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Foto: © PETA Deutschland e.V

Wann kommt das Ablaufdatum für die Ware Tier?

Vom globalen Tierleid zum globalen Tierwohl ist es in unserer Gesellschaft ein weiter Weg, der viel Arbeit bedeutet. Nicht nur innerhalb der verschiedenen Industrien, sondern erst einmal am eigenen Mindset. Und das heißt, sich der Realität wirklich bewusst zu werden. Wir schauen mit Expertinnen von PETA von der Gegenwart in die Zukunft. Es soll ein ungeschönter Einblick sein, weswegen die Organisation, die für ihren Tierrechtsaktivismus bekannt ist, bewusst ausgewählt wurde.

Es gibt Themen, bei denen weiß man gar nicht, wo und vor allem wie man anfangen soll. Tierleid ist so eins. Sehr persönlich ist es, weil oft starke Emotionen mitspielen. Ein Trigger kann es ebenfalls sein und zu Abwehrhaltung führen. Nicht zuletzt, weil es voraussetzt, sich mit dem eigenen Verhalten sowie Gewohnheiten auseinanderzusetzen und diese der Realität gegenüberzustellen. Darum soll es hier gehen. Um den Status Quo, an dem nur etwas zu ändern ist, wenn wir uns trauen, mehr hinzuschauen.

Ich habe selber lange die Augen verschlossen und wollte zum Beispiel nie diese Bilder und Videos sehen, die das leidvolle Leben der Kühe, Schweine, Hühner und Co. in der Massentierhaltung zeigen. Irgendwann kam der Gedanke, dass doch was nicht stimmt, wenn man etwas so selbstverständlich isst, aber partout nichts über den Prozess wissen will, der es auf den Teller gebracht hat. Allein das Bewusstsein zu bekommen, dass dort ja ein Stück Lebewesen liegt, hat gedauert. Bei mir leider 30 Jahre. Ich glaube, viele Menschen können das nachvollziehen. Sie entscheiden sich nicht unbedingt bewusst für Tierleid und sagen: „Heute esse ich mal eine Menge Qual und nehme Tod für meinen Genuss in Kauf.“ Vielmehr ist es eine Entscheidung, die man aufgrund der Sozialisierung und gesellschaftlichen Norm unbewusst und automatisch trifft.

Tiere in der Lebensmittelindustrie: Wenn Genuss über Würde steht

Das Thema Essen könnte nicht deutlicher zeigen, wie sehr Tierleid in unserer Welt tief verwurzelt ist. Allein der Fakt, dass man Produkte als „vegan” kennzeichnet, aber nicht als „tierisch”. Die Lebensmittelindustrie gibt also vor, dass Letzteres der Standard und nicht zu hinterfragen ist. Hinzu kommt, dass Menschen mit ihrer Ernährung Emotionen, Erinnerungen, Geselligkeit sowie Lebensfreude verbinden. Eine Umstellung ist daher auch etwas Intimes, Privates und Persönliches. Darauf macht Lisa Kainz, Fachreferentin/ Agrarwissenschaftlerin bei PETA Deutschland, im Interview mit mir für Qiio aufmerksam. Sie erzählt von der systematischen Tierquälerei in der Lebensmittelindustrie wie der Qualzucht und der Leistung, die sogenannte „Nutztiere” erbringen müssen. Von Kühen, die sogar in Biobetrieben über 20 Liter und allgemein bis zu 50 Liter Milch pro Tag geben müssen. Normal wären acht bis zwölf Liter. Normal wäre es aber auch, mit der Milch nur ihre Jungtiere großzuziehen und nicht Menschen damit zu versorgen. Sie berichtet außerdem von völlig abgemagerten sogenannten Legehennen mit mehrfachen unbehandelten Knochenbrüchen und psychisch kranken Schweinen in engen Kastenständen, die auf Metallstangen herumkauen, weil sie einfach durchdrehen – um nur wenige Beispiele zu nennen.

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Hast du dich bisher intensiv damit auseinandergesetzt, wie das Leben vieler Tiere in der Lebensmittelindustrie aussieht?

