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Foto: Marcus Simaitis

Wirtschaftsmedien verantwortlich und nachhaltig führen – Interview mit Sven Afhüppe

Wie schafft es ein tradiertes Wirtschaftsmedium wie das Handelsblatt immer auf dem letzten Stand zu bleiben? Indem es immer auf die Bedürfnisse seiner Leser achtet und mit ihnen das Medium weiterentwickelt.

Zeitungen sind tot, hallt es durch die Medienwelt. Aber Totgeglaubte wissen sich zu helfen. So ist es zumindest beim Handelsblatt, der Deutschen Wirtschaftszeitung, die neben ihren Print-Abonnenten mittlerweile genauso viele Digital-Abonnenten mit News rund um die Wirtschaft und Finanzwelt versorgt. Beim Finanzmarktforum der Deutschen Bank in Köln durften wir nach der Veranstaltung mit Handelsblatt-Chefredakteur Sven Afhüppe über die Verantwortung von Wirtschaft und Presse in unruhigen Zeiten sprechen.

Wenn Sie morgens aufstehen, welches Medium lesen Sie als erstes?

Sven Afhüppe: Ich habe meistens schon vor dem Frühstück die ersten Nachrichten gelesen und meistens ist es das Handelsblatt Morning Briefing. Manchmal schreibe ich es selber, manchmal ein Kollege und ja, das ist mein erster kleiner „wake-up call“ und dann geht’s weiter mit den digitalen Kanälen: Spiegel Online, Washington Post, New York Times und damit versuche ich mir einen kleinen Überblick der Weltlage zu verschaffen.

“Auch das Handelsblatt will natürlich, dass wir viele junge Leute zu unserer Marke bekommen.” Foto: Marcus Simaitis

Das Handelsblatt ist ein eher traditionelles Wirtschaftsmagazin. Gibt es auch Formate, wo Sie sagen, das haben wir extra neu gemacht für junge und neue Leser, die eigentlich mit der Marke Handelsblatt bisher noch gar nicht in Berührung gekommen sind?

Foto: Marcus Simaitis

Ja, auch das Handelsblatt will natürlich, dass wir viele junge Leute zu unserer Marke bekommen und wir haben ein eigenes, kleines Format Handelsblatt Orange seit zwei Jahren von jungen Leuten für junge Leser entwickelt. Das ist ein Team von mehreren Redakteuren bei uns in der Zentrale, aber mit ganz vielen Schreibern draußen in der Welt. So hoffen wir, dass wir nicht nur für junge Leute Wirtschaft und Politik interessant erklären und aufbereiten, sondern auch die Leser zum Handelsblatt bringen.

Wir hatten heute ganz viel über Trends auf dem internationalen Finanzmarkt gesprochen. Da kamen ja immer diese „Buzzwords“ Kryptowährung, Blockchain: Das ist ja gerade in den Medien wahnsinnig präsent. Gibt es Themen oder Trends, wo Sie sagen: Die sind in den Medien nicht präsent, aber sollten viel mehr besprochen werden?

Ja, also Kryptowährungen waren jetzt wegen des ganzen Hypes intensiv in den Medien. Jetzt ebbt das wieder ab. Das ist auch typisch Journalismus: Wir sind immer dann aktiv, wenn es irgendwo brennt. Kryptowährungen gehören dazu. Ich finde KI ist so ein Thema, was wir viel intensiver verfolgen müssen, was da in der Welt passiert, welche Unternehmen in welchen Bereichen KI zum Einsatz bringen, was auch neuronale Forschung angeht. Ich glaube, dass gerade die digitale Welt sich extrem in diesem Medizinbereich auswirken wird, Messungen von unseren Gehirnströmen usw.. Das finde ich super spannend und ich finde die Unternehmen toll, die da aktiv sind.

Wie verändert sich damit der Kommunikationsfluss in der Finanzbranche? Erhalten Sie jetzt schneller Informationen und wie verändert sich dadurch Ihre Arbeit?

Foto: Marcus Simaitis

Die Digitalisierung verändert alles, auch bei uns. Ich mein, wir sehen, dass jetzt schon fast jeder Zweite unserer Abonnenten und Leser ein Digitalkunde ist: Keiner mehr, der die klassische Zeitung abonniert, sondern ein Digital-Abonnent und das wird sich weiterentwickeln, weil sich die Nutzer einfach ändern und sagen: Ich will nicht mehr nur mit Bargeld bezahlen. Ich will nicht mehr nur eine Printzeitung haben. Also der Mensch, der Kunde verändert eigentlich unser Geschäftsmodell und darauf versuchen wir Antworten zu geben und uns anzupassen – möglichst gut.

Jetzt haben Sie auch im Gespräch gesagt, dass neben den positiven Entwicklungen in den Schwellenländern auch eine Kehrtwende bzw. ein Aufkommen vieler totalitärer Regime auch in Europa zu beobachten und die politische Entwicklung dieser bedenklich ist. Finden Sie, dass die Finanzbranche, das Wirtschaftswesen und natürlich auch das Handelsblatt etwas dagegen tun kann?

Ich glaube, wir Medien, aber auch die CEOs in Deutschland und in Europa haben eine riesige Aufgabe, die Menschen davon zu überzeugen, dass eine liberale Gesellschaftsordnung, eine liberale Weltordnung mit viel Offenheit, mit viel Zulassung von anderen Meinungen, Meinungsfreiheit, extrem wichtig ist. Wenn ich sehe, wie es in anderen Ländern in Europa darum bestellt ist oder auch weltweit … Das macht einen traurig oder auch wütend. Wir brauchen Meinungsfreiheit, wir brauchen Offenheit gegenüber neuen Technologien, wir brauchen Offenheit gegenüber anderen Kulturen. Mehr zuhören, mehr diskutieren. Ich glaube, so schafft man es, dass neue Technologien zum Durchbruch kommen. Die Chancen stärker bei neuen Entwicklungen sehen als die Risiken. Das fällt uns Europäern schwerer als den Amerikanern und teilweise auch als den Asiaten. Da haben wir Medien eine wichtige Aufgabe, aber auch CEOs, die mutig vorangehen müssen und sagen, warum Digitalisierung auch Chancen bringt und nicht nur Arbeitsplätze vernichtet.

“Wenn ich sehe, wie es in anderen Ländern in Europa darum bestellt ist oder auch weltweit … Das macht einen traurig oder auch wütend.” Foto: Marcus Simaitis

Wenn wir nun einen Blick in die Vergangenheit werfen, gibt es da etwas, was Sie vielleicht vermissen aus Ihrer pre-digitalen Arbeit? Es kann auch nur eine Kleinigkeit aus Ihrem Alltag sein, wo Sie sagen würden: Wenn es das Internet jetzt nicht gäbe, dann würde ich das genießen.

Also ich glaube, ich würde es irgendwann vermissen, wenn Autos wirklich nur noch autonom fahren. Ich fahre nicht viel Auto, aber wenn ich Auto fahre, dann liebe ich es, selber zu fahren und das ist eine Besonderheit der Fortbewegung des selbstbestimmten „sich von A nach B bewegen“. Wenn das alles irgendwann Maschinen machen, Algorithmen und Computer – wahrscheinlich viel besser, mit weniger Unfällen – das ist der große Vorteil, aber mir wird was fehlen. Ob man dann irgendwie als Ausgleich auf einer Rennstrecke einfach selber fahren kann, wenn es nirgendwo anders mehr geht, keine Ahnung, aber ich glaube, das würde mir echt fehlen.

Vielen Dank fürs Gespräch!