufig giftige Chemikalien wie Quecksilber zum Einsatz. 

Die Erträge landen zudem meist nicht in den Ländern, in denen die Rohstoffe abgebaut werden, sondern bei uns im Westen – was einige dazu veranlasst, in Anbetracht der menschenunwürdigen Arbeitsbedingungen in Bergbauzentren im Kongo, in Südafrika oder in Sambia von einer kolonialen Kontinuität in der Wirtschaft zu sprechen.  

Die Bergbau-Industrie ist für etwa 30 Prozent der globalen Treibhausgasemissionen verantwortlich. Zwischen 1970 und 2010 hat sich zudem der weltweite Treibhausgasausstoß des Industriesektors fast verdoppelt

Ein Tagebaurestloch eines Bergwerks der Zambia Consolidated Copper Mines Ltd (ZCCM) im Copperbelt, die bis zum Verkauf das größte Unternehmen im Kupferbergbau von Sambia war. Bild: Arne Wilson

Könnte Phytomining eine nachhaltige Alternative zur Metallgewinnung sein? 

Eine bereits vor 40 Jahren entwickelte, nachhaltige Art der Metallgewinnung könnte in Zukunft Abhilfe schaffen. Beim Phytomining wird eine Gruppe spezieller Pflanzen gezüchtet, die sogenannten Hyperakkumulator-Pflanzen, die wie ein Staubsauger Metall aus dem Boden ziehen und in ihren Blättern einlagern. Dazu gehören zum Beispiel Gebirgs-Hellerkraut, Hallersche Schaumkresse und Steinkraut.

Diese unscheinbaren Pflanzen entgiften den Boden und entziehen ihm schädliche Metalle wie etwa Blei, Zink oder Nickel. Nach der Ernte werden die Hyperakkumulatoren geschnitten, getrocknet, verbrannt und mit Säure ausgewaschen, um die Metalle aus dem Boden zurückzugewinnen. Die Pflanzen lassen sich nicht nur zu Metall und Geld machen, sondern könnten auch der Schlüssel zur Entgiftung verseuchter Böden sein und damit ein größeres Umweltproblem lösen. Bis dato galt eine Schwermetallanreicherung in Böden unter Experten als kaum rückgängig zu machen

Bei dem Mechanismus der Hyperakkumulatoren handelt es sich vielleicht um einen Schutz gegen potenzielle Feinde, für die die hohen Metallkonzentrationen in den Blättern der Pflanzen giftig wären, vermuten Wissenschaftler. Tatsächlich wurde beobachtet, dass Tiere die Pflanzen nicht essen. Es ist kein Zufall, dass man die Pflanzen häufig neben ehemaligen Minen findet, wo der Boden hohe Konzentrationen an giftigen Schwermetallen aufweist. 

Für die meisten anderen Pflanzen wäre das ein toxisches Umfeld, doch die Hyperakkumulatoren wachsen in solchen Böden besonders gut. Gerade deshalb eignen sie sich zur Reinigung und Wiederherstellung von beschädigten Böden.

Die Biologin Ute Krämer der Ruhr-Universität Bochum sieht in den Metallfressern großes Potenzial: „Diese Pflanzen können das Hundertfache dessen aufnehmen, was normalerweise an Metallen in anderen Pflanzen gefunden werden kann. Sie haben also ein gewaltiges Aufnahmevermögen für Metalle. Wir haben darin nicht nur eine biologische Kuriosität gesehen, sondern ein Material, das in der Zukunft von großer praktischer und technologischer Bedeutung sein könnte und das hat sich tatsächlich als wahr erwiesen“, sagte Krämer dem Deutschlandfunk.

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Forschung lag lange auf Eis

Phytomining wurde bereits vor 40 Jahren von dem britischen Botaniker Alan Baker und dem amerikanischen Agrarwissenschaftler Rufus Chaney entwickelt. Als Baker die Hyperakkumulatoren entdeckte, glaubte ihm zunächst keiner – zu hoch um wahr zu sein waren die Werte der aufgenommenen Schwermetalle in den Pflanzen. Nur Rufus Chaney glaubte an Baker, die beiden gründeten sofort eine Forschungsgruppe.

Die Superpflanzen hätten längst den Durchbruch schaffen können, doch die Technik lag lange auf Eis. Die beiden Wissenschaftler bekamen keine Forschungsgelder von Universitäten. Nur ein amerikanischer Investor bot den Wissenschaftlern finanzielle Unterstützung an, doch im Austausch für die Finanzierung gingen vor 20 Jahren die Patente für die kommerzielle Nutzung an die Investoren. Dadurch konnte jahrelang nicht geforscht werden, bis das Patent 2015 auslief.

Seitdem tut sich einiges in der Forschung zu Phytomining. Insgesamt sind heute über 500 Pflanzenarten bekannt, die zum Phytomining geeignet wären. In Neukaledonien, das Land mit den größten Nickelreserven der Welt, wird nun auf Hochtouren nach weiteren Hyperakkumulatoren gesucht. Wissenschaftler in Frankreich testen derweil, ob Hyperakkumulatoren auch Edelmetalle wie Gold oder Platin anreichern können. Auch in Freiberg bei Dresden wird bereits Germanium mittels Phytomining angereichert.

„Wenn so eine Pflanze eine sehr hohe Biomasse hat, dann könnte man damit Böden aufreinigen, oder man könnte überlegen, ob man damit Metalle zurückgewinnt, in so einer Art Erzgewinnung durch Pflanzen, die sehr nachhaltig wäre”, sagt Ute Krämer.

Wie weit sich die pflanzliche Metallgewinnung optimieren lässt, wird sich womöglich eher früher als später zeigen, jetzt wo der Weg für die Forschung frei ist. Hoffentlich werden wir in Zukunft Mülldeponien und ehemalige Industriestandorte mithilfe der Superpflanzen im großen Stil reinigen können, und gleichzeitig eine umweltfreundliche, profitable Alternative zum Bergbau haben. Damit würde die Lösung für eine der schlimmsten Umweltsünden genau da liegen, wo wir sie am wenigsten erwartet haben – in unscheinbaren Pflanzen wie diesen.