Inflation, Geldmangel und Sparsamkeit: Die Spar-Influencerin Jenny trifft als “FoodandFamily” mit ihren Videos auf TikTok und Co. den Nerv der Zeit. Im Interview mit Qiio erzählt die alleinerziehende Mutter von drei Kindern, was es bedeutet, sparsam zu leben und warum sich niemand dafür schämen sollte.
Jenny, wann und wie bist du auf die Idee gekommen, Spar-Tipps auf deinen Social Media Kanälen zu geben?
Das eigentlich hat mit einem Zufall angefangen. Ich hatte mich getrennt und meine Freundin erzählte mir von TikTok und meinte, da könne man sich gut ablenken. Mein Sohn und ich haben uns dann einfach mal so aus Spaß beim Kochen gefilmt und er hat anschließend das Voice Over gemacht. Das war unser allererstes Video, das direkt viral ging. Da habe ich gemerkt, dass Leute sich vielleicht für solchen Koch-Content interessieren. Nach und nach habe ich dann immer mal wieder Videos zu dem Bereich hochgeladen. Weil ich selbst zu diesem Zeitpunkt finanziell nicht gut dastand, dachte ich mir, ich könnte doch vielleicht ein paar Gerichte, die ich aus meiner Abi- und Uni-Zeit noch kannte und die ich selbst gemacht hatte, zeigen. Diese Rezepte sind wirklich sehr beliebt gewesen. Dadurch habe ich mir nach und nach eine große Community auf TikTok aufgebaut. Irgendwann war da dann die Überlegung, mich in diesem Bereich selbständig zu machen. Da ich in dem Bereich auch studiert habe, hatte ich ein bisschen Erfahrung. Es war trotzdem ein Sprung ins kalte Wasser.
Du bist eine alleinerziehende Mutter von drei Kindern und der Kopf von “FoodandFamily”. Wie organisierst du dich, deine Familie, euer Business?
Es ist nicht immer einfach, alles unter einen Hut zu bekommen, auch wenn es dementsprechend aussieht. Aber ich bin ein Planmensch. Ich muss wirklich alles in meinen Alltag irgendwie planen und organisieren, das hilft mir. Alleine dieses Gefühl, wenn ich in meiner Liste etwas stehen habe und das abhaken kann – dieses Motivationsgefühl bringt mich dazu, dass ich immer weitermache und auch Spaß daran habe. Aber ich habe auch einfach wirklich tolle Kinder, die einerseits super mithelfen und andererseits den Job, den ich mache, auch verstehen. Ich bezeichne “Food8Family” immer als Familienunternehmen, denn mal spricht mein Sohn die Voice Over, mal macht meine Tochter ein Video. Wir unterstützen uns bei allem gegenseitig.
Warum hast du so viel Know-How zum Thema Sparen?
Ich bin ja bei Pflegeeltern und im Heim groß geworden, da wurde man immer mit dem Sparen konfrontiert. Man könnte also sagen, ich bin so geprägt worden. Ganz oft durfte ich mir damals anhören, dass nun einmal nur 3 Mark pro Tag und Kind zur Verfügung stand. Danach musste dann gerechnet werden. Auch meine Pflegemutter war sehr sparsam. Ich habe sehr viel von ihr in dieser Hinsicht gelernt. Mit sechzehn bin ich dann aus dem Heim abgehauen und habe mir meine eigene Wohnung gesucht. Das war eine Phase, in der ich extrem auf das Geld achten musste. Aber dadurch, dass ich vieles aus dem Heim und von meinen Pflegeeltern gelernt habe, war das für mich einfacher.
Was denkst du, warum deine Ratschläge zum Thema Geldsparen so eine große Resonanz erzeugen?
Zum großen Teil ist es wirklich die Inflation. Studierende und Auszubildende waren schon immer ein Großteil unserer Zielgruppe, aber durch die Inflation sind noch mehr Menschen dazu gekommen, etwa Familien oder Alleinerziehende. Ich bekomme auch immer öfter E-Mails von Menschen, die sagen, dass sie eigentlich gar nicht “broke” sind, durch unseren Content aber lernen, dass es nicht ständig notwendig ist, irgendetwas zu kaufen.
Welche Vorurteile und Stigmata haften einem Leben, in dem nicht viel Geld ausgegeben wird, immer noch an?
