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Shivaji Dasgupta hat mit Qiio Magazin über die deutsche Angst vor Technologien und KIs gesprochen. Foto: Frank Schroeder.

Shivaji Dasgupta: keine Angst vor der bösen KI 

Shivaji Dasgupta ist ein Genie der leisen Sorte, immer lächelnd und mit magischer Ruhe und Zufriedenheit gesegnet. Die ideale Person, um über die irrationale Angst vor Technologie zu sprechen. 

In Indien geboren, in München in Physik promoviert und ist seit mehreren Jahren auf Big Data und KI im Bereich Finanzen spezialisiert. Shiv Dasgupta, Head of Data Architecture & Smart Analytics, ist gerade erst seit neun Monaten bei der Deutschen Bank. Dennoch fühlt er sich wie Zuhause im Quartier Zukunft, wo wir ihn getroffen haben. Es ergab sich ein Gespräch, bei dem man trotz ernster Themen auch viel über die Welt der denkenden Daten und Maschinen lachen konnte. 

Wenn ich ehrlich bin: Aus psychologischer Sicht fasziniert mich an diesem Thema vor allem die Angst der Menschen, die im Zusammenhang von KI oft zur Sprache kommt. Macht dir Künstliche Intelligenz auch manchmal Angst?

Nein. Warum? Ich sehe Künstliche Intelligenz relativ nüchtern als eine neue Entwicklung. Und die Geschichte hat uns gelehrt, dass neue Technologien immer zwei Seiten mit sich bringen. Durch Nuklearenergie kann man Energie gewinnen, aber auch Bomben bauen. Das Gleiche gilt hier auch. KI hat viel Potential, wie zum Beispiel unbekannte Krankheiten zu heilen. Gleichzeitig gibt es aber auch negative Beispiele, wie maschinengesteuerte und angriffsfähige Drohnen. Ich würde diese Technologien nicht nur von der Angst-Seite bewerten wollen, dann gehen die positiven Entwicklungen verloren. 

Okay. Und wenn wir jetzt mal rasant fünf Jahre vorausschauen, was wird dann Künstliche Intelligenz an Aufgaben im Alltag übernehmen? 

Vielleicht gehen wir einen Schritt zurück: Was ist Künstliche Intelligenz? Aus meiner Sicht ist Künstliche Intelligenz etwas, das auf Basis historischer Daten beruht. Es erkennt Muster, gibt dann automatisiert Antworten und übernimmt Aufgaben. Wenn es sehr unterschiedliche Ausgangsmöglichkeiten gibt, wie zum Beispiel Emotionen, ist es schwierig, diese mit Mustererkennung zu replizieren. Wenn es aber sehr kleinteilige Standardaufgaben sind, wie zum Beispiel Geld zählen, wird es zunehmend automatisiert und von KI übernommen. Ich kann mir gut vorstellen, dass in den nächsten fünf bis zehn Jahren Risiko-Prüfaufgaben im Bankbereich zunehmend durch KI übernommen werden können.

KI ist etwas, das auf Basis historischer Daten beruht. Es erkennt Muster, gibt automatisiert Antworten und übernimmt Aufgaben.

In vielen Unternehmen finden zurzeit Transformationsprozesse mit den Beschäftigten statt, die mit der Digitalisierung noch nicht vertraut sind. Ich bemerke allerdings eine gewisse Hemmung bei den Mitarbeitern, sich damit zu beschäftigen. Woran liegt das deiner Meinung nach? 

Das Phänomen gibt es weltweit. Das liegt daran, dass die Schere zwischen menschlichem Verständnis und unserer Anpassungsfähigkeit durch die rasante technische Entwicklung immer weiter auseinandergeht. An das Smartphone hatten sich die Menschen binnen sieben Monaten angepasst. Alexa gibt es ja schon ein paar Jahre, aber die Menschen kommen damit nicht zurecht, weil sie mit der Anpassung nicht hinterherkommen. Ein Mensch kann Veränderung nur linear aufnehmen, die technische Entwicklung ist aber exponentiell. Das müssen wir akzeptieren und innerhalb der Unternehmen auf Weiterbildung setzen. 

Und wie könnte man diese Anpassungsfähigkeit verbessern?

Die Aus- und Weiterbildung optimieren. Wir versuchen deswegen, stärker mit führenden Universitäten zusammenzuarbeiten. MIT und die Deutsche Bank haben das Institute Of Digital Economy gegründet, wo konkret darüber nachgedacht wird, was modulare Ausbildungsformate sein könnten. Wie kann ich meinen Mitarbeitern stetig Impulse geben, sodass sie nach links und rechts schauen? 

So liegt es auch an uns, dass die Firmen diese neuen Technologien, Arbeitsweisen und Kommunikationstools den Mitarbeitern frei zugänglich machen. Slack ist ein gutes Beispiel. Wir haben jetzt eine Deutsche Bank-Variante von Slack eingeführt, die Symphony heißt. Man kann mit seinen Kollegen chatten und Unterlagen hochladen.

