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Die Promi-Gurus: Manipulation der Sehnsucht nach Schönheit und Gesundheit

Die milliardenschwere Wellnessindustrie boomt: Viele Wellness-Gurus und Propheten der alternativen Medizin nutzen die Sehnsucht nach Schönheit und Gesundheit der Menschen aus, um sich daran zu bereichern. Gehen sie zu weit?

Zugegeben, Gwyneth Paltrow sieht für ihre 49 Jahre ziemlich gut aus. Ihre Beauty-Geheimnis, wenn man ihrem exklusiven Guide für alltägliche Wellnes Glauben schenken darf: Smoothies, Morning-Workout, Peelingbürsten, transzendentale Meditation und die Goopglow Microderm Instant Glow-Kur für knapp 125 Dollar.

“Ich bin ein massiver Peeling-Junkie”, gibt sie im Vogue Video-Guide zu ihrer Morgenroutine zu. “Es gibt dir dieses unglaublich smoothe Finish”, sagt sie und cremt ihr Gesicht ein, während sanfte Gitarrenklänge im Hintergrund erklingen. Es geht weiter: “Jetzt werde ich Vintner’s Daughter auftragen”, sagt sie und hält eine kleine Flasche in die Kamera. “Das ist ein unglaubliches Serum. Ich liebe, wie es riecht. Es ist unglaublich, zu wissen, dass es reine, nicht toxische Produkte gibt, die wirklich effektiv sind und echte Wunder an deiner Haut bewirken.” 

Schönheit ist angeblich sehr, sehr teuer

Doch damit hörte es längst nicht auf. Nach dem 185 $-Dollar Serum geht Paltrow über zu hydrierenden Eye-Pads (75 $), die sie sich mit einem vergoldeten, vibrierenden Gesichtsmassager (195 $) einmassiert, dann cremt sie ihr Gesicht mit einer Weleda Creme ein, gefolgt von Sonnencreme und schließlich der Goop Glow Lotion (58 $), die gibt der Haut diesen “nicen Glow”. “Ich habe eine große Marktlücke für reine, luxuriöse Gesundheitspflege gefunden, und so ist die Goop Line entstanden”, erklärt Paltrow.

Bei der Hälfte des 11-minütigen Videos umfasst Paltrow’s Morgenroutine bereits Pflegeprodukte im Wert von über 600 $ – und das ist nur der morgendliche Ablauf. “Das ist der Großteil meiner Morgenroutine, die anders ist, als meine Abendroutine”, sagt Paltrow. Man muss nicht das ganze Video anschauen, um zu erahnen, dass Gwyneth Paltrows Schönheitsgeheimnisse viel Geld kosten. Ob sie “wirklich effektiv” sind, ist eher fragwürdig, da es keine wissenschaftlichen Beweise gibt.

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Gestern noch Scharlatanin, heute Wellnesskapitalistin

Paltrows Schönheitsgeheimnisse verkaufen sich trotz mangelnder wissenschaftlicher Beweise extrem gut. Mittlerweile hat sie aus dem einstigen Newsletter und ihren Kochtipps das Online-Imperium Goop im Wert von 250 Millionen Dollar mit mehr als 80 Mitarbeiter*innen erschaffen, auf dem man von Kleidung zu Beautyprodukten und Rezepten alles Mögliche findet. Ganzheitliche, “clean healthcare”, frei von toxischen Produkten ist zurzeit im Trend, weshalb Wellness-Gurus wie Gwyneth Paltrow, einmal berühmt, ihre Popularität zu einer extrem erfolgreichen Marke machen können. Zu Paltrows neuesten Produkten gehört übrigens eine Pille gegen sexuelle Unlust namens DTF (Down to fuck), die ihr “Wissenschafts- und Forschungsteam erfunden hat, um zu helfen”, wie sie auf ihrer Instagram Seite ankündigt. Dass die Wirkung des Produkts, dass Gwyneth Paltrows “Wissenschafts- und Forschungsteam” gemacht hat, nicht von der amerikanischen Arznei- und Lebensmittelbehörde (FDA) bestätigt werden kann, erwähnt Goop am Ende der Website im Kleingedruckten. 

Paltrow ist natürlich kein Einzelfall. Mittlerweile gibt es unzählige Wellness-Gurus, die Pseudowissenschaft und Popularität zu Profit machen. Robert de Niro, Jessica Alba, Tom Brady – die Liste der Promis, die dubiose Wellness Brands auf den Markt gebracht haben, ist lang. Doch abgesehen von der strategischen Ausbeutung der Sehnsucht nach Schönheit und Wohlbefinden können die Ratschläge der Wellness-Gurus auch zu weit gehen.  

