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Diversity als Lebensmotto

Balian Buschbaum ist ehemaliger Spitzensportler. Er hat Medaillen bei der Leichtathletik-Europameisterschaft gewonnen und ist bei den Olympischen Spielen im Jahr 2000 angetreten. Damals allerdings noch als Stabhochspringerin im Frauenteam. Sieben Jahre später folgte das Coming-out als Transgender-Person, was für ein gewaltiges Medienecho sorgte. Mittlerweile ist er erfolgreicher Bestseller-Autor, Speaker und Coach.

„Blaue Augen bleiben blau“ heißt die Autobiografie, in der Balian Buschbaum von seiner Transition erzählt. Erschienen ist sie im Jahr 2010 und landete direkt auf der SPIEGEL-Bestseller-Liste. Offenherzig und ehrlich berichtet der junge Mann, wie es sich anfühlt als Mann mit weiblichen Geschlechtsmerkmalen geboren zu sein, und welche Konsequenzen dies auf die eigene Psyche hat. Seine Karriere im Stabhochsprung hat er nach seinem Coming-out beendet und einen neuen Berufsweg eingeschlagen.

Seither arbeitet er freiberuflich als Autor, Speaker, Business und Life Coach. Im vergangenen Jahr gründete er gemeinsam mit vier weiteren Kollegen zwei verschiedene Plattformen: Die Be Alive Academy bietet vor allem Beratungsmodelle für businessorientierte Themengebiete, und beim Human Health Institut geht es um Ernährung und Gesundheit. Für Balian steht sein Weg als Transgender schon lang nicht mehr im Vordergrund. Dennoch ist er in gewisser Weise ein Experte, wenn es darum geht, inwieweit Transgender-Personen in der Geschäftswelt angekommen und integriert sind. Zu diesen Themen haben wir ihn zum Gespräch aufgesucht.

Balian, du hast nach deiner Profikarriere zunächst als Trainer gearbeitet, bist jetzt aber als Speaker und Coach unterwegs. Wie kam es dazu?

Die Selbstständigkeit hat mich sehr gereizt und obwohl ich in meinem Job als Trainer immer sehr viele Freiheiten genossen habe, war ich nie ein Mensch, dem man sagen muss, was zu tun ist. Ich war schon immer sehr autonom – wo Arbeit ist, da packe ich mit an.

Durch den Spitzensport habe ich bereits viel Erfahrung in Sachen Motivationstraining, Angstbewältigung und Resilienz, also Burn-out-Prävention sammeln können. Diese Themenkomplexe gehören auch zu einer professionellen Karriere im Sportbereich. Außerdem hat es mich schon immer interessiert, wie der Mensch funktioniert, und was ihn antreibt. Deshalb habe ich mir gedacht, ich mache das, was mich am meisten interessiert, zu meinem Beruf.

In welchen Bereichen arbeitest du jetzt hauptsächlich?

Ich schreibe gerade an meinem dritten Buch, das sich mit einem ganzheitlichen Gesundheitskonzept für den Menschen beschäftigt. Schreiben ist also weiterhin ein Standbein von mir. Bei meiner Arbeit als Speaker und Coach ist ein Bereich die Persönlichkeitsentwicklung. Dabei geht es um Fragen wie: Wer bin ich? Warum bin ich auf der Welt? Was ist meine Berufung? Die wenigsten Menschen haben Antworten, weil wir uns genau für diese essenziellen Fragen keine Zeit mehr nehmen. Deshalb baue ich das „über sich selbst Bewusstwerden“ in jeden Workshop mit ein. Ein anderer Aspekt in meiner Arbeit ist das Thema Diversity. Das ist meiner Meinung nach die Quintessenz des Erfolges und jedes Unternehmen, ob groß oder klein, muss sich damit auseinandersetzen, wie man Vielfalt für das Unternehmen gewinnbringend, das heißt mit Mehrwert, einsetzen kann. Tatsächlich haben das einige Großkonzerne, mit denen ich zusammengearbeitet habe bereits verstanden und setzen es um.

Foto: Frank Heinen

Kannst du ein Beispiel nennen?

