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Trend-Genre Body Horror: Faszination für den imperfekten Körper

Body Horror ist gerne hässlich. Statt Perfektion werden wir in dem Kunst-Genre meist mit entstellten, mutierten oder deformierten Körpern konfrontiert. Warum kann uns gerade das faszinieren? Und was sagt es über unsere Zeit? 

“Als Gregor Samsa eines Morgens aus unruhigen Träumen erwachte, fand er sich in seinem Bett zu einem ungeheuren Ungeziefer verwandelt.” Mit diesem berühmten ersten Satz beginnt Franz Kafka 1912 seine Erzählung Die Verwandlung. Wie Mary Shelley in Frankenstein setzte Kafka die radikale Veränderung des menschlichen Körpers in den Fokus seiner Geschichte. 

Und beweist damit ein Gespür für Trends: Denn von Adaptionen durch die Simpsons bis zu Sequels vom japanischen Schriftsteller Murakami Haruki – Kafkas Kurzgeschichte hinterlässt auch noch ein Jahrhundert nach seiner Erscheinung einen nachhaltigen Eindruck.

Faszination Body Horror

Der von Kafka beschriebene Horrortrip ist dabei vor allem eins: Body Horror oder der Horror vor radikal veränderten, meist menschlichen Körpern. Es ist ein Subgenre vom klassischen Horror, der viele fasziniert. Modelikone Heidi Klum etwa inszenierte zu ihrer diesjährigen Halloween-Feier eine tierische Transformation und rollte sich als gigantischer Wurm vor den Kameras der internationalen Presse auf dem Boden.

Und auch Regisseur David Cronenberg schlachtet die Kunstform in seinem aktuellen Film Crimes of the Future visuell für die Zuschauer:innen aus, wenn seinen Figuren neue Organe aus dem eigenen Körper wachsen und diese unter anderem in beliebten Kunstperformances herausgeschnitten oder operiert werden. Das Abnormale wird zur Kunst, die mutierten Körper zum begehrten Objekt – sieht so unsere Zukunft aus? 

Zumindest in einem Punkt wäre das gar nicht so schlecht: in der Akzeptanz von Körpern, die vom idealisierten Schönheitsidealen abweichen. Body Horror zeigt uns nämlich schon jetzt die Schwachstellen des menschlichen Körpers – und feiert sie. Der mediale Erfolg von Heidi Klum als Wurm oder Alien-Mensch-Hybrid legen das jedenfalls nah.

Body Horror als Kippbild unserer Ängste

 

 
 
 
 
 
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Dass das tröstlich sein kann, beschreibt die am Turner-Syndrom erkrankte Podcasterin Nichole Goble. Körperlich sichtbare Auswirkungen der Krankheit sind in der Regel Kleinwüchsigkeit, überschüssige Haut im Nacken, Lernbehinderungen und das Ausbleiben der Pubertät. In Filmen, in denen die Protagonisten mit solchen oder verwandten Symptomen zu kämpfen haben, begegnete sie erstmals Menschen, die ihr selbst ähnlich waren. Ähnlichkeiten zu anderen, realen Menschen hat sie bis dato kaum gesehen. In einem Essay schildert sie, dass ihr genau das dabei geholfen habe, mit ihrer eigenen Behinderung zurechtzukommen. Sie begründet es damit, dass dieses Genre die komplexe Beziehung thematisiert, die wir alle mit unseren Körpern haben können.

Denn in jedem von uns steckt andauernde Verwandlung: ein bisschen Käfer von Samsa und ein bisschen Wurm von Klum. Schließlich sterben in uns jede Sekunde unzählige Zellen und es werden neue geboren. Wir wachsen, wir altern, wir schrumpfen. Jeden Tag sieht unser Gesicht im Spiegel ein klein wenig anders aus, bis wir uns selbst vielleicht nicht mehr erkennen. Vielen Menschen macht diese unaufhaltsame Veränderung Angst. Body Horror könnte sie uns nehmen oder zumindest ermutigen, sie nicht mehr zu ignorieren.

Die Botschaft von Body Horror: Körperliche Veränderungen müssen uns nicht ängstigen.

Die Philosophin Melinda Hall behauptet zudem, dass Body Horror-Filme die Möglichkeit bieten, sich von der ableistischen Kultur zu distanzieren, weil sie das Publikum von dem entfernen, was als natürliche Ordnung angesehen wird. Doch was kann uns Body Horror sonst noch geben? 

Das Genre kann vor allem eins: mit gesellschaftlichen Stereotypen und Tabus brechen. Die exzessive Darstellung von Körperflüssigkeiten, Mutationen oder Verzerrungen verabschiedet radikal die gängigen Vorstellungen von Hygiene und Idealen. Die Kunstform wird dadurch zur Projektionsfläche für die Normalisierung von Körpern, die anders sind als die gängigen Schönheitsideale es vorgeben. Und genau diese Vorstellungen brauchen wir in der Fiktion, um sie für die Realität greifbarer zu machen. Für eine Zukunft mit weniger Normschönheit und mehr gesellschaftlichen Raum für Andersschöne