Die milliardenschwere Wellnessindustrie boomt

Ein Blick nach Indien. So wie sich die Menschen im Westen nach Lifestyle-Ratschlägen sehnen, sehnen sich in Indien viele nach spirituellem Rat. Gerade deshalb erfreuen sich in dem hinduistisch geprägten Land sowohl ausgebildete sowie selbsternannte Gurus großer Popularität. Und wie man an Business-Beauty Gwyneth erkennt, lässt sich aus Popularität sehr leicht und schnell viel Geld machen. Bei Gwyneth Paltrow sind es vergoldete Gesichtsmassager und teure Cremes, bei dem indischen Yoga-Guru Baba Ramdev, der zu den bekanntesten Persönlichkeiten in Indien zählt, sind es ayurvedische Produkte, alternative Medizin und Kosmetik.

Baba Ramdev stieg durch TV-übertragene Massenyoga-Veranstaltungen zur Berühmtheit auf und exportierte Yoga in die ganze Welt. Seither nutzt er seine Popularität, um sein Unternehmen Patanjali Ayurveda zu vermarkten. Auf Instagram folgen dem Guru über eineinhalb Millionen User*innen, sein Shop meldete einen Umsatz von 4 Milliarden Dollar im Fiskaljahr 2021.

Baba Ramdevs Berühmtheit bedeutet auch, dass Politiker sich gerne mit ihm umgeben. Ramdev ist ein bekannter Unterstützer von Indiens Premierminister Narendra Modi. Bild: Prime Ministers Office, Government of India

Vertrauen in die Produkte der Prominenten spielt beim Kauf ein wichtige Rolle: Ein Anhänger des indischen Yoga-Gurus Baba Ramdev kauft das Haaröl von Ramdevs milliardennschwerem Konsumgüterunternehmen “Patanjali Ayurveda”, weil er ihm vertraut. “Er hat bereits unser Vertrauen, anders als andere Marken, die um das Vertrauen erst werben müssen”, sagt er.

Ramdev gründete Patanjali Ayurveda 2006 mit dem indischen Milliardär Balakrishna, um pflanzliche Heilmittel und Kosmetika zu vertreiben. Heute ist Patanjali ein milliardenschweres Imperium, das von Kleidung und Kosmetik, bis hin zu Lebensmitteln und Büchern vertreibt. Unzählige folgen dem Yogi blind, obwohl sein Unternehmen und seine Aussagen immer wieder für Kontroversen sorgen.

Falsche Propheten?

Ähnlich wie in Gwyneth Paltrows Fall, deren Firma eine 145.000 $-Strafe für unwissenschaftliche Behauptungen zahlen musste, sieht sich auch Ramdevs Patanjali mit Klagen für irreführende Werbung konfrontiert. Letztes Jahr brachte Patanjali “Coronil” auf den Markt, eine Substanz zur Behandlung gegen das Coronavirus. Ramdev vermarktete das Coronil-Kit als Heilung gegen das Coronavirus – ohne jegliche wissenschaftliche Basis.

Die indische Regierung schritt ein und unterband das Marketing von Coronil als Corona-Heilung. Stattdessen darf Coronil jetzt nur noch als “Immun-Booster” verkauft werden. Als im Februar Patanjali-Anhänger behaupteten, Coronil sei von der WHO zugelassen worden, sah diese sich gezwungen, auf die falschen Behauptungen zu reagieren:  

Anfang des Jahres spottete Ramdev dann auch noch über die moderne Medizin und über Menschen, die während der Pandemie nach Sauerstoffgeräten suchten. “Gott hat uns kostenlosen Sauerstoff gegeben, warum atmen wir den nicht? Wie kann es einen Sauerstoffmangel geben, wenn Gott die Atmosphäre mit Sauerstoff gefüllt hat? Idioten suchen nach Sauerstoffzylindern. Atmet einfach kostenlosen Sauerstoff”, beteuerte der Guru im April und erntete für seine Aussagen in mitten der Pandemie, die Indien besonders schwer trifft, viel Kritik. Nachdem Ramdev später Ärzt*innen für Indiens viele Coronatote verantwortlich machte, wurde Ramdev schließlich von Indiens Gesundheitsminister Harsh Vardhan gebeten, seine Aussagen zurückzunehmen. Das Einschreiten der WHO und des Gesundheitsministers macht deutlich, wie mächtig die Reichweite und Popularität der Promis und Gurus sind. 

Ob gefakte Corona-Heilmittel oder pseudowissenschaftliche Cremes: Das große Geld macht man mit den Konsumprodukten, die man immer und immer wieder kaufen kann. Falsche Propheten und Wellness-Gurus werden die Sehnsucht nach Schönheit und Gesundheit und das Portemonnaie der Menschen so lange ausnutzen, wie diese weiter konsumieren. Doch wenn Wissenschaftsleugnung und gezielte Falschinformationen Teil der Marketingstrategie werden, sollten selbst Anhänger*innen skeptisch werden. Dann sollte man sich vor Social-Media Scharlatanen und Wellness-Gurus in Acht nehmen.

Mehr über das Business der Spiritualität in unserem gleichnamigen Kompendium