Die Fotografin Yufan Lu demonstriert durch ihr kontroverses Kunstprojekt, zu welchem Extrem sich die Schönheitsindustrie in China entwickelt hat. Von einer, die sich auflehnt.
Eine schmalere Nase, eine höhere Wangenpartie – sein Gesicht zu verändern gehört in China mittlerweile zum guten Ton. Noch vor 20 Jahren war die dort ansässige Schönheitsindustrie kaum präsent, jetzt wächst sie in einem alarmierenden Tempo. China zählt jährlich knapp 10,7 Millionen Schönheitsoperationen, wobei mehr als die Hälfte der Patienten unter 30 Jahre alt ist. Eine einzelne chinesische Klinik operiert täglich zwischen 200 bis 300 Patientinnen, die fast den selben Wunsch äußern: “European Style, bitte!”.
Die chinesische Fotografin Yufan Lu wird seit ihrer Jugend von den Überlegungen ihrer Freundinnen begleitet, sich für ein fast unerreichbares Schönheitsideal für viel Geld unters Messer zu legen. Entschlossen brachte Yufan Lu 2018 nun ihre Kamera zum Einsatz, um einen Blick hinter die Denkprozesse der Chirurgen und der verzweifelten Patientinnen zu werfen.
Für ihr Projekt “Make Me Beautiful” fertigte Sie ein Selbstporträt an und schickt dieses an dutzende Schönheitschirurgen, um zu sehen, zu welchen Veränderungen sie ihr raten würden. Es ergibt sich ein breit gefächerter Strauss an Verbesserungsvorschlägen. Einige schlagen eher subtilere Eingriffe vor, andere bedecken ihr Gesicht geradezu mit Veränderungsvorschlägen. Ihr Projekt wird ebenfalls durch Bilder anderer Frauen ergänzt, die ihr Gesicht haben verändern lassen. Diese hat Yufan mit eigenen Anmerkungen versehen oder auch zerschnitten und symbolisch wieder zusammengefügt. Die Chirurgen verteidigten die Korrekturen auf dem eingeschickten Foto durch wissenschaftliche Theorien, wie dem Goldenen Schnitt. Ihrer Meinung nach sollte das Erscheinungsbild auf eine gewisse Art verändert werden, die wissenschaftlich nachgewiesen bei unseren Mitmenschen besser ankommt.
Die Entblößung der chinesischen Schönheitschirurgie
Dabei stößt sie nicht nur auf unwahrscheinliche Versprechen der Schönheitschirurgen, sondern auch auf Angebote, Mittel in ihr Gesicht zu injizieren, die in China verboten sind. Schönheit für jeden Preis? “Diese Bilder wirken jetzt auf mich, wie Fotos von einer Toten. Wenn ich sie ansehe, bekomme ich ein Gefühl dafür, was verloren ging”, sagt Yufan dem Magazin Wepresent über ihre vermeintlich verbesserten Selbstportraits. Durch ihr Projekt “Make Me Beautiful” versucht sie den Irrsinn einer komplexen Industrie für sich und uns aufzudecken. Eine Industrie, deren bloße Existenz und Erfolg einige beunruhigende Trends unserer modernen Gesellschaft aufzeigt.
Was hat das Projekt mit Yufan gemacht? Auch nach all den Verbesserungsvorschlägen, die sie einstecken musste, würde sie sich für kein Geld der Welt fremden Standards anpassen lassen. Den in Schönheit zu investieren lohnt sich in den meisten Fällen nicht, wie die Ökonomin Soohyung Lee untersucht hat. Yufan weiß nun, wie sie in den Augen der Schönheitsindustrie aussehen müsste und entscheidet sich letztlich dafür, sie selbst zu bleiben und andere Frauen durch ihr Projekt auf die Profitgier der Industrie aufmerksam zu werden. Schlussendlich bemerkt Yufan ganz richtig: “Anstatt jene zu verurteilen, die sich für eine Schönheitsoperation entscheiden, sollten wir uns lieber bewusst machen, was unsere Gesellschaft an diesen Punkt gebracht hat.”
Mehr über das Business der Schönheitsindustrie findest du in unserem Kompendium Business of Beauty.