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Social Media Hype BeReal: Ein Bruch mit Instagram, der keiner ist

Die Social Media App BeReal erobert die Handys der Generation Z im Sturm. Die Sehnsucht nach Authentizität und die Abneigung gegen das, was aus Instagram geworden ist, haben diese App zum Hot Topic des Sommers gemacht. Aber ist BeReal mehr als nur ein Anti-Instagram?

Eine neue Social Media App hat die App- und Playstores erobert: BeReal. Laut einer Datenanalyse der Plattform data.ai wurde BeReal bereits mehr als 10 Millionen mal heruntergeladen, alleine im ersten Quartal 2022 gab es 3,3 Millionen Downloads weltweit. Das Suchtpotenzial der App wurde bereits von Medien aufgegriffen. Wird sich der BeReal-Hype halten, oder kommt die App am Ende doch auf den App-Friedhof, wo bereits andere Instagram-Konkurrenten wie Clubhouse oder Vero liegen?

Was ist real an BeReal?

BeReal wurde 2020 in Frankreich von den ehemaligen GoPro-Mitarbeitern Alexis Barreyat und Kévin Perreau gegründet. Die Gen Z App präsentiert sich als Antithese zu Instagram und TikTok und gibt vor, keine Plattform für Influencer, Werbung und Marken zu sein, sondern eben für das echte Du. Eine Authentizität, die erfrischen soll. Aber tut sie das auch?

Teilweise, ja. Denn User vernetzen sich in Echtzeit miteinander und zeigen, wo sie sich gerade aufhalten und was sie machen. Statt unendlicher Werbung und „suggested Posts“ sieht man bei BeReal tatsächlich Fotos seiner Freund:innen. Einmal am Tag werden User spontan mit der Benachrichtigung „Time to be Real“ dazu aufgefordert, ein Foto mit der Vorderkamera und eines mit der Hinterkamera aufzunehmen. Dann haben sie zwei Minuten Zeit, das Foto zu posten. Selfies mit Doppelkinn, Kaffeetasse in der Hand, im Pyjama auf der Couch, im Büro, in der Uni. Keine Filter, keine Reels, keine Stories – nur die banale Realität. Nach 24 Stunden werden die Aufnahmen wieder gelöscht.

Auf BeReal vernetzen sich User in Echtzeit miteinander und zeigen, wo sie sich gerade aufhalten und was sie machen. Bild: BeReal

Schluss mit gefakter Authentizität 

Die Idee ist, dass User nicht auf den perfekten Zeitpunkt warten, um zu posten, wenn sie gerade gut aussehen oder auf einer coolen Party sind, so wie man es von Instagram Influencern kennt. Außer digitaler Ächtung gibt es aber keine Konsequenzen, wenn jemand außerhalb des 2-minütigen Zeitfensters postet. Denn mittlerweile gibt es bereits eine BeReal Etiquette: Wer schummelt und wartet, bis er/sie auf der Party angekommen ist, um das Foto aufzunehmen, ist lame. Ein Blick durch den „Discovery Mode“, bei dem man willkürliche BeReals Fremder entdecken kann, offenbart jedoch, dass kaum einer „pünktlich“ postet, sondern eher jede:r wann er/sie will. Häufig posten BeReal User ihre Schnappschüsse gleich mit auf Instagram.

„Ich finde es visuell viel interaktiver, man reagiert auf die Posts von seinen Freunden immer mit Selfies“, sagt die 26-jährige Design-Studentin und BeReal-Nutzerin Karolina Wilting. „Mich persönlich nervt die App aber auch, weil du jeden Tag diese Erinnerung bekommst. Wenn du willst, kannst du aber einfach dein BeReal im richtigen Moment aufnehmen“, so Wilting. Die Gen Z-Welt scheint die App zwar im Sturm erobert zu haben, doch viele der User bleiben nicht dran, weil sie, genau wie Wilting, schnell von der nicht ganz so authentischen Authentizität BeReals genervt sind. 

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Ein Beitrag geteilt von Iris Amber Nijboer (@irisamber)

User sollten sich über eins im Klaren sein: Social Media Apps wurden nicht dafür geschaffen, Menschen einander „näher“ zu bringen, sondern, um abhängig zu machen. Denn je länger ein Mensch auf einer App verweilt, und je mehr er mit ihr interagiert, desto mehr Daten liefert er über sich selbst – und genau diese Daten finanzieren indirekt die Apps.

Bisher hat BeReal aber noch kein Geschäftsmodell, die Finanzierung kommt von Inverstor:innen. Wird die App, wenn das Geld ausgeht, genau wie Meta die Userdaten an Werbepartner verkaufen, um sich zu finanzieren? Würden User dann genau wie auf Instagram mit irrelevanter Werbung und Produkten zugemüllt werden?

Was sagt das Medien-Echo? 

Zunächst als Chance gepriesen, „der Welt endlich zu zeigen, wer du wirklich bist“ (Teen Vogue), ließ der Shitstorm nicht lange auf sich warten: Die falsche Authentizität sowie die Gamification des täglichen Postens seien noch viel nerviger, als Social Media Repräsentationen anderer Plattformen, schreibt das New Yorker Magazin. Auch Atlantic Journalistin Kaitlyn Tiffany findet, es gäbe keinen Grund, „real“ zu sein. Denn die App sei nicht viel anders als ein fake Instagram, auch finsta genannt, in das sich Menschen flüchten, um immer noch in den sozialen Netzwerken zu sein, aber eben privater.

Wir brauchen bessere Alternativen

Journalistin Kaitlyn Tiffany prognostiziert, dass BeReal schon bald lediglich „eine weitere toxische soziale Plattform sein wird“. Dennoch macht der Hype um die App deutlich, dass Instagram und TikTok User nicht länger befriedigen, von der Boomer-Plattform Facebook ganz zu schweigen. 

Ein Leben ohne soziale Netzwerke ist heute nicht mehr vorstellbar, doch Instagram und Facebook sind längst auf dem absteigenden Ast: Unendliche Werbung, ständige Replikation der Konkurrenz und diskriminierende Algorithmen sind nur einige der Gründe, warum viele keine Lust mehr auf die Facebook-Firma Meta haben. Alternativen müssen her, und zwar solche, die nicht die menschliche Sehnsucht nach Authentizität und Aufmerksamkeit wirtschaftlich ausbeuten. Denn eine weitere toxische Social-Media-Plattform brauchen wir definitiv nicht.