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Foto: Lisa Kainz © PETA Deutschland e.V

Von vielen Zuständen hat man vielleicht schon mal gehört, aber am liebsten möchte man nur wegschauen. Weil es mitten ins Herz geht und weh tut. Aber es ist die Realität, die doch mindestens die Frage aufbringen sollte, ob der eigene Genuss die Qual, die diese Tiere erleiden müssen, wert ist. Inwiefern das eine mit dem anderen überhaupt in Verhältnis stehen kann. „Egal, wie man es dreht und wendet: Sobald Tiere eine Ware darstellen und mit dieser Ware Geld verdient werden soll, geht es immer auf Kosten der Tiere. Je geringer die ,Stückpreise‘ sind, desto mehr muss das Tier leiden”, fasst es Lisa Kainz zusammen. Oft fällt an dieser Stelle das Argument, man achte bei tierischen Produkten ja auf die Herkunft und Qualität. Aber: „Das schöne Leben, das sich manche als Rechtfertigung zurechtlegen, ist eigentlich kaum vorhanden. Tierhaltungen, bei denen ich als Tierrechtlerin sage, da ist nur der Tod ethisch nicht vertretbar, machen einen so unfassbar geringen Anteil aus. Die Menschheit müsste trotzdem zu 99,9 Prozent vegan leben, denn man könnte diese Tierhaltung nicht eins zu eins übertragen. Dieses Platzangebot haben wir gar nicht. Wir hätten auch Preise, die niemand mehr bezahlen würde”, fügt die Expertin hinzu.

Zur Überraschung mancher Konsument:innen ist auch in Biobetrieben Qualzucht gang und gäbe. Auch dort gibt es laut der Expertin in den Wintermonaten einen Anbindestall, wo Kühe an einem Platz angebunden sind und sich nicht frei bewegen können. Auch dort werden frischgeborene Kälber ihren Müttern weggenommen, die übrigens voller Trennungsschmerz teils nach ihren Kindern schreien. Auch dort verharren Schweine in kleinen Buchten. Die Liste lässt sich endlos weiterführen. Für mich persönlich hat dieses Wissen Konsequenzen. Ich ernähre mich überwiegend vegan, leider noch selten mit Käseausnahmen. Aber ich will diesbezüglich noch konsequenter sein. Weil ich mir vor Augen halte, dass die Tiere der Lebensmittelindustrie nur für uns Menschen auf die Welt kommen. Sie müssen für uns dieses trostlose Leben führen und werden für uns getötet.

2022 brauchen wir in unserer modernen Gesellschaft aber kein Tier zum Überleben. Wir sprechen hier also von reiner Willkür. Von Macht, die einen Schatten auf die Moral wirft, weil sich ja damit ziemlich viel Geld verdienen lässt. Ich bin der Meinung, es gibt nichts, was man hier schönreden kann. Um an diesem System überhaupt zu rütteln, wird es einen gesamtheitlichen Wandel im Mindset brauchen. Lisa Kainz: „Ich glaube, in den Köpfen ist die Massentierhaltung schon verwerflich, aber das Handeln ist ein anderes. Die Dissonanz müssen wir durchbrechen. Dass die Leute das, was sie im Kopf haben, auch im Alltag umsetzen. Es wäre ein Riesenschritt, dass wir über den industriellen Tierhaltungsweg dazu kommen, die individuellen Tiere hinter den Produkten zu sehen. Das ist das Wichtigste.”

Böse Überraschung: Laut Lisa Kainz gibt es auch in Biobetrieben in den Wintermonaten einen Anbindestall, wo Kühe an einem Platz angebunden sind und sich nicht frei bewegen können. Foto: © PETA Deutschland e.V

Zoos, Aquarien und Co.: Spaß für Mensch, Leid für Tier

Vom Genuss zur Unterhaltung. Auch etwas, das mich sehr beschäftigt, weil mir immer wieder auffällt, dass wir Menschen in bestimmten Situationen den Bezug zu den Tieren absolut verloren haben. Erst kürzlich habe ich in einer Netflix-Reality-Show gesehen, wie die Protagonist:innen ein Rodeo besuchen. Als Schnittbilder gibt es Cowboys, die auf Bullen reiten. Was als Belustigung bekannt ist, ist für die Tiere absoluter Stress und teils auch mit Schmerzen verbunden. Die wilden Bewegungen sind kein Spaß, sondern Abwehrreaktionen. Das kommt in der Serie natürlich nicht zur Sprache. Und ich frage mich nur, wie diese Szenen durch die komplette Produktion gegangen sind, ohne dass sich jemand gedacht hat, es wäre unpassend, so etwas zu unterstützen und dann auch noch auszustrahlen. Und da ist das Leid ja sogar noch offensichtlicher als vielleicht in Tierparks.

