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Foto: Los muertos Crew

Auf TikTok können Tiere sprechen – was sagt die Forschung dazu?

Auf TikTok oder Instagram trenden derzeit Videos von Haustieren, die angeblich sprechen können. Mit bunten Knöpfen reihen sie Wörter aneinander und zeigen ihren Besitzer*innen, was sie (angeblich) möchten. Können wir bald wirklich mit unseren Vierbeinern sprechen? Und was sagt die Forschung dazu?

 

photo of man hugging tan dog

Der Wunsch, mit Vierbeinern kommunizieren zu können, ist riesig. Schon seit Jahrzehnten versuchen Forscher*innen sich mit Tieren auf verschiedene Weise auszutauschen. Bild: Eric Ward @ericjamesward

„Sitz! Platz! Nein! Bleib!” Wer selbst ein Haustier besitzt, redet sich manchmal um Kopf und Kragen, damit der eigene Vierbeiner macht, was man möchte. Wäre es da nicht eine wahre Erleichterung zu wissen, wo der Schuh drückt? Hunger? Schmerzen? Oder möchte Bello einfach nur ein bisschen kuscheln? Der Wunsch, mit Vierbeinern kommunizieren zu können, ist riesig. Schon seit Jahrzehnten versuchen Forscher*innen sich mit Tieren auf verschiedene Weise auszutauschen. Der letzte Trend sind Videos auf Instagram und TikTok, in denen Hunde und Katzen über Applikationen wie Apps oder Knopfapparaturen mit ihren Besitzer*innen kommunizieren. Was sagt die Wissenschaft zu diesem Trend? Können wir in der Zukunft tatsächlich mit unseren Haustieren eine gemeinsame Sprache sprechen?

Zeichensprache und andere Experimente

In den vergangenen Jahrzehnten gab es immer wieder Versuche von Wissenschaftler*innen, mit Tieren zu kommunizieren und ihnen unsere Sprache beizubringen. Dabei erlangten einzelne Tiere Berühmtheit für ihre anscheinende Fähigkeit, die menschliche Sprache zu beherrschen. Vögel, Wale, Pferde, Affen oder auch Hunde haben in unterschiedlichen Experimenten außerordentliche Ergebnisse erzielt, die die Menschen daran glauben ließen, dass eine Kommunikation zwischen Mensch und Tier möglich sei.

So konnte Graupapagei N’kisi 950 Wörter im richtigen Zusammenhang verwenden, war in der Lage, Sätze zu bilden und verstand angeblich sogar das Konzept der grammatikalischen Zeitform. Der Bonobo Kanzi hat sich Hunderte von Symbolen auf einer speziellen Tastatur gemerkt und Gorilla Koko konnte mit Gebärden der amerikanischen Zeichensprache (ASL) kommunizieren. Eines der wohl spektakulärsten Fallbeispiele des 20. Jahrhunderts war jedoch das Pferd Clever Hans aus Berlin, das Antworten auf einfache Matheaufgaben mit dem Auftreten der Hufe geben konnte.

Das spektakulärste Fallbeispiel eines sprechenden Tieres im 20. Jahrhundert war das Pferd Kluger Hans aus Berlin. Mit dem Auftreten der Hufe gab es Antworten auf einfache Matheaufgaben. Wilhelm von Osten mit seinem Pferd Kluger Hans, Bild: Wikipedia

Was zunächst die Welt in Atem hielt, wurde jedoch schnell von Wissenschaftler*innen widerlegt. Im Falle von Clever Hans gab der Besitzer dem Pferd entsprechende Hinweise zu den Antworten auf die Aufgaben. Verhaltensforscher*innen sprechen seitdem von dem “Clever-Hans-Effekt“, wenn bewusst oder unbewusst auf das Verhalten der Tiere Einfluss genommen wird. Aber auch im Fall von Affe Koko und anderen „sprechenden” Tieren ist die Auslegung der Sprechversuche abhängig von den Beobachter*innen bzw. Halter*innen. Wenn Koko also Wörter wie „Nippel” unzusammenhängend produzierte, wurde dies oft als Albernheit abgetan und solange weiter gemacht, bis die richtigen Zeichen verwendet wurden. Es konnte daher nie eindeutig empirisch festgestellt werden, dass die Tiere die Zeichen und Wörter dahinter tatsächlich verstanden. Affe Koko konnte also das Zeichen für Liebe verwenden, doch kann ein Tier das Konzept von Liebe auch begreifen?

Lost in Translation

Viele Wissenschaftler*innen glauben nicht, dass Tiere solche komplexen Informationen und Konzepte verstehen. Das ist einer von vielen Unterschieden zwischen menschlicher und tierischer Kommunikation. Tierische Laute sind in der Regel begrenzt, es gibt nur eine überschaubare Anzahl an Rufen und Schreien, die von den jeweiligen Tierarten verwendet wird. Für Menschen hingegen gibt es unendlich viele Möglichkeiten, Laute, Wörter und Sätze zu kombinieren. Die menschliche Sprache entwickelt sich zudem ständig weiter.

Menschen können über reale oder imaginäre Situationen, Orte oder Objekte sprechen, die weit von ihrer gegenwärtigen Umgebung und Zeit entfernt sind. Tiere hingegen kommunizieren in der Regel als Reaktion auf einen Reiz in ihrer unmittelbaren Umgebung, z. B. Nahrung oder Gefahr. Menschliche Sprache baut auf ein komplexes System aus kulturellen und gesellschaftlichen Referenzen auf, das sich nicht einfach auf die Tierwelt übertragen lässt. Ein Hund versteht zum Beispiel nicht die gesellschaftlichen Implikationen und Erwartungen von Liebe, die über reine Emotionen hinausgehen.