In einem Artikel in der Harvard Business Review schreibst du, dass aus diesen Datensystemen eine Art Ökosystem gebaut werden sollte. Kannst du das vielleicht konkreter erklären?

Ich glaube, die Zeit ist vorbei, in der aus Sicht der Unternehmen gedacht werden sollte. Heute muss aus der Kundenperspektive gedacht werden. Der Kunde will ein Produkt kaufen und nicht eine Finanzierung. Wenn der Kunde das Produkt kaufen will, dann muss ich mir doch die Frage stellen: Wie kommt er an das Produkt? Und wie kann ich an dieser Stelle schon Kontakt aufnehmen? 

Wenn man den Gedanken weiter verfolgt, dann ist man  ja automatisch im Ökosystem drin. Ob Google, Amazon oder Facebook – am Ende des Tages sind es Datenunternehmen. Die leben davon, dass sie ihren Kunden sehr gut kennen, weil jeder Kunde eine Datenspur hinterlässt. Wenn ich auf Google etwas suche, hinterlasse ich meine Suchpräferenzen. Wenn ich mich auf Facebook mit jemandem vernetze, hinterlasse ich meine Netzwerkpräferenzen. Wenn ich bei Amazon was kaufe, hinterlasse ich auch hier meine Kaufpräferenz. Daraus können sie ja dann sehr gut die Person entschlüsseln und einordnen.

“Ob Google, Amazon oder Facebook – am Ende des Tages sind es Datenunternehmen. Die leben davon, dass sie ihren Kunden sehr gut kennen, weil jeder eine Datenspur hinterlässt.”

Verpassen wir im Vergleich zu Konkurrenzanbietern den Anschluss?

Zwischen den größten Plattformanbietern der Welt – Google, Amazon, Facebook und Apple – wo stehen wir? Deutsche Firmen sind im Vergleich zu diesen Firmen sehr klein. Da müssen die europäischen Unternehmen miteinander agieren und die Politik sollte sie  unterstützen. In allen Ecken herrscht momentan eine Schockstarre, da wir alle Daten an die amerikanischen oder chinesischen Unternehmen weitergeben. Aber, wer gibt freiwillig den Zugang zu WhatsApp, Facebook oder Google Maps für die europäischen Varianten auf? Ich kenne keinen.

Gibt es denn jetzt Projekte, die Ihr gerade erarbeitet in der IT der Deutschen Bank, die für Endkunden relevant sein werden? 

Was wir jetzt schon mit Daten und KI machen, sind zum Beispiel diese sogenannten Sofa-Kredite. Auf Basis anderer Kundendaten definiert man: Der Kunde ist kreditwürdig. 

Dann gibt es andere Themen, wie zum Beispiel die Darstellung von Haushaltsrechnungen. Gibt der Kunde mehr Geld für Essen, für Kleidung oder für Haushaltssachen aus? Das ist ja in unserer Deutsche Bank-App schon integriert und das verbessern wir stetig mit den Kundendaten.

Gab es etwas, eine technische Entwicklung oder Neuerung der letzten fünf Jahre, die dich überrascht hat? 

Wirklich überraschend war die neue Facebook-Währungs-Plattform Libra. Sie kooperiert sehr stark mit anderen Partnern, wie Mastercard und Visa, für den Zahlungsverkehr. Des Weiteren mit Uber und Lift für die Mobilität. Mit Spotify für Entertainment – sie haben für fast jedes Segment einen Partner. Und das ist eine gewaltige Entwicklung für bereits existierende Zahlungsverkehrsdienste oder Banken. Das sollten wir verstehen, damit wir wissen, was auf uns zukommt.

Die große Überraschung für Shivaja Dasgupta war die neue Facebook-Währungs-Plattform Libra.

Und nun zum Abschluss: Gibt es denn etwas, wovor du wirklich Angst hast?

Wovor ich wirklich Angst habe? Dass wir in Europa den Anschluss zu den neuen Technologien verpassen. Ich habe Angst, dass die Entscheidungsträger Europas die Technologiefrage zu spät stellen und bei ihren alten Strategien bleiben. Und deshalb müssen wir als Unternehmen alles tun, damit wir als erstes diesen Kundenservice anbieten und Technologiefragen stellen. Ich glaube nicht, dass es Google oder irgendeinem Unternehmen darum geht, ein Monopol zu besitzen. Wir verspielen unsere Chancen selber, wenn wir da nicht schnell genug und technisch bewusst agieren. Du hast ja am Anfang gefragt: Habe ich Angst vor KI? Nein. Aber ich habe Angst, dass wir für KI zu wenig Verständnis aufbringen. 

Mehr über die Potenziale von KI und Technologie im Banking und anderen Bereichen erfährst du in unserem neuen Kompendium Smart Contracts.