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Bild: Tamara Schipchinskaya

Werden wir in Zukunft Parasiten als Beauty Produkte nutzen?

Eine neue Studie legt nahe, dass Menschen, die mit dem Parasiten Toxoplasma gondii infiziert sind, als attraktiver wahrgenommen werden. Wird der Eindringling in Zukunft zum nächsten Beauty-Trend? 

Ein Szenario wie aus einem dystopischen Roman: Stell dir vor, du gehst in einen Beauty-Salon, der auf Therapien mit Parasiten spezialisiert ist. Während kleine Fischchen die tote Haut von deinen Füßen abknabbern, wird dir intravenös ein intrazellulärer Parasitencocktails ins Blut geschleust. Anders als bei den Fischen wird man die Effekte nicht gleich sehen. Aber bei regelmäßiger Anwendung wirst du auf deine Mitmenschen viel attraktiver und gesünder wirken. Ganz ohne Botox und Skalpell. Na, wäre das etwas für dich?

So eine Behandlung gibt es noch nicht. Sie könnte aber vielleicht in Zukunft mithilfe des Parasiten Toxoplasma gondii – dem Meister der Parasiten – möglich sein. 

Eine parasitäre Erfolgsgeschichte?

Der „erfolgreichste Parasit unseres Globus’“, wie er liebevoll von Forscher:innen genannt wird, befindet sich vielleicht in der Hälfte aller Menschen. Schätzungen reichen von 30 bis zu 80 Prozent der Weltbevölkerung. Erfolgreich, weil er vor fast keinem Säugetier als Wirt zurückschreckt, aber nur wenige Wirte klinisch relevante Erkrankungen entwickeln. Ihm wurden Verbindungen zu Schizophrenie, Psychosen, neurologischen Erkrankungen und Verhaltensänderungen bei Tieren und Menschen nachgewiesen. 

Bei Mäusen etwa bewirkt der Parasit, dass sie sich vom Geruch des Katzenurins angezogen fühlen und so ihre angeborene Furcht vor Katzen verlieren – das sogenannte fatale Anziehungsphänomen. So landet T. gondii bei seinem bevorzugtem Endwirt, der Katze. Über Katzenkot oder kontaminiertes Fleisch infiziert T. gondii auch Menschen und kann in ihnen kuriose Verhaltensänderungen bewirken. Der Parasitologe Dr. Jaroslav Flegr fand zum Beispiel heraus, dass infizierte Menschen 2,6 mal häufiger in Autounfälle verwickelt sind. 

Toxoplasma gondii infiziert den Menschen über kontaminiertes Fleisch oder über Katzenkot. Bild: CDC/Alexander J. da Silva, PhD/Melanie Moser/Creative Commons

T. gondii lässt Infizierte attraktiver erscheinen

Bei den meisten Menschen löst T. gondii allerdings keine oder nur leichte Symptome aus. Bisher wurden Komplikationen nur bei immungeschwächten Erwachsenen oder Schwangeren festgestellt. Eine neue explorative Studie hat nun nachgewiesen, dass T. gondii infizierte Menschen attraktiver und gesünder aussehen lässt. Zu diesem Ergebnis kamen die Wissenschaftler:innen basierend auf zwei nicht repräsentativen Befragungen. Dazu wurden 35 infizierte und 178 nicht infizierte Menschen in einer Reihe von subjektiven und objektiven Faktoren miteinander verglichen, wie zum Beispiel selbst wahrgenommene Attraktivität, Anzahl sexueller Partner:innen, BMI oder Gesichtssymmetrie. 

Zudem haben 59 Männer und 146 Frauen Fotos von infizierten und nicht infizierten Menschen in ihrer Attraktivität und scheinbarer Gesundheit bewertet. Die folgenden Fotos repräsentieren das durchschnittliche Gesicht einer infizierten und einer nicht infizierten Person, digital erstellt aus jeweils zehn infizierten bzw. nicht infizierten Gesichtern.

