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Foto: Alfonso Scarpa

Beats in der Blockchain – Zukunft des Musikbusiness?

Die Blockchain-Technologie verspricht eine geordnete Rechteverwertung und Transparenz im Musikbusiness – und damit nicht zuletzt eine Demokratisierung von Musik. Kann sie das schaffen?

2017 wurde nicht nur ein ziemlicher Hype um Blockchain gemacht, es wurde vor allem reichlich investiert: Weltweit versuchten Investoren mit einem Volumen von insgesamt  1,3 Milliarden US-Dollar auf den Blockchain-Zug aufzuspringen.

Auch einige Start-ups wie Dot Blockchain und Projekte wie resonate experimentieren mit neuen Konzepten, um damit die Musikindustrie aufzumischen. Selbst Prominente wie der Rapper Pitbull brennen für das Thema und organisieren mit Leidenschaft sogar ihre eigenen Hackathons. Aber warum ist Blockchain für die Musikindustrie überhaupt so interessant?

Das Blockchain-Prinzip

Das der Blockchain-Technologie zugrunde liegende Prinzip ist ein dezentrales Akten-Register, in dem alles Festgehaltene nicht im Nachhinein verändert oder rückdatiert werden kann. Das Konzept dazu stammt ursprünglich von den Kryptografen Stuart Haber und W. Scott Stornetta, die Anfang der 1990er Jahre den Grundstein dafür legten. 2008 kam dann Satoshi Nakamoto. Bis heute weiß keiner, wer sich hinter dem Namen verbirgt, aber diese Person – oder diese Gruppe – entwickelte mit Bitcoin eine Kryptowährung, die als Peer-to-Peer-Zahlungsmittel auf der Blockchain-Technologie aufsetzt.

 

Transparenz statt Dirty Money

Beides zusammen, die Technologie und eine Peer-to-Peer-Währung, könnten das angestammte Musikgeschäft mit einer übergreifenden Rechteverwertung und vor allem Transparenz neu aufmischen. Denn genau da hapert es heute im Business. Barbara Hallama hat jahrelang bei verschiedenen Labels, Musik-Diensten und -portalen gearbeitet und als DJ aufgelegt. Die heutige Product Ownerin sagt dazu:

Musik-Expertin Barbara Hallama

„Bei den Lizensierungsgeschichten ist heutzutage ziemlich schwammig wer was macht und wie die Verträge angelegt sind.“

Und Dot Blockchain-Gründer Benji Rogers und Blockchain-Advokat für Musik erklärte neulich in einem Interview : „Die Musikindustrie hat kein Datenproblem. Sie hat kein Distributionsproblem. Sie hat kein Konsumentenproblem. Sie hat ein Problem mit ihren Assets.“

Er erklärt weiter: „Deswegen könne sie [die Musikindustrie] ihre eigenen Assets nicht kontrollieren, da sie keine Möglichkeit habe, die Zugriffsrechte und Verpflichtungen in ihre Assets einzuschreiben.“

Mit seinem Start-up Dot Blockchain will Benji Rogers ein eigenes Datei-Format für Musikstücke anbieten, das sämtliche Metadaten diesbezüglich, wie Urheber, Rechteinhaber und Lizenzierungsoptionen, einprogrammiert hat. Festgeschrieben sind die Daten dezentral in der Blockchain. Werden Informationen darin geändert, ändern sich diese automatisch auch in den Metadaten von jedem Track. Wenn nun jedes Musikstück in diesem Datei-Format erhältlich wäre, so Rogers, könnte man jeden Track mit einer Entwicklerlizenz versehen. Jedes Mal, wenn anschließend ein Track abgespielt würde, wäre dies in der Blockchain erfasst und gezählt, so dass jede Nutzung komplett nachvollziehbar wäre.

Die Globalisierung des Beat-Business

Mit seiner Idee der Metadaten für Tracks steht Rogers nicht alleine da: Andere Start-ups wie Ujo oder Mycelia entwickeln ähnliche – eigene – Datei-Formate.

Dafür müssten aber alle Akteure mitmachen. Musik-Expertin Barbara Hallama kommentiert: „Dieses Prinzip würde global nur funktionieren, wenn alle mitmachen würden: Das heißt auch die Major-Musiklabel müssten anfangen, eine Blockchain für Musik-Tracks zu nutzen. Allerdings: Bei Blockchain geht es um absolute Transparenz – deshalb haben die Majors auch Angst davor.“ Dann würde bei der Lizenzierung nämlich für alle offen ersichtlich, wer nun wie viel Geld von wem bekommt.

Kooperativen steigen ins Geschäft ein

Ein Service geht da noch weiter mit der Transparenz: resonate aus Berlin ist ein Streamingdienst für Musik, der seine Tracks per „Stream2own“ mithilfe der Blockchain anbietet. Darüber hinaus ist resonate kein Start-up im klassischen Sinne, sondern eine Kooperative, die alle wichtigen Entscheidungen in der Gruppe gemeinsam trifft. Das Team ist der Meinung, so heißt es auf der Webseite, dass ein Monats-Abo bei einem herkömmlichen Streamingdienst für den Künstler nicht nützlich ist. Stream2own bedeutet, die User bezahlen jedes Mal nur einen Bruchteil, wenn sie einen Song anhören. Nach mehrmaligem Anhören gehört ihnen der Track dann auch. Damit möchte resonate das „Bandcamp für Streaming“ werden und damit vor allem Indie-Künstlern zu mehr Unabhängigkeit verhelfen.