Aus diesem Grund ist die Kommunikation mit unseren Vierbeinern nicht immer unkompliziert. Oft gehen unsere Absichten in der Übersetzung verloren. Die Anwendung „MeowTalk App“ verspricht daher etwas Unmögliches: Katzenmaunzen in menschliche Sprache umzuwandeln. Durch maschinelles Lernen soll die App nach einiger Zeit akkurat den Kommunikationswunsch des eigenen Tieres ablesen können. Hierfür nehmen die Halter*innen die Laute ihrer Katze auf und versehen sie in der App mit einem Label. Das Problem dabei: Wie auch schon bei Affe Koko ist die Interpretation von Herrchen und Frauchen abhängig. So könnte ein bestimmter Laut beispielsweise als Zuneigung interpretiert werden (in der App wird es unter „I’m in love!” gespeichert), weil die Katze sich streicheln lässt oder Aufmerksamkeit sucht – oder weil wir es gerne so interpretieren wollen. Doch was, wenn unser Vierbeiner eigentlich etwas ganz anderes wollte?

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Eine gemeinsame Sprache finden

 

Einige Wissenschaftler*innen setzen darauf, eine gemeinsame Sprache zu finden und nicht zu übersetzen. In einer Studie des Tierspielzeugherstellers CleverPet mit dem Namen „They Can Talk” versuchen derzeit über 2500 Teilnehmer*innen mit ihren Hunden genau so eine gemeinsame Sprache zu erlernen. Dabei kommunizieren sie über eine auf dem Boden befestigte Apparatur mit Knöpfen, die der Hund drücken muss, um Wörter wiederzugeben. Schritt für Schritt werden Knöpfe hinzugefügt und neue Konzepte vorgestellt. Online kann man sich und seinen Hund einfach über ein Formular für die Studie anmelden. Alles, was man braucht, sind die „voice buttons”, die mittlerweile von verschiedenen Herstellern angeboten werden. Die Kosten liegen hierbei zwischen 30 und 200 Dollar. Auf TikTok und Instagram kursiert daher mittlerweile eine Vielzahl an Videos, in denen Hunde teilweise unfassbare Dinge kommunizieren. Ein prominentes Beispiel ist Bunny the talking dog.

Besitzerin Alexis Devine dokumentiert alle Sprechversuche Bunnys im Rahmen der „They Can Talk“-Studie und erlangte in den letzten Jahren auf TikTok eine große Followerschaft: Mittlerweile verfolgen 7 Millionen Menschen die Sprechversuche von Bunny. Mit ihren zwei Jahren hat Bunny laut Devine bereits ca. 100 Wörter gelernt und kann Sätze aus bis zu vier Wörtern bilden. In einem Video drückt Bunny wiederholt die Knöpfe für Pfote und Fremder (paw / stranger) und zeigt Alexis am Ende, dass sie einen Fuchsschwanz in der Pfote stecken hat. Bunny scheint damit verstanden zu haben, was Pfote bedeutet und wendet es gezielt an, um um Hilfe zu bitten. Gemeinsam mit Alexis scheint sie so eine gemeinsame Sprache gefunden zu haben, die beide nutzen können.

Sind wir bald alle Dr. Doolittle?

Devine sieht den Kommunikationserfolg jedoch kritisch. Sie gibt offen zu, dass viele Kommunikationsversuche von Bunny zufällig erscheinen und von ihr großzügig interpretiert werden. Für Instagram und TikTok schneidet sie die Videos entsprechend zu oder ändert die Geschwindigkeit, damit sie ins Format passen, denn die Aufnahmen ziehen sich teilweise über Stunden. Sie betont, dass sie nie etwas beschönigen oder manipulieren würde. Doch sie könne auch nicht ausschließen, dass es sich bei den meisten Kommunikationsversuchen bloß um eine zufällige Anwendung des Geräts handelt. Auch andere Forscher*innen zeigen sich skeptisch. In einem Artikel der Washington Post aus dem Jahr 2021 erklärt Clive Wynne, Gründungsdirektor des „Canine Science Collaboratory“ an der Arizona State University, dass es sich um einfaches Konditionierungsverhalten handelt: „Der Hund bildet eine Assoziation zwischen einer Handlung und einem Ergebnis, das er sich wünscht.” Doch viele Teilnehmer*innen der Studie sind überzeugt: Ihr Hund versteht sie. Frederico Rossano, Direktor des „Comparative Cognition Lab“ an der UC San Diego, arbeitet seit dem Erfolg von Bunny an einem ähnlichen Projekt, um wissenschaftlich festzustellen, ob Tiere tatsächlich menschliche Sprache zur Kommunikation nutzen können.

Im Winter 2021 wurden im Rahmen der „They Can Talk“-Studie kontrollierte Experimente zu Hause durchgeführt, um zu schauen, ob sich die Ergebnisse wiederholen lassen oder ob es sich doch nur um den oben beschriebenen Clever-Hans-Effekt handelt. Sollten die Kommunikationsversuche von Bunny und Co. jedoch reproduzierbar und empirisch nachweisbar sein, wäre das ein bahnbrechender Erfolg für die Tierkommunikationsforschung. Vielleicht können wir dann endlich herausfinden, was unsere Vierbeiner über uns denken.