Bei den abgebildeten Menschen handelt es sich nicht um echte Individuen, sondern um jeweils zehn Bildern von echten Menschen, die digital miteinander verschmolzen wurden, um einen Durchschnitt zu bilden. Die links abgebildeten Menschen sind mit Toxoplasmose infiziert, die rechts abgebildeten nicht. Quelle: PeerJ/Universität von Turku.

Das Ergebnis: Infizierte Männer und Frauen wurden als attraktiver und gesünder bewertet als nicht Infizierte. Männer, die mit T. gondii infiziert sind, hatten symmetrischere Gesichter als nicht Infizierte, während infizierte Frauen einen niedrigeren BMI, ebenfalls symmetrischere Gesichter, höhere Werte in selbst wahrgenommener Attraktivität und mehr Sexualpartner:innen als nicht infizierte Frauen hatten. Auch in einer Tierversuchstudie aus dem Jahr 2011 bevorzugten weibliche Ratten diejenigen männlichen Ratten, die mit T. gondii infiziert waren. T. gondii, heißt es in wieder einer anderen Studie aus dem Jahr 2015, führe zu „massiven Veränderungen in den Zellen des Wirts“. 

Aber was hat T. gondii davon, seine Wirte attraktiver erscheinen zu lassen? Die Forscher:innen gehen von evolutionären Gründen aus: der Hypothese nach kommen attraktive Menschen (oder eben Tiere) mit mehr Menschen in Kontakt, somit hat T. gondii bessere Chancen, sich zu verbreiten. Die Forscher:innen schließen nicht aus, dass die Beziehung zwischen T. gondii und seinen Wirten eine rein symbiotische und somit ungefährliche Beziehung ist: So wären kuriose Nebenwirkungen wie veränderte Hormonspiegel oder Aussehen das Ergebnis koevolutionärer Strategien, die „T. gondii nutzen und dem Wirt nicht schaden“, heißt es in der Studie, die im März bei Peer J erschien.

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Beauty Geheimnis T. gondii

Wäre es also sehr abwegig, dass T. gondii in naher Zukunft – angelehnt an die neuesten Befunde über den Parasiten – zu einem Beautyprodukt wird? Was, wenn der Parasit noch viel mehr versteckte Vorteile hat, denen wir uns nicht bewusst sind? Während auf TikTok Tutorials zu „Parasitenreinigungen“ kursieren und Menschen versuchen, mithilfe von Papayasamen Parasiten loszuwerden, könnten die neuesten Befunde über T. gondii eher dazu führen, dass Menschen sich freiwillig Parasiten zuführen, um attraktiver auszusehen. 

Genauso denkbar wäre eine Industrie, die aus den Vorteilen parasitärer Befälle ein Geschäft macht. So könnten beispielsweise Parasiten zu medizinischen oder kosmetischen Zwecken gezüchtet und verkauft werden. Es wäre nicht das erste Mal, dass in der Medizin oder der Beauty-Industrie auf lebende Organismen zurückgegriffen wird, um Aussehen oder Wohlbefinden zu manipulieren: Solche Herangehensweisen sind aus der Blutegeltherapie oder dem Schneckenschleim-Facial bereits bekannt.

Sogenannte “Snail Facials” – Gesichtsbehandlungen mit Schnecken – haben längst die Beautyindustrie erobert. Bild: ASEAN Secretariat/Creative Commons

Forscher:innen weisen schon lange auf die positiven Effekte von Parasiten hin. Sie wirken als Immun-Booster, könne heilende Wirkungen auf Allergien, Autoimmunerkrankungen und sogar Multiple Sklerosis haben. Alle Organismen auf diesem Planeten sind nachweislich durch symbiotischen Beziehungen miteinander verbunden und in gewisser Weise auch voneinander abhängig. Insofern sind Parasiten nicht per se schlecht oder gefährlich für den Menschen. Im Gegenteil: Viele Parasitenbefälle bergen gesundheitliche Vorteile. Damit T. gondiis Vorteile guten Gewissens genutzt werden können, muss aber zunächst mehr über die Funktionsweisen des Parasiten herausgefunden werden. Eine freiwillige Ansteckung für den Beauty-Boost ist also nicht empfehlenswert.