Fragmentierung des Marktes

Stewart Walker arbeitet bei Native Instruments

Stewart Walker, Sounddesigner bei der Musik-Softwareschmiede Native Instruments in Berlin, sieht eher das Gegenteil:

„Streaming mit Blockchain ist mehr eine Konkurrenz zu Bandcamp, weil es eine Plattform sein will, die Künstler unterstützt. Die Majors werden sich nicht dafür interessieren, solange eine Plattform keine ernsthafte Konkurrenz für Spotify ist. Denn Spotify verkörpert das raffinierte Business-Model, dass der Dienst die Majors für sich durch Aktienanteile gewinnt, die nicht mit den Künstlern geteilt werden müssen.”

Walker fährt fort: „Das Streamen mit Blockchain wird eine größere Fragmentierung eines bereits fragmentierten Marktes schaffen. Wenn ich mir den Blockchain-Währungsmarkt anschaue, dann sehe ich da keine Einheit. Es herrscht ‘survival of the fittest’ und der größte Raubfisch wird seine Konkurrenz auffressen. Die Blockchain-Technologie könnte jedoch mehr Transparenz schaffen: Sie könnte von Nutzen sein, indem sie in einen größeren Service wie YouTube integriert wird und ein User ein Album eines Künstlers hochlädt und dann mit ‘pay per view’ verdient.”

 

Ein steiniger Weg zur Freiheit

„Das etablierte System wird sich sicherlich mit Hand und Fuß gegen die Erneuerung wehren – die Verwertungsgesellschaften und großen Plattenlabels profitieren momentan einfach zu sehr vom systematischen Betrug an den Künstlern.” Patrice Bäumel, DJ und Produzent

Patrice Bäumel , DJ und Produzent unter anderem beim Kölner Elektronik-Label Kompakt, sieht das ganz ähnlich: „Die Industrie wird sich übergreifend auf einen Standard einigen müssen. Ich erwarte, dass es ähnlich wie bei den Videoformaten Betamax und VHS erst zu einem Konkurrenzkampf verschiedener Blockchain-Projekte kommen wird, bevor sich eine Lösung marktübergreifend durchsetzen wird. Des Weiteren wird sich das etablierte System sicherlich mit Hand und Fuß gegen die Erneuerung wehren – die Verwertungsgesellschaften und großen Plattenlabels profitieren momentan einfach zu sehr vom systematischen Betrug an den Künstlern. Wichtig wird es sein, dass Künstler weltweit an einem Strang ziehen und sich große Musikprovider wie Spotify, Apple Music und YouTube auf ihre Seite stellen. Das wird ein steiniger Weg.”

„Die Industrie wird sich übergreifend auf einen Standard einigen müssen”

Und genau auf die eine marktübergreifende Lösung kommt es an, auf die sich alle Beteiligten einigen können. Patrice Bäumel kommentiert: „Durchsetzen wird sich das System, welches industrieübergreifend akzeptiert wird. Das kann nur mit fairen Spielregeln für alle und einer reibungslosen und einfachen technischen Umsetzung geschehen. Was wir brauchen, ist nicht irgendeine neue Coin oder ein neues Token, sondern ein neutrales Protokoll, ähnlich wie das TCP/IP-Protokoll, auf dem unser Internet aufgebaut ist. Dieses Protokoll muss über Musik hinausreichen, es muss auch die Verwertung anderer digitaler Contents ermöglichen, wie zum Beispiel Fotos, Videos, Artikel oder E-Books. Die Tragweite einer großen Vision ist geradezu revolutionär – und könnte der Motor sein, der eine Explosion und Kreativität im digitalen Sektor verursachen würde. Wir stecken aber noch in den Kinderschuhen und ich denke nicht, dass eine der aktuell bestehenden Initiativen die finale Lösung sein wird.”

Demokratisierung der Musik

Bis dahin hat sich wenigstens schon einiges in die richtige Richtung bewegt. Barbara Hallama sieht das positiv: „Wir erfahren bereits heute eine Demokratisierung der Musik: Indie-Labels sind wieder auf dem Vormarsch, Künstler promoten sich selbst und sind nicht mehr bei den Majors unter Vertrag. Ein Künstler kann heute einen Track produzieren und diesen über Bandcamp verkaufen. Das geht innerhalb von zwei Stunden.“

Der Stream2own-Dienst resonate verspricht also tatsächlich eine unabhängige Zukunft mit Blockchain, auf die viele Künstler gewartet haben. Sofern es den Machern gelingt, die großen Player auf seine Seite zu bringen. Wenn nicht wird der Blockchain-Beat bald abklingen und vielleicht einem neuen Trend Platz am Mischpult machen.