Mercedes Benz zum Beispiel ist da sehr weit. Ich habe viele Vorträge in den Werken gehalten und mittlerweile ist für den Umgang mit Transgender-Personen im Betrieb ein Leitfaden erstellt worden. Man hat festgestellt, wie wichtig es ist, das Thema im Unternehmen anzusprechen. Und auch wenn es nur eine Randgruppe ist und es nicht viele Transgender-Personen bei Mercedes gibt – es gibt sie und sie haben es auch verdient, dass man sich um sie kümmert. Vielleicht kann man damit nicht tausende Menschenleben retten, aber es ist durchaus möglich sich um Einzelne zu bemühen. Das ist wichtig und ein guter Anfang.

Lassen die Berührungsängste gegenüber Transgender-Personen nach?

Ich sehe auf jeden Fall eine positive Entwicklung. Vor allem bei jungen Menschen. Ich halte auch in vielen Schulen Vorträge für Schüler ab der neunten Klasse. Als ich vor zehn Jahren damit begonnen habe, herrschte damals noch ein ganz anderes Bild von Transsexualität. Man hatte das Gefühl, man würde den Menschen etwas über Wesen von einem anderen Stern erzählen. Mittlerweile ist das anders. Ich frage immer, ob meine Zuhörer einen heterosexuellen Menschen kennen, ob sie einen homosexuellen Menschen kennen, ob sie einen bisexuellen Menschen kennen, ob sie einen transsexuellen Menschen kennen usw. Es meldet sich immer jemand. Das liegt auch daran, dass die Aufklärung in den Medien sich verändert hat. Transgender-Personen werden nicht mehr vorgeführt, als wären sie Teil einer Freak-Show. Das Thema wird seriöser dargestellt und es erhält eine gewisse Anerkennung. Nichtsdestoweniger denke ich, dass es noch ein paar Jahrzehnte dauern wird bis die Transsexualität kein „pikantes“ Thema mehr ist. Schauen wir uns die Schwulenbewegung an: Es hat lange gedauert bis sie dort angekommen ist, wo sie jetzt ist.

Bei meiner Recherche ist mir aufgefallen, dass man selten Transgender-Personen findet, die in größeren Unternehmen eine Führungsposition besetzen. Bei vielen ist die eigene Transidentität in irgendeiner Form Teil ihres Business. Sie arbeiten, ähnlich wie Du, als Coaches, schreiben über ihre Geschichte, oder verwerten sie anderweitig in unterschiedlichen Geschäftsmodellen. Was denkst du, woran liegt das?

Ich würde die Theorie aufstellen, dass diese Menschen auf eine gewisse Art und Weise „erwacht“ sind: Die meisten führen erst ein erfülltes und selbstbestimmtes Leben, seit sie der Mensch sind, der sie jetzt sind. Meinen persönlichen Weg im Leben zu finden hat mich auch viel Energie und Zeit gekostet. Doch ich habe dabei viel über das Leben im Allgemeinen gelernt. Solche Erfahrungen möchte man weitergeben. Ein erwachter Mensch wird sich daher eher schwer damit tun an einem Fließband zu arbeiten und selbst wenn ein Mensch in einer höheren Position tätig ist, wird er dennoch die Stärken, die er aus seiner Transgender-Geschichte mitgenommen hat, weitergeben wollen. Es geht dabei um Selbstfindung, darum authentisch zu sein, und diesen Prozess darf jeder Mensch durchlaufen.

Eine Theorie, die Sinn ergibt. Zum Abschluss möchte ich, dass du mir drei Tipps für aufstrebende Gründer verrätst.

Zuallererst sollte man immer authentisch sein. Wenn man versucht etwas zu verstecken oder zu verheimlichen oder etwas zu verkaufen versucht, was man selbst nicht unterstützt, wird man keinen Erfolg haben. Darüber hinaus sollte man einen Job für sich finden, den man liebt und für den man brennt. Denn wenn du selbst nicht für deine Sache brennst, kannst du das Feuer auch bei anderen nicht entfachen. Und mein letzter Tipp mag im ersten Moment seltsam klingen, aber: Das Leben besteht nicht nur aus Arbeit. Es geht nicht darum, immer nur Geld zu verdienen. Man hat Nichts davon, wenn man 14 Stunden am Tag arbeitet, um erfolgreich zu sein und am Ende keine Zeit mehr für Freunde und Familie hat. Doch genau diese gemeinsame Zeit ist wichtig. Es geht im Leben darum, die richtige Balance zu finden.