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Bild: Meta

Noch mehr Macht für Facebook durch das Metaverse?

Vor knapp einer Woche kündigte Facebook CEO Mark Zuckerberg an, Facebook künftig in Meta umzubenennen. Das Metaverse, das innerhalb der kommenden zehn Jahre aufgebaut werden soll, wird viel umfassender als Facebook sein. Zuckerberg spricht von einer immersiven VR Erfahrung. Was steckt dahinter? 

“Alles begann mit Snow Crash”, schrieb der Programmierer und leitende Wissenschaftler der VR-Firma und Facebook Tochter Oculus, Michael Abrash, in einem mittlerweile gelöschten Blogpost vor zehn Jahren. Seine Faszination für die Idee eines Metaversums begann bereits im Jahr 1999, als der damals 42-Jährige den Science-Fiction Roman “Snow Crash” von Neal Stephenson las, der den Begriff Metaversum mit seinem Roman bis heute prägt. 

Der Roman spielt sich in einer anarchokapitalistischen Dystopie ab, in der sämtliche staatliche Organe sich zurückgezogen haben und private Unternehmen die gesellschaftliche Ordnung bestimmen. Um der Dystopie zu entfliehen, begeben sich die Menschen in das Metaversum, eine virtuelle Welt, durch die sich Personen als Avatare bewegen und miteinander interagieren können. (Auch das Wort Avatar würde übrigens von Neal Stephenson erfunden). Zuckerbergs Ankündigung, Facebook in das Metaverse umzugestalten, ähnelt einer solchen Dystopie, wobei das Metaverse nicht die Flucht aus der Dystopie, sondern der Weg in die Dystopie und ins Monopol der Privatunternehmen zu sein scheint.

Hinter der Entwicklung des Metaverse soll neben Abrashs Liebe zu Science Fiction ein Memo des Oculus Mitarbeiters und Videospieleregisseurs Jason Rubin stecken. Rubin ist seit Juli Vizepräsident für Metaverse-Inhalte und seit 2014 bei Oculus, dem Jahr, in dem Facebook Oculus aufkaufte. 2018 soll Rubin eine 50-seitige Präsentation an die Facebook Spitze gesendet haben, in der er die Entwicklung eines virtuellen Metaversums darlegt. Das Ziel des Metaverse Konzepts ist, dass Nutzer immer mehr Zeit in dem virtuellen Raum verbringen, zuerst mit VR-Headsets, die größtenteils von Oculus VR hergestellt werden sollen und schließlich, wenn die Technologie es ermöglicht, auch ohne. Das soll auch durch die Integration von anderen Apps wie Netflix oder Instagram ermöglicht werden, wie Golem berichtete. Laut Golem soll der Umsatz unter anderem aus Werbeeinnahmen, virtuellen Immobilien, virtuellen Waffen und anderen Statussymbolen erfolgen. 

Das Metaverse soll viel umfassender als Facebook sein und verschiedene virtuelle Welten wie Horizon Home oder Horizon Work enthalten, die per VR-Brille zugänglich werden. Bild: Meta

Was wir bisher über das Metaverse wissen

Aber was ist denn nun das Metaverse? Es ist bisher vor allem eins: abstrakt. Das Wort Metaversum steht für einen kollektiven virtuellen Raum, der “jenseits” (meta) des Universums liegt. In einem Metaversum können Nutzer gemeinsam einen virtuellen 3D-Raum nutzen. Das bisher bekannteste Metaverse ist das Online-Spiel Second Life. Im Facebook Metaverse können jedoch vorerst nur Besitzer eines Oculus Quest 2 oder eines anderen VR/AR-Headsets die neuen Features des Metaverse ausprobieren. Ein Oculus Quest 2 Headset gibt es momentan für 299$ oder 399$ zu kaufen.

Konkret gibt es bisher zwei Projekte des Metaversums, die Facebook bereits als Beta-Version für Oculus Quest 2 veröffentlicht hat: Horizon Home, ein virtuelles Zuhause, in dem User sich in ihrem virtuellen Zuhause mit anderen Usern treffen können, und Horizon Workrooms, ein virtueller Work-Space, in dem User in virtuellen Büros zusammenarbeiten können. Dafür reicht es, seine Oculus Quest mit dem persönlichen Facebook-Account zu verbinden um daran teilzunehmen. Nächstes Jahr soll “Project Cambria” folgen, ein bisher ominöses VR-Programm, dass Avatare menschlicher machen soll. Mit Cambria werden Avatare zum Beispiel Blickkontakt herstellen können oder Gesichtsausdrücke in Echtzeit wiedergeben. Später sollen auch NFTs und Kryptowährungen eine Rolle spielen, genauere Angaben gibt es dazu noch nicht.

Laut Zuckerberg soll im Metaverse alles möglich sein. Doch bisher existiert das Metaversum noch nicht. Es soll innerhalb der kommenden zehn Jahre aufgebaut werden und die Zukunft des mobilen Internets sein. “The idea is basically an internet that you’re not on, but rather, in – a more immersive experience”, beschrieb es Instagram-Chef Adam Mosseri in einem Video letzten Freitag. “Das klingt nach einer neuen Black Mirror Folge”, kommentiert ein User. 