Der Zoobesuch gilt in Deutschland nach wie vor als beliebte Freizeitaktivität. Rund 18 Euro Eintritt und etwa drei Stunden Vergnügen gehen auf Kosten der Tiere, die Jahre oder jahrzehntelang in Gefangenschaft verbringen müssen. Fernab von ihren natürlichen Bedürfnissen für ein artgerechtes Leben. Aber warum ist es für uns Menschen so normal, dass in Deutschland Löwen, Tiger, Elefanten und Eisbären „zu Hause” sind? Dass soziale Tiere wie Affen ihr Leben fernab von Artgenossen verbringen müssen? Wie die 65-jährige Gorilladame Fatou, die 1959 nach Berlin kam und im Hauptstadtzoo einen eintönigen Alltag lebt, der tagtäglich zur Schau gestellt wird. Wie es ihr wirklich geht, scheint von den Besucher:innen nicht hinterfragt zu werden.

Das kommt nicht von irgendwoher, wie mir Dr. Yvonne Würz, Fachreferentin für Tiere in Zoo und Zirkus bei PETA Deutschland, erklärt: „Wir hören ganz oft: Das ist schon immer so. Das ist Tradition. Aber Tradition rechtfertigt ja nicht das Fortschreiten und Dulden von Tierquälerei. Speziesismus ist genau das, was dem Ganzen zugrunde liegt. Er ist die Basis jeglichen Tiermissbrauchs. Weil der Mensch meint, er würde angeblich höher stehen als andere Tiere. So entstehen Kategorien wie sogenannte ,Nutztiere’ oder ,Zootiere’. So rechtfertigt der Mensch für sich, dass das Ganze in Ordnung geht.“ Die Ausbeutung und Diskriminierung, die dadurch entsteht, dass sich der Mensch einen höheren Status zuschreibt, fasst Speziesismus zusammen.

Zoos, Zirkusse, Tierparks: Warum ist es für uns Menschen so normal, dass in Deutschland Löwen, Tiger, Elefanten und Eisbären „zu Hause” sind? Foto: © PETA Deutschland e.V

Wir sind Gewohnheitstiere, heißt es. Viele von uns sind mit Zoos und Tierparks aufgewachsen und geben diese Art der Freizeitgestaltung an ihren Nachwuchs weiter. Auch ich erinnere mich noch an solche Besuche im Kindes- und Teenageralter. Was man aber tatsächlich zu sehen bekommt, ist das Bild von verhaltensgestörten oder apathischen Tieren, die ihre natürlichen Bedürfnisse und Verhaltensweisen nicht ausleben können. Wildtiere, die eigentlich hohe Ansprüche an ihren Lebensraum haben, doch hinter Käfigstäben und transparenten Scheiben psychisch krank werden, ständig hin und her wippen, sich zurückziehen, selbst verstümmeln, in manchen Fällen sogar ihr Erbrochenes oder ihren Kot wieder aufnehmen. So hart es klingt: Das ist es, was Tierfreund:innen letztendlich unterstützen, wenn sie Zoos besuchen.

Foto: Dr. Yvonne Würz © PETA Deutschland e.V

Das heißt nicht, dass man sich dafür verurteilen muss. Vielmehr geht es darum, umzudenken. Man hat immer die Möglichkeit, morgen etwas anders zu machen. „Natürlich ist es absoluter Quatsch, heutzutage noch immer Tiere einzusperren, wenn wir auch ganz tolle Dokumentationen über sie im Internet oder Fernsehen anschauen können. Menschen haben sich hierfür wochenlang quasi in die Büsche gelegt, um das echte Tierverhalten zu zeigen”, sagt Dr. Yvonne Würz. „In Zukunft wird es bestimmt noch viel mehr geben, zum Beispiel in Richtung Virtual Reality.” Bis dahin ist aber noch einiges zu tun: „Die Forderung ist konkret, dass man einen Endpunkt setzt, indem man die Zucht in den Zoos beendet und die Haltungen so nach und nach auslaufen lässt”, so die Expertin. „Dann wäre man irgendwann an dem Punkt, an dem es freie Kapazitäten gäbe: also Gehege, die frei werden und zu Auffangstationen umfunktioniert werden könnten, wo man andere hilfsbedürftige Tiere unterbringen könnte. Zum Beispiel aus Zirkusbeschlagnahmungen oder Privathaltungsbeschlagnahmungen.”

