facebook-likehamburgerlupeoverview_iconoverviewplusslider-arrow-downslider-arrow-leftslider-arrow-righttwitter

Bild: Loop

Letzte Ruhe mit Biosiegel

Einmal damit angefangen, ist alles eine Frage des nachhaltigen Konsums – Warum sollte es sich nach dem Tod anders verhalten? Der Abschied aus dem weltlichen Leben beinhaltet mehr als die Entscheidung Sarg oder Urne. Und ist damit, so morbide es klingt, auch eine Lifestyle-Frage. Über diesen ersten befremdlichen Umstand hinaus gedacht, sind alternative Bestattungstrends Versuche, unsere Umwelt vor uns selbst zu schützen.

Dem modernen Lifestyle geschuldet, sammelt der Mensch im Laufe seines Lebens um die 219 Chemikalien im Körper an. Wandert er irgendwann unter die Erde, sickern schädliche Chemikalien auch in Grundwasser und Boden ein. Das ist aber nicht das einzige, was klassische Bestattungsmethoden nicht gerade grün macht. Der Materialverbrauch ist immens. Allein auf US-Friedhöfen fallen jährlich 30 Millionen Tonnen Laubholz, 90.000 Tonnen Stahl, 1,6 Millionen Tonnen Beton für Grabgewölbe und 800.000 Gallonen Einbalsamierungsflüssigkeit an. Ganz schön viel für ein paar tote Zellen oder? 

Klassische Bestattungsmöglichkeiten sind alles andere als grün: Allein auf US-Friedhöfen fallen jährlich 30 Millionen Tonnen Laubholz, 90.000 Tonnen Stahl, 1,6 Millionen Tonnen Beton für Grabgewölbe und 800.000 Gallonen Einbalsamierungsflüssigkeit an. Bild: J. Amill Santiago

Dabei gibt es bereits nachhaltigere Möglichkeiten der Bestattung. Wie beispielsweise das in Schottland registrierte Unternehmen Resomation, mit der sogenannten Aquamation-Methode, oder das niederländische Start-Up Loop Biotech mit ihren lebenden Pilz Särgen. 

Aquamation – eine umweltfreundlichere Bestattung

Aquamation, auch alkalische Hydrolyse, ist ein Kremationsvorgang, bei dem eine alkalische Lösung den Leichnam zersetzt, statt ihn, wie bei einer Feuerkremation, zu verbrennen. Nach Angaben des Unternehmens Resomation reduziert eine Wassereinäscherung die Treibhausgase im Vergleich zur Feuerkremation um circa 35 % und bedarf fünfmal so wenig Energie. Die Methode ist einleuchtend: erst zersetzt eine starke Lauge den Leichnam in einem Druckbehälter aus Edelstahl, der auf circa 140-160 Grad angeheizt wird. Nach drei bis vier Stunden sind nur noch Knochenreste und eine braune Flüssigkeit übrig. Wenn es hoch kommt noch eine metallene Hüftprothese. Spannende anthropologische Funde durch Exhumierung können danach jedenfalls nicht mehr bestechen, denn die konzentrierte alkalische Lösung zersetzt sogar die DNA. Dafür könne die braune Flüssigkeit theoretisch bedenkenlos im Abfluss entsorgt werden, heißt es. Großartig! Die weißen Knochen werden zermahlen und den Angehörigen in einer Urne ausgehändigt.

Bereits vor über 100 Jahren fand die Technik Anwendung in den USA, zur Zersetzung von Tierkadavern. Mit zunehmendem Umweltbewusstsein erfreut sich der Vorgang auch unter Zweibeinern steigender Popularität. Der Vorgang ist bis jetzt nur in wenigen Ländern zugelassen, wie in einigen US-Staaten, Kanada oder Südafrika. Auch ist zu bedenken, dass in manchen Religionen, wie im Islam und Judentum, die Verbrennung von Toten nicht zulässig ist. Spätestens seit der Beisetzung des jüngst verstorbenen Erzbischof und Menschenrechtsaktivisten Desmond Tutu, einer der treibenden Kräfte gegen die Apartheid in Südafrika, ist aufmerksamen Zeitungsleser*innen diese alternative Möglichkeit der Einäscherung ein Begriff.

Lebende Särge 

Wer lieber in ganzen Stücken unter die Erde gebracht werden möchte, hat ebenso Aussicht auf eine gute letzte Öko-Bilanz. Das niederländische Start-Up Loop wirbt mit dem Slogan: „Stelle Natur wieder her, schließe den Kreislauf, weltweit mit dem ersten lebenden Sarg“. Die Ästhetik ihrer Website „loop-of-life.com” ist so ansprechend, dass man Gefahr läuft, gleich schon mal vorzubestellen. Die Idee ist einfach: lebendes Material wird verwendet, um den Leichnam zu einem wertvollen Bestandteil der Natur zu zersetzen. Dabei wird auch gleich auf die Verarbeitung von extra gefälltem Holz und Metallen verzichtet. Während herkömmliche Särge nicht nur den Boden beschädigen, sondern auch viel Platz auf den Friedhöfen einnehmen, sollen die „lebenden Särge“ Abhilfe schaffen. 

Das niederländische Start-Up Loop produziert nachhaltige, lebendige Särge. Der lebendige Sarg verspricht sich selbst und den Menschen innerhalb eines Monats vollständig zu zersetzen. Bild: Loop

Das junge Unternehmen setzt auf Myzelium, die Wurzelstruktur oder Gesamtheit der Fäden von Pilzen. Myzelium ist laut Bob Hendrikx, dem Begründer des studentischen Start-ups, der erfolgreichste Recycler weltweit und so hat Loop daraus einen nachhaltigen Kokoon entwickelt, wie der Sarg liebevoll auf der Website genannt wird.

Das unterirdische Pilzgeflecht verbindet Wurzeln von anderen Pflanzen. Es tauscht Nährstoffe aus und kommuniziert Informationen. Da es in der Lage ist, organisches Material in wichtige Nährstoffe umzuwandeln, damit neue Setzlinge gedeihen können, ist dieses Netzwerk die treibende Kraft im natürlichen Lebenszyklus, berichtet das Start-Up online. Der lebendige Sarg verspricht sich selbst und den Menschen samt seiner Habseligkeiten, die er mit sich unter die Erde nimmt, in etwas über einem Monat vollständig abzubauen. Das Pilzgeflecht kann eine Vielzahl an Substanzen abbauen, auch Schadstoffe wie Schwermetalle, Textilien und Farbstoffe, Arzneimittel und Pflegeprodukte. In einem gewöhnlichen Sarg dauert der Vorgang ein bis zwei Jahrzehnte. 

Loop setzt für seine nachhaltigen Särge auf Myzelium, die Wurzelstruktur oder Gesamtheit der Fäden von Pilzen. Myzelium ist laut Bob Hendrikx, dem Begründer des studentischen Start-ups, der erfolgreichste Recycler weltweit. Bild: Loop

Wer will sich da noch in einem umweltbelastenden Sarg beerdigen lassen, bei der Aussicht auf sanfte Totenruhe in stilsicheren Kokons, der Möglichkeit nachhaltig-verbrannt in alle Winde zu wehen oder bescheiden auf dem Kompost zu landen.