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Foto: Rumianki i Bratki.

Dieser Online-Shop schützt Opfer häuslicher Gewalt mit einem einfachen Trick

Die 17-jährige Krystyna Paszko hat zum Schutz von Opfern häuslicher Gewalt einen Beauty-Online-Shop gestartet und so eine clever getarnte Hilfe-Hotline ins Leben gerufen. Heute ist sie Preisträgerin des EU-Preises für zivile Solidarität.

Das Coronavirus fordert weitere Opfer im Gesundheitswesen: Immer mehr Daten deuten darauf hin, dass häuslicher Missbrauch unter den pandemischen Bedingungen gedeiht. Bereits zuvor gab es allen Grund zur Annahme, dass die Einschränkungen unserer Bewegungsfreiheit einen solchen Effekt haben würden. Häusliche Gewalt nimmt immer dann zu, wenn Familien mehr Zeit miteinander verbringen, wie zum Beispiel in den Weihnachts- und Sommerferien, das bestätigt auch das Bundesamt für Familie. Im letzten Jahr wurden in Deutschland insgesamt 141.000 Fälle von versuchten und vollendeten Gewalttaten gemeldet. Jetzt, wo Familien weltweit unter “Verschluss” gehalten werden, laufen die Hotlines mit Missbrauchsmeldungen heiß und die Regierungen versuchen, eine Krise zu bewältigen, die sie nach Meinung von Experten hätten, kommen sehen müssen.

In Polen gibt es jährlich etwa 70.000 Fälle von häuslicher Gewalt, von denen nur zwischen 13. und 14.000 zur Strafanzeige gebracht werden. Im April 2020 beschloss Krystyna Paszko, die damals erst 17 Jahre alt war, den Online-Shop “Camomiles and Pansies” (zu. dt. Kamillen und Stiefmütterchen) ins Leben zu rufen, um angeblich kosmetische Produkte zu verkaufen. Die Idee dabei war, dass Opfer häuslicher Gewalt dort “einkaufen” und somit versteckt einen Notruf absenden – so, dass ihre Peiniger es nicht mitbekommen. Wenn ein Opfer schreibt und um den Kauf einer Creme bittet, antwortet statt eines Verkäufers ein Psychologe und fragt, wie lange die “Hautprobleme” schon andauern oder wie die betroffene Haut zum Beispiel auf Alkohol reagiert. Wenn die Betroffene Person also eine Bestellung aufgibt und eine Adresse hinterlässt, ist das in Wirklichkeit eine verschlüsselte Aufforderung an die Behörden, die Lebenssituation der Absender*in direkt zu überprüfen. 

Opfer häuslicher Gewalt können bei “Rumianki i bratki” einkaufen und somit versteckt einen Notruf absenden – so, dass ihre Peiniger es nicht mitbekommen.Foto: Rumianki i Bratki.

“Kamillen und Stiefmütterchen” für alle

“Ich hörte von der Zunahme von Fällen von häuslicher Gewalt während der Pandemie. Dann hörte ich von einer französischen Initiative, bei der Menschen in die Apotheke gehen und um eine spezielle Maske bitten, die den Apotheker wissen lässt, dass sie ein Opfer häuslicher Gewalt vor sich haben”, erklärt Krystyna Paszko gegenüber BBC. “Ich dachte, das sei ein toller Einfall, und so kam ich auf die Idee, statt der Masken Kosmetika zu verkaufen.”

Nachdem Paszko auf ihrer eigenen Facebook-Seite offen über ihr Vorhaben geschrieben hatte, wurde sie mit Fragen regelrecht überhäuft. “Ich ging davon aus, dass das Projekt nur für meine Freunde und deren Freunde sein würde. (..) Aber die Anzahl der Likes auf Facebook war hoch und es wurde schnell sehr populär.” Bei so viel Interesse wandte sich Paszko an das Zentrum für Frauenrechte, eine polnische NGO, und bat dort um Unterstützung. Daraufhin stellten sie ihr Psychologen und Anwälte zur Verfügung, die jetzt mit Paszkos Plattform zusammenarbeiten.

Seitdem sie ihr Projekt begonnen hat, haben mehr als 350 Menschen über ihren Online-Shop um Hilfe gerufen. Die meisten der Opfer sind unter 40 und etwa 10 % davon sind männlich. So viel Einsatz wird belohnt: Die Initiative ist eines von 23 Projekten, die mit dem EU-Preis für zivile Solidarität ausgezeichnet wurde. Sie erhielt dabei 10.000 €, die dafür gedacht sind, zivilgesellschaftliche Organisationen zu belohnen, die sich mit den Folgen von Covid-19 auseinandersetzen. Krystyna Paszko fühlt sich jetzt mehr motiviert denn je, das Projekt weiterzuführen und denjenigen Abhilfe zu verschaffen, die als Folgen des Lockdowns Gewalt erleiden müssen. 

Mehr zum Thema virtuelle Gewalt gegen Frauen findest du auch in diesem Artikel.