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Prof. Dr. Andranik Tumasjan auf dem Ethereum Camp, Image courtesy of DLT Camp and 21 Digital

Bitcoin & Co. – steht eine Revolution des Finanzsystems bevor?

Bitcoin und Blockchain sind in aller Munde, doch nur wenige haben sich mit ihnen wirklich auseinandergesetzt. Im Gespräch mit dem Blockchain-Experten Prof. Dr. Tumasjan haben wir nicht nur Buzzword-Bingo gespielt, sondern die Essenz virtueller Währungen zum ersten Mal richtig erfasst.

Foto: Prof. Dr. Andranik Tumasjan

Als der Bitcoinkurs noch – scheinbar unaufhörlich – nach oben schoss und schon an der 20.000 Dollarmarke kratzte, war das Medienecho gewaltig, zum Teil hysterisch. Immer wieder im Gespräch: die Blockchain. Doch was ist das eigentlich und was hat es mit Kryptowährungen zu tun?

Prof. Dr. Andranik Tumasjan von der Johannes Gutenberg-Universität Mainz, dessen Forschungsschwerpunkt auf der Blockchain-Technologie liegt, lichtet den dunklen Nebel der Unwissenheit und erklärt uns die Vorteile, Potenziale, aber auch Grenzen von Blockchain und Kryptowährungen.

Tumasjan forscht allerdings nicht nur zum Thema Blockchain und zu möglichen Geschäftsmodellen. In dem von ihm mitgegründeten „Ethereum Camp“, der dieses Jahr in der Blogfabrik stattfand, werden junge Programmierer und Betriebswirtschaftler bei der Erstellung eines blockchainbasierten Geschäftsmodells unterstützt. Da trifft Gründergeist auf technische Genialität.

Das “Ethereum Camp”, von Tumasjan co-gegründet, fand 2018 in der Blogfabrik statt. Image courtesy of DLT Camp and 21 Digital

Bitcoin und Co. sind aktuell die Buzzwords der Finanzwelt. Viele schmeißen da mit Begriffen um sich, ohne genau zu verstehen, was sie bedeuten. Aus deiner Expertensicht: Was ist eine Kryptowährung?

Eine Kryptowährung, beispielsweise Bitcoin, ist ein digitales Zahlungs- oder Wertaufbewahrungsmittel, das Finanztransaktionen ohne zentrale Instanzen ermöglichen soll. Der Begriff „Währung“ ist in diesem Zusammenhang natürlich umstritten. Es gibt bei Kryptowährungen oft keinen intrinsischen Wert. Was den Wert ausmacht, ist, dass es ein rares Gut ist – manche Investoren sehen dies analog zu Gold. Alternativ können Kryptowährungen auch mit realen Assets hinterlegt sein, wie beispielsweise Tether, der nach eigenen Angaben mit US-Dollar gesichert ist.

Die initiale Idee hinter Bitcoin und vielen nachfolgenden Kryptowährungen war, dass keine herkömmlichen Banken für Finanztransaktionen benötigt werden, sondern dass dies durch ein Protokoll gesteuert wird, wo festgelegt ist, wie viele Bitcoins es jemals geben wird. Mit dem jetzigen Protokoll ist die Anzahl von Bitcoins bei 21 Millionen gedeckelt.

Das Verbuchen von Transaktionen war zu Anfang der Bitcoin noch dezentral organisiert. “Heute braucht man für das Mining eher eine eigene Serverfarm.” Foto (CC BY 2.0): reggestraat

In komplizierten Rechenverfahren verbuchen sogenannte Miner die Bitcoin-Transaktionen – dafür bekommen sie auch Bitcoins. Wie kann ihre Anzahl dann gedeckelt sein? Bedeutet die Deckelung dann nicht das Ende der Währung?

Wenn alle Bitcoins gemined, also erschaffen oder geschürft worden sind, sollen die Miner auch weiterhin Transaktionsgebühren erhalten. So soll der Betrieb aufrechterhalten werden.

Und wie ist es dann bei Bezahlvorgängen? Brauche ich die Miner dafür?

Wenn man etwas bezahlen möchte, wird eine Transaktion angestoßen – z.B. von Alice zu Bob. Miner werden gebraucht, um die Transaktionen zu validieren. Die angestoßenen Transaktionen werden für einen bestimmten Zeitraum gesammelt und zu Blöcken zusammengefasst. Miner konkurrieren darum, neue Blöcke zu erzeugen, indem sie versuchen, durch rechenintensives Ausprobieren eine bestimmte Zeichenfolge (Hash) zu finden. Wer als erstes den Hash findet, kann den Block im Netzwerk veröffentlichen und erhält als Entlohnung derzeit 12,5 Bitcoin.

Das ist eine Menge bei einem momentanen Tauschwert von ca. 5500€ pro Bitcoin.

Ja, dabei muss man aber auch die Investitionskosten, die Energiekosten für die Server etwa, in Betracht ziehen. Dies machen heute kaum noch Einzelpersonen, da dies in den meisten Fällen nicht mehr rentabel ist. Heute braucht man für das Mining eher eine eigene Serverfarm.

Auch bei Kryptowährungen gilt: Man sollte nur Geld investieren, das man auch verlieren kann. Foto: Krissia Cruz

Und so kommt es, dass die für Bitcoin-Miningprozesse aufgewendete Energie bereits dem Gesamtbedarf Tschechiens entspricht …

Zumindest hat dies die Seite Digiconomist so berechnet.