Der tierische Horror in den Laboren 

Mit dem dritten und letzten Themenschwerpunkt werden wir im Alltag immer wieder konfrontiert, ohne dass es uns überhaupt bewusst sein mag. Vor allem im Drogeriemarkt. Eigentlich absoluter Luxus, dass wir eine derartige Auswahl an Produkten haben. Aber der Griff zur Lieblingslotion kann auch bedeuten, Tierversuche in Kauf zu nehmen. Obwohl die ja in der EU immerhin im Bereich Kosmetik offiziell seit 2013 verboten sind. Es gibt jedoch laut PETA Regelungen, die das Verbot wieder aushebeln. Mir ist es kürzlich extrem aufgefallen, als ich nach einer Tagescreme mit UV-Schutz in einer riesigen Drogeriefiliale gesucht habe. Beim herkömmlichen Angebot konnte ich nichts finden, von dem ich via einer PETA-Liste sicher war, dass nicht an Tieren getestet wurde. Zum Glück habe ich ganz hinten den Naturkosmetikbereich mit entsprechenden Produkten entdeckt. Aber in solchen Momenten wird noch einmal deutlich, was eigentlich die Norm ist.

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Achtest du beim Kauf von Kosmetik auf Label, die für Produkte ohne Tierversuche stehen?

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Die traurige Wahrheit sieht so aus: Ob Mäuse und Ratten, Schweine, Affen, Katzen oder Hunde – allein in Europa werden jedes Jahr unzählige Tiere gequält, getötet und wie Müll weggeschmissen, auch im Auftrag der medizinischen Forschung. Laut offiziellen Angaben lagen die Versuchszahlen allein 2020 bei 2,5 Millionen Tieren. Manche werden vergiftet oder gelähmt, andere schädlicher Strahlung oder Stromschlägen ausgesetzt, verstümmelt, vergast oder mit Krankheiten infiziert. Und wir sprechen hier von legalen, in manchen Bereichen sogar gesetzlich vorgeschriebenen Experimenten. Hinzu kommt, dass den Tieren jegliche Bedürfniserfüllung entbehrt wird, dass sie eingesperrt sind, kein Tageslicht sehen, unter Stress und Angst leiden, in ihren Käfigen oft massive Langeweile verspüren, die nicht selten zur Selbstverstümmelung oder Verhaltensstörungen führt.

Eigentlich ist sich die Gesellschaft einig, dass kein Lebewesen dieses Schicksal verdient hat. Die Bevölkerung spricht sich gegen Tierversuche aus, doch hinter verschlossenen Türen ist die Qual nach wie vor Alltag. Diese Entwicklung hatte ihren Ursprung in einer Zeit, in der man noch dachte, Tiere hätten keine Gefühle, wie Anne Meinert im Gespräch erklärt. Sie ist Fachreferentin für den Bereich Tierversuche bei PETA Deutschland und kennt die Realität, die sich zum Beispiel in den Laboren der Medikamentenentwicklung abspielt. Aber mit welcher Rechtfertigung? „Es gibt ein Riesenproblem”, findet die Expertin und bezieht sich auf die Medizin. „Nämlich: Wir sind unterschiedliche Tierarten. Unsere Physiologie funktioniert anders. Manche Sachen kann man gar nicht übertragen.”

Tierquälerei erfolgt auch im Auftrag der medizinischen Forschung. Manche Tiere werden vergiftet oder gelähmt, andere schädlicher Strahlung oder Stromschlägen ausgesetzt. Hinzu kommt, dass die Tiere eingesperrt sind, kein Tageslicht sehen, unter Stress und Angst leiden, in ihren Käfigen oft massive Langeweile verspüren, die nicht selten zur Selbstverstümmelung oder Verhaltensstörungen führt. Foto: © PETA Deutschland e.V

Es fällt immer wieder das Argument, dass Tierversuche für die Forschung, für die Heilung von Krankheiten und für die Rettung von Menschen unabdingbar seien. Aber ist das wirklich so? Allein diese Zahl macht nachdenklich: 95 Prozent der neuen Medikamente, die im Tierversuch für wirksam und sicher befunden wurden, kommen niemals auf den Markt. „Im Prinzip ist die Forschung für die Mülltonne”, ist Sabrina Engel, ebenfalls Fachreferentin für den Bereich Tierversuche bei PETA Deutschland, der Meinung. „Wir sind einfach eine unterschiedliche Spezies. Unser Organismus ist ja so komplex, mit so vielen Molekülen und diversen Zellen, dass es so viele Unterschiede gibt. Teilweise kennt man die, teilweise noch nicht. Wenn man dann ein neu entwickeltes Medikament an einer Maus testet, kann das andere Auswirkungen auf sie haben als auf einen Menschen.”