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Das Metaversum soll morgen bereits “das nächste Kapitel von sozialer Verbindung” und “die neue Version des Internets” werden. “Es wird sich anfühlen, als wären wir präsent, als wären wir wirklich da mit den Menschen, egal wie weit wir eigentlich voneinander entfernt sind”, sagte Zuckerberg bei der jährlichen Facebook VR-Konferenz letzten Donnerstag. In Zuckerbergs Zukunft werden wir ein Zoom Meeting bald nicht mehr nur als Kacheln am Bildschirm erleben, sondern als “immersive Erfahrung”, als wären wir wirklich da. 

Die Reaktionen fallen weniger positiv aus

Während Zuckerberg große Pläne mit Meta hat – der Internet-Mogul erwartet eine Milliarde User im Metaverse innerhalb von zehn Jahren – sind die Reaktionen auf das Rebranding angesichts der schlechten PR, mit der Facebook zu kämpfen hat, eher belustigend ausgefallen. “Man kann seiner Vergangenheit nicht entfliehen, indem man seinen Namen ändert, wie auch Mark Zuckerberg bemerken wird”, witzelte Journalist Kenan Malik im Guardian. Auch Facebook-Konkurrent Twitter machte sich in einem Tweet über das Rebranding lustig: “Das einzige #META, das wir anerkennen, ist das”, postete der Social-Media Dienst zusammen mit einem Link zu einem Bericht von Twitters eigenem META Team (Machine Learning, Ethics, Transparency and Accountability) – ein Team von Tech-Kritikern, das Twitter angeheuert hat, um eine “ethische KI” aufzubauen.

Auch US-Senator Ed Markey verschonte Facebook nicht: “Facebook möchte, dass wir anfangen, es Meta zu nennen, aber wir werden es einfach weiterhin als das benennen, was es ist: eine Bedrohung für die Privatsphäre, die Demokratie und Kinder.”

Der ehemalige Google CEO Eric Schmidt sprach sich warnend über den Konsequenzen eines Metaversums aus, das “befriedigender als die gegenwärtige Welt ist – du bist reicher, schöner, mächtiger und schneller. In ein paar Jahren werden Menschen mehr Zeit damit verbringen, in ein Metaversum zu starren. Und wer wird die Regeln festlegen? Die Welt wird mehr digital als physisch sein. Und das ist nicht unbedingt das Beste für die Gesellschaft.”

Nick Couldry, Professor für Medien und Kommunikation an der LSE, und Ulises A. Mejias, Professor für Kommunikation an der SUNY Oswego sind Autoren des Buches The Costs of Connection. Sie sehen in der Machtposition, die Facebook innehält, ein großes Problem und argumentieren, große Tech-Firmen wie Facebook menschliches Leben durch Daten kolonialisieren. Die Kosten dafür, so die Autoren, tragen wir Nutzer. 

“Einerseits ist es nur ein PR-Trick, der auf bequeme Weise versucht, von einer Marke abzulenken, die zunehmend toxisch geworden ist. Andererseits ist es ein weiterer Beweis für die kolonialen Bestrebungen von Facebook und anderen großen Tech-Firmen, unsere soziale Realität zu konstruieren und uns als Profit zu nutzen,” sagen die Autoren. Sie sagen voraus, dass wir uns auf “meta” Erfahrungen mit eingearbeiteter Werbung und mehr Datenmissbrauch gefasst machen müssen. “Die größere Frage ist: Warum sollte die Menschheit überhaupt den Anspruch einer kommerziellen Plattform in Betracht ziehen, die Welten, in denen wir leben, zu erschaffen und zu kontrollieren? Wie könnte es jemals im Interesse der Menschheit sein, irgendeinem Unternehmen, selbst einem gut geführten und sozial verantwortungsbewussten (was Facebook offensichtlich nicht ist) die Macht über so eine fundamentale Dimension der menschlichen Existenz zu geben?”

Wird Meta Erfolg haben?

Was bedeutet es für unsere Zukunft, wenn ein privater Konzern so viel Macht hat? Dass Meta keine Konkurrenz zulassen wird, wird schon dadurch klar, dass das Unternehmen die Konkurrenz schonungslos aufkauft, oder zur Kooperation zwingt. Neben Hohn und Spott hinterlässt Meta für die Zukunft mehr Fragen, als Antworten. Zum einen, weil die Dimensionen der Macht von Meta bisher unklar sind. Zum anderen, weil es bisher seitens der Politik kaum Versuche gibt, Zuckerbergs monopolistische Bestrebungen einzuschränken. Ohne Regulierungen seitens der Politik könnte das Metaversum schnell entgleisen – und in einer dystopischen Welt enden, wie Stephenson sie in seinem Roman Snow Crash 1999 beschrieb. Und das zu einer Zeit, in der durch Klimawandel und Pandemie sowie schon die Dystopie quasi hinter jeder Ecke lauert. 

Mehr zu diesem Thema auch in unserem Kompendium Virtueller Luxus