Während des Bitcoin-Hypes wurden nicht wenige zu Millionären. Würdest du heute raten, den hart erarbeiteten Euro in eine bestimmte Kryptowährung zu tauschen? Oder ist eine Investition zurzeit noch mit Glücksspiel zu vergleichen?

Generell gebe ich keine Investment-Ratschläge. Ich würde mir aber, wenn ich investieren wollte, zunächst Gedanken machen, ob ich es mir leisten kann, das in Kryptowährungen investierte Geld unter Umständen zu verlieren. Prinzipiell ist bei Kryptowährungen ein Totalausfall immer möglich. Die Situation hierbei ist nicht wie bei einer Bank, wo man eine Einlagensicherung oder andere Sicherheiten hat. Hinzu kommt, dass z.B. eine fälschlich getätigte Transaktion (etwa der Versand an eine andere Adresse als intendiert) nicht mehr rückgängig gemacht werden kann, es sei denn die andere Partei sendet den Betrag freiwillig zurück. Darüber hat man jedoch keine Kontrolle und ist auf das Entgegenkommen der anderen Partei angewiesen.

Goldgräberstimmung! Bis vor kurzem schien es noch, als gäbe es für den Bitcoinkurs nur einen Weg: nach oben. “Gold digger panning for gold, Queensland” (Public Domain) von State Library of Queensland, Australien

Jetzt haben wir viel über Bitcoin gesprochen. Hier auf dem Hackathon verwendet ihr aber Ether. Worin unterscheiden sich die beiden blockchainbasierten Kryptowährungen?

Ja, wir arbeiten beim Ethereum Camp hauptsächlich mit der Ethereum-Blockchain. Im Unterschied zu Bitcoin ist die Ethereum-Blockchain öffentlich zugänglich, es kann also jede/r am Netzwerk teilnehmen und Applikationen bauen. Eine besonders spannende Anwendung daran sind die Smart Contracts, mit deren Hilfe beispielsweise Wenn-Dann-Bedingungen in Codes umgesetzt werden können. Viele Applikationen und auch einige Tokens basieren auf der Ethereum-Blockchain, unter anderem, weil sie eine Basis für Smart Contracts bietet.

Und was ist der Vorteil von Smart Contracts?

Man kann sich das anhand von definierten Zuständen vorstellen, die entweder eintreten oder nicht – also Wenn-Dann-Bedingungen. Zum Beispiel gibt es ein Startup, das so genannte parametrische Versicherungen anbieten möchte, etwa Flugverspätungsversicherungen. Nehmen wir an, man zahlt 0,1 Ether auf eine Ether-Wallet als Versicherungsprämie ein. Wenn der Flug sich dann um eine Stunde verspätet (oder ein anderer Zeitraum, der vorher festgelegt wird), erhält man eine vorher definierte Entschädigung, in dem Fall 0,5 Ether. Es wird in diesem Anwendungsfall ein Orakel für den Smart Contract verwendet, hier eine Flugdatenbank, die die Flugzeiten zur Verfügung stellt. Die im Smart Contract vorher definierte Summe bekommt man im Versicherungsfall automatisch überwiesen.

Das Banken- und Finanzsystem steht durch Kryptowährungen vor grundlegenden Änderungen. Doch Bitcoin & Co. werden Fiatgeld in den nächsten 5 bis 10 Jahren nicht ersetzen können. Foto: Floriane Vita

Der Vorteil ist die einfache und automatisierte Abwicklung. Heute ist mit einer solchen Versicherung ein deutlich komplizierterer Prozess, etwa mit Formularen, Prüfungen und anderen manuellen Schritten verbunden. Mittels Smart Contract könnte dieser Fall in Sekundenschnelle abgewickelt werden. Der Nachteil ist natürlich, dass eine so einfache Abwicklung nur bei parametrischen Fällen funktioniert, also bei klaren Bedingungen wie Verspätungen, die genau definierbar und quantifizierbar sind. Falls ich andere Fälle absichern möchte oder gar für die automatisierte Prüfung und Bezahlung, sagen wir einer kreativen Leistung, einen Smart Contract aufsetzen möchte, ist das nicht so einfach möglich.

Glaubst du, dass Kryptowährungen langfristig unser jetziges Finanzsystem revolutionieren?

Sehr langfristig könnte das der Fall sein, in naher Zukunft ist dies meines Erachtens aber nicht absehbar.

Ob die Älteren es noch erleben werden, ist fraglich. Doch unser Finanzsystem steht vor einer Revolution. Foto: Andre Francois

Langfristig werden Banken dadurch also obsolet? Was ist mit dem Kreditgeschäft?

Das Kreditgeschäft an sich kann ja nicht durch die Existenz von Kryptowährungen ersetzt werden. Aber in der Tat können Prozesse im heutigen Finanzwesen mithilfe der Blockchain-Technologie optimiert werden. Daran arbeiten Banken schon jetzt und experimentieren daher mit Blockchain-Technologien. Es gibt zum Beispiel das R3-Konsortium der Banken, die eine eigene Blockchain betreiben. Dass Banken in den nächsten fünf Jahren obsolet werden, glaube ich daher nicht.

Die Erfindung der Kryptowährung war genial, der Bitcoin ist im Vergleich zu neueren Kryptowährungen aber eher primitiv. Würdest du dieser Aussage zustimmen?

Bitcoin hat einige Limitationen, z.B. die Skalierbarkeit oder den Energieverbrauch. Es gibt einige Entwicklerteams, die daran arbeiten, dies zu verbessern. Aber primitiv ist Bitcoin meines Erachtens nicht, es ist sogar ein ziemlich ausgeklügeltes System.

Vielen Dank für das Gespräch!