Foto: Sabrina Engel © PETA Deutschland e.V

Die begrenzte Aussagekraft und Übertragbarkeit von Tierversuchen auf den Menschen rücken immer mehr ins Auge der Wissenschaft. Diese Art der Forschung trotzdem weiterhin durchzuführen, hat ihre Kosten auf beiden Seiten. Für Menschen zum Beispiel, wenn als sicher eingestufte Medikamente im Nachhinein aufgrund von starken Nebenwirkungen vom Markt genommen werden müssen. Alternativen sind aber bereits da. „Es gibt kleine Modellorgane aus menschlichen Stammzellen. Es besteht auch die Möglichkeit, verschiedene dieser ,Organs-on-a-chip‘ zu vernetzen, mit dem ultimativen Ziel einen ,Human-on-a-chip‘ zu kreieren. So kann man den menschlichen Organismus im Miniaturformat nachstellen. Man hat auf einem kleinen Chip verschiedene Kämmerchen mit Gefäßen mit einem Kreislaufsystem verbunden. Das ist ein Modell des menschlichen Organismus mit einer menschlichen Leber, mit einer nachgestellten Lunge, mit einem Herzen, das Flüssigkeit durch den Organismus pumpt”, sagt Anne Meinert.

Foto: Anne Meinert © PETA Deutschland e.V

Es sind Zukunftstechnologien, die gerade massiv wachsen – auch vor unserer Nase. Das Berliner Biotechnologieunternehmen TissUse hat eine patentgeschützte „Human-on-a-Chip”- Technologieplattform entwickelt. Laut Website erlaubt sie die direkte Vorhersage der Sicherheit und Wirksamkeit von Substanzen und deren Metaboliten für den Menschen. Ganz ohne Tierleid. Wie erfolgreich das sein kann, zeigt dieses Beispiel: „2005 wurde ein Medikament vom Markt genommen, weil es beim Menschen schädliche Nebenwirkungen hervorrief, die man vorher nicht entdeckt hatte”, erinnert sich Sabrina Engel zurück. „Die Entwickler dieser Multiorganchips haben dieses Medikament, als es schon lange vom Markt war, in ihrem System getestet. Die Aussage ist, dass man die Nebenwirkungen in deren System entdeckt hätte. Damit hätte man die Menschen vor den Schäden schützen können.” Obwohl viele solcher Technologien bereits im Einsatz sind, scheitert es nicht selten an der Politik. „Ein kritischer Schritt wäre auch ein politisches Umdenken, denn ein großer Teil der Tierversuche ist gesetzlich gefordert” , sagt Anne Meinert. Künftig wird es daran liegen, weiter alternative Technologien zu fördern und schnellere Zulassungen zu ermöglichen. Aktuell sind nämlich diverse tierfreie Testmethoden auf Standby, weil ihre Zulassung bis zu 15 Jahre dauern kann.

Das Ende des Tierleids fängt beim Menschen an

Ich verstehe, dass wir Menschen unterschiedliche Meinungen haben und vor allem haben dürfen. Ich akzeptiere, dass wir auch rund um das Tierleid nicht alle auf einen Nenner kommen werden, auch wenn ich es mir wünschen würde. Wo wir uns aber einig sein können, ist, dass keiner von uns mit diesen Tieren in den Massentierhaltungen, Laboren oder Zoos tauschen wollen würde. Und ich denke, das ist eine gute Basis für weitere Gedanken und Diskussionen. Anfangen, häufiger hinzuschauen, und aufhören, weiter schönzureden, führt sicherlich ganz natürlich dazu, moralische Maßstäbe zu überdenken. Und in einem derart fortschrittlichen Umfeld, in dem wir hier in Deutschland leben, gehört das Adaptieren und Neugestalten doch zu unserem Leben dazu.

Es geht hierbei wirklich nicht darum, zu urteilen oder mit dem Finger auf jemanden zu zeigen. Im Gegenteil. Es geht darum, sich selbst bewusst zu werden, welche Mitverantwortung man als Einzelperson trägt und inwiefern der eigene Lebensstil Auswirkungen auf andere Leben, in dem Fall von Tieren, hat. Es beginnt immer mit einem selbst. Und mit der Frage, ob es für mich persönlich ethisch vertretbar ist, für das eigene Wohlbefinden wegzuschauen. Weil Menschen die Wahl haben. Tiere in diesem System nicht. Und das ist doch der Punkt.