Es gibt definitiv Menschen, die nicht fassen können, dass wir so leben. Dann fallen in den Kommentaren solche Sätze wie “Beim Essen spart man nicht”. Dabei wird allerdings vergessen, dass es bei einigen gar nicht anders geht. Dass es Menschen gibt, die beim Lebensmitteleinkauf einfach schauen müssen, was sie ausgeben. Ich merke daran dann immer, dass viele sich nicht vorstellen können, dass es überhaupt Menschen in Deutschland gibt, die wirklich an der Armutsgrenze leben. Man hört ja auch oft genug, dass das in Deutschland nicht möglich sei. Gleichzeitig werden dabei aber zum Beispiel Studierende und Azubis vergessen und wie wenig diese Gruppen überhaupt erhalten für das, was sie tun. Viele kennen das einfach nicht, weil sie selbst zum Glück nicht so aufgewachsen sind. Auf der anderen Seite sehe ich aber, dass es immer mehr Menschen gibt, die generell sparsamer leben wollen. In meinen Postfächern sind Nachrichten von Menschen dabei, die sagen “Ich habe jetzt ein Ziel und deswegen werde ich die nächsten paar Monate mal an bestimmten Ecken sparen”. Sie fragen dann bei mir nach Tipps, etwa wie sie am besten anfangen könnten. Ich kann mir also gut vorstellen, dass sparsames Leben für einige Leute ein bewusst gewählter Lifestyle ist. Für mich ist es am Ende des Tages wichtig, dass es gesellschaftlich akzeptiert wird, dass jede:r in eine Situation kommen kann, in der er:sie wirklich kein Geld hat. Dass zum Beispiel etwas Gravierendes im eigenen Leben passiert und man erst einmal nicht weiß, wie man jetzt mit dem Geld, das man hat, zurechtkommen soll.
Warum, denkst du, ist der Diskurs rund um Armut noch immer so negativ behaftet? Und wie können wir darüber ehrlicher und offener reden?
Das liegt vor allem daran, dass wir viel zu sehr mit unserem eigenen Leben beschäftigt sind. Wenn wir unseren Blick ein bisschen erweitern und nicht nur unser Leben mit dem der anderen vergleichen würden, könnte sich viel verändern. Auch Politiker:innen sollten sich mehr mit den Menschen beschäftigen und wirklich nachhaken, wie es finanziell bei verschiedenen Gruppen aussieht.
In deinen Videos benutzt du häufig den Begriff “broke”, also pleite, in Verbindung mit Essensrezepten für 2-3€. Warum verwendest du den Begriff, der ja häufig mit Scham und Angst verbunden wird?
Ich hatte mit einem anderen TikToker eine Art Battle: Er hatte ein Gericht gezeigt, und dabei erwähnt, er sei broke. Daraus habe ich dann eine Challenge gemacht und gezeigt, dass noch preiswerter geht. Wir haben dieses Wort dann für unsere Videos von Food8Family übernommen, weil es so lustig klingt. Armut ist natürlich nichts Schönes, aber es ist nichts, wofür man sich schämen sollte. Denn wirklich jede:r kann in diese Situation kommen.
Welchen Umgang willst du deinen Kindern in Bezug auf Geld lehren?
Ich gebe ihnen eine sparsame Lebensweise weiter, aber ich kommuniziere deutlicher und vielschichtiger als ich es selbst erlebt habe, warum das wichtig sein kann. Ich gehe etwa auf Nachhaltigkeit ein und sage “Wir müssen die Kleidung nicht immer neu kaufen, sondern können auch zum Flohmarkt gehen. Dadurch wird nämlich weniger produziert”. Und letztens erst habe ich gemerkt, dass meine Tochter das wirklich selbst so übernimmt und sich beispielsweise beim Einkaufen mit ihrem Taschengeld selbst fragt, ob sie etwas Bestimmtes jetzt wirklich braucht oder nicht.
Wie hoffst du, werden wir das Thema Geld und Sparen in Zukunft gesellschaftlich verhandeln?
Ich erhoffe mir, dass wir in Zukunft einfach wegkommen, von den Erwartungen und Ansprüchen in einer bestimmten Weise sein, handeln oder aussehen zu müssen. Dieses Denken fängt ja leider schon in der Schule an. Dabei sollte es vollkommen in Ordnung sein, wenn jemand, der zum Beispiel keine Markenkleidung trägt, einfach akzeptiert wird. Ich hatte zum Beispiel früher ganz große Probleme damit, dass meine Pflegemutter mir Papier mitgegeben hat, das noch aus der DDR war. Sie hatte wirklich alles aufgehoben und nichts wegschmeißen wollen und ich wurde extrem gemobbt deswegen. Heute blicke ich darauf anders zurück. Ich verstehe, was sie eigentlich damit erreichen wollte, und ich hoffe, dass mehr Menschen aufhören, andere aufgrund ihrer Lebensweise zu verurteilen. Zusammen können wir einfach mehr Möglichkeiten schaffen, um auch sparsam, glücklich zu sein.
Jenny hat sich nach ihrer Ausbildung zur Produktdesignerin den Traum eines Studiums der Druck und Medientechnik erfüllt. Neben ihrer Tätigkeit als Content Creator für “FoodandFamily” arbeitet die Dreifach-Mutter noch freiberuflich als Fotografin und Grafikdesignerin. Gemeinsam mit ihren Kindern plant Jenny gerade den ersten gedruckten “FoodandFamily”–Content in Form eines Kochbuches.