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Bild: Screenshot Youtube: The Sextortion of Amanda Todd

Der erste Fall digitaler Erpressung – die Geschichte von Amanda Todd

Wie gefährlich ist die Erpressung mit Nacktaufnahmen für junge Menschen? Kürzlich fiel in Kanada der Schuldspruch für einen Täter – ein Präzedenzurteil.

„Ich habe beschlossen, euch meine nicht enden-wollende Geschichte zu erzählen.“ Mit diesen Worten beginnt Amanda Todd ein Video, das sie 2012 online postet. Schwarze Schrift auf weißen Karteikarten verleiht den Gefühlen der damals 15-jährigen Ausdruck. Was sie noch nicht weiß: Ihre Geschichte endet rund einen Monat später dann doch – im Suizid. Binnen weniger Stunden geht Amandas Video einmal um die Welt. Ihre Geschichte macht S*xtortion schon bald zum gängigen Begriff und die Suche nach einem Täter zur obersten Priorität.

Hinter der Jugendlichen liegen zwei Jahre Erpressung und Mobbing. Die Kanadierin ist gerade 13, als sie ein Fremder im Internet dazu drängt, ihre Brüste zu zeigen. Nach mehreren Aufforderungen knickt Amanda ein, zieht kurz ihr Shirt hoch. Doch für den Unbekannten ist es genug, um ihr das Leben zur Hölle zu machen. Denn er nimmt einen Screenshot auf. Ein Jahr lang sammelt er persönliche Informationen über Amanda, macht sich mit ihrer Familie und ihrem schulischen Umfeld vertraut. Dann konfrontiert er sie mit dem Bild. Entweder sie zeige ihm noch mehr, oder die Aufnahme würde an die Öffentlichkeit gelangen. Das Foto ihres eigenen Körpers mutiert zur Waffe gegen die Jugendliche. Als er das Bild tatsächlich veröffentlicht, verliert Amanda Freund:innen, in der Schule wird sie gemobbt und auch online bleibt sie vor Attacken nicht verschont. Die folgenden zwei Jahre sind für die Schülerin geprägt von psychischer Krankheit, drei Schulwechseln und mehreren Aufenthalten in psychiatrischen Einrichtungen. Unerbittlich holt sie ihr Erpresser mit dem unfreiwillig aufgenommenen Bild ein. Die kanadische Polizei rät Amanda, sich von sozialen Medien fernzuhalten. Darüber hinaus bleiben die Hilferufe von Amanda Todd und ihren Eltern erfolglos. Erst der Presseeklat nach ihrem Tod bringt die kanadische Polizei zum Handeln. Viel zu spät kann der niederländische Täter identifiziert werden. Auf seinem Laptop finden sich neben Amandas Bild die Aufnahmen 39 weiterer Jugendlicher.

Hinter Amanda Todd liegen Jahre der Erpressung und des Mobbings, nachdem sie als 13-jährige ein Nacktbild mit einem Fremden im Internet teilt. Bild: Screenshot Youtube/The Sextortion of Amanda Todd.

Mehr Gerechtigkeit für Opfer 

Bereits 2017 verurteilt ein niederländisches Gericht den damals 38-jährigen Täter Aydin Coban wegen Online-Betrug und Erpressung zu zehn Jahren und acht Monaten Haft. Im August 2022 eröffnet der kanadische Supreme Court of British Columbia dann endlich die Anhörung rund um Cobans Verbrechen an Amanda Todd. Die Anklagepunkte: Erpressung, zweifacher Besitz von Kinderpornografie, das Anlocken von Kindern und kriminelle Belästigung. Am 14. Oktober 2022 befindet Richterin Martha Devlin den Täter aller Anklagepunkte schuldig und verurteilt ihn zu 13 Jahren Haft, die ab 2024 an die Haftstrafe des niederländischen Gerichts angehängt werden.

2012 ging Amanda Todds Geschichte viral – kurz danach beging die damals 15-jährige Suizid. Bild: Screenshot Youtube/The Sextortion of Amanda Todd

Devlin möchte mit dem hohen Strafmaß ein Zeichen gegen eine immer verbreitetere Praktik setzen. Das digitale Zeitalter macht jede:n zum potenziellen Opfer von S*xtortion – der Umgang mit Webcams und Fremden sowie eigenen Bildern ist längst zum Alltäglichen geworden. Bereits 2009 warnten Organisationen daher weltweit vor dem aufkommenden Trend. Amanda Todds Geschichte und das Urteil um Coban zeigen zehn Jahre nach ihrem Tod besonders eindrücklich: Das Internet ist kein rechtsfreier Raum. So sehr der Täter auch versuchte, sich hinter etlichen Fake-Profilen in sozialen Netzwerken zu verstecken. Letztlich gelang es ihm nur, zeitweise der Polizei aus dem Weg zu gehen. Aber leider lange genug, um mit 40 Menschenleben zu spielen. Der Schuldspruch traf weitläufig, aber insbesondere bei Amanda Todds Eltern auf große Zustimmung und Erleichterung. „Alle haben an einem Strang gezogen und wir konnten zum Richter durchdringen und einen wirklich hohen Präzedenzfall schaffen“, so ihr Vater Norman Todd. Auch Amandas Mutter Carol Todd ist sich sicher: „Das wird in der Welt etwas verändern.“

Seid ihr selbst Opfer von Mobbing, sexueller Belästigung oder Erpressung? Bitte macht es nicht alleine mit euch aus! Wendet euch an Vertrauenspersonen, die Polizei oder eine dieser telefonischen Anlaufstellen.Telefonseelsorge: 116 123
Beratung bei Mobbing für Kinder und Jugendliche: 116 111
Beratung für Eltern : 0800 – 111 0 550