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Los Carpinteros gegründet 1992, Polen Naranja (Orange Pollen), 2016 © Courtesy of the artists and Galerie Peter Kilchmann, Zurich

„Ohne Kultur wären wir Menschen nur Maschinen“

Die Deutsche Bank eröffnet mit dem PalaisPopulaire einen Ort für Kunst, Kultur und Sport. Ein Gespräch mit Svenja von Reichenbach, der Leiterin des Hauses, über das neue Konzept und die aktuellen Ausstellung “The World on Paper”.

Svenja von Reichenbach. Foto: PalaisPopulaire

Im Zentrum von Berlin ist es hektisch. Bauzäune umzingeln historische Gebäude auf dem Boulevard Unter den Linden, Presslufthämmer übertönen Polizeisirenen, Touristen laufen gruppenweise bunten Fähnchen hinterher, Trickspieler staffieren die Liebknechtbrücke. Doch gleich hinter dem weitläufigen Bebelplatz, in einer kleinen Seitengasse, verklingt das unaufhörliche Großstadtrauschen. Hier stehen seit Ende September die Türen zu einem ambitionierten Forum offen: Mit dem PalaisPopulaire eröffnet die Deutsche Bank einen Ort, an dem Kunst, Kultur und Sport aufeinandertreffen sollen. Mit diesem Konzept möchte das Haus gleichzeitig zeitgenössische Kunst von ihrer elitären Note befreien und sich selbstbewusst offen für alle zeigen.

Svenja von Reichenbach ist die neue Leiterin des PalaisPopulaire. Mitten im Trubel der letzten Eröffnungsvorbereitungen saßen wir mit ihr im frisch modernisierten Eingangsbereich und haben unter anderem über den Wert von Kunst auf Papier in Zeiten der Digitalisierung diskutiert.

Frau von Reichenbach, der PalaisPopulaire ersetzt nicht die Deutsche Bank Kunsthalle, sondern ist konzeptionell eine Neuentwicklung hin zu einem Forum für Kunst, Kultur und Sport. Was genau ist neu im Vergleich zur Deutsche Bank KunstHalle?

Neu ist, dass wir neben der Kunst unser Programm auf Kultur und Sport ausgeweitet haben. Weil wir glauben, dass wir mit dieser Kombination den Besuchern einen spannenden inhaltlichen Mix bieten können. Und weil wir als Deutsche Bank seit vielen Jahren erfolgreich in diesen drei Bereichen mit unseren Förderprogrammen tätig sind.

Neu ist schließlich auch, dass wir an diesem Ort deutlich mehr Platz haben – nicht nur für Ausstellungen, sondern auch für zusätzliche Veranstaltungen. Es gibt eine Reihe von neuen Formaten, wie Buchpräsentationen und Lesungen oder musikalische Veranstaltungen zum Beispiel in Kooperation mit dem Musikgymnasium Weimar und den Berliner Philharmonikern, sowie Workshops in denen Schüler etwa mit Spitzensportlern aus seltenen Sportarten in Kontakt kommen. Hinter dem PalaisPopulaire steht also die Idee, mit einem erweiterten Themenspektrum neue Impulse und ein spannendes Programm abzuliefern.

Das PalaisPopulaire – im Herzen der Stadt. Foto: PalaisPoplulaire

Sie bieten zusätzlich eine große Anzahl an thematischen Führungen und Workshops für Kinder und Erwachsene an. Stehen diese edukativen Angebote für eine neue Orientierung der Sammlung?

Im PalaisPopulaire ist der Name Programm: Wir wollen offen sein und Zugang schaffen – gerade zu den zeitgenössischen Themen. Im Programm werden Themen von Künstlern oder auch Sportlern aufgegriffen, die wichtig sind und in die Zukunft unserer Gesellschaft hineinfließen. Der edukative Bereich hat dabei einen großen Stellenwert für uns, fußt aber auch auf den langjährigen Erfahrungen, die wir zum Beispiel mit Berliner Schulen haben.

Geht mit diesem neuen Konzept auch Idee einher, zeitgenössische Kunst von ihrem elitären Ruf zu befreien?

Das spielt sicherlich insofern eine Rolle, dass das Palais auch offen sein soll für diejenigen, die sich bisher nicht so sehr für Kunst und Kultur interessiert haben.  Dabei spielt übrigens auch der Eintrittspreis eine Rolle. Diese Erfahrung haben wir schon mit der KunstHalle gemacht. Wir haben deshalb den freien Montag “I Like Mondays” beibehalten, der die Schwelle zum Besuch niedriger setzt und damit ein größeres Publikum anspricht. Wir arbeiten an diesem Tag mit Studenten zusammen, die die Führungen anbieten. Damit wollen wir auch Barrieren abbauen, Anregungen schaffen. Man kann vielen Menschen den Zugang zu Kunst und Kultur ermöglichen, wenn man sie positiv anspricht und mitnimmt. Diese Themen sind wichtig für uns alle. Ohne sie wären wir womöglich nicht von Maschinen zu unterscheiden.

Sie bieten gleich mehrere Apps und digitale Werkzeuge zur Wahrnehmung von Kunst, Kultur und Sport an. Welche Strategien testen sie hier aus?

Eine eigens konzipierte App führt die Besucher durch das Palais. Foto: PalaisPopulaire

Wir haben eine App entwickelt, die die Besucher mit unterschiedlichen Schwerpunkten durch das Haus führt. Man kann zum Beispiel auswählen, ob man nur die Highlights sehen möchte, ob man als Schüler oder als Sehbehinderter das Haus erleben möchte. Zum Beispiel im Kunstbereich bereichert das die Wahrnehmung der Arbeiten ungemein: Stößt man etwa auf ein Werk des Künstlers John Cage, so fließen durch die Nutzung der App auch seine musikalischen Aspekte ein.

Eine zweite App beschäftigt sich mit der Geschichte des Gebäudes und nutzt dafür Techniken der ‘Augmented Reality’. Das Haus hat eine lange Geschichte – wir wollten dieses historische Spannungsverhältnis zwischen seinem Originalzustand, der vollständigen Zerstörung im Krieg und der Rekonstruktion in den 1960er nachvollziehbar machen. Durch die App kann man in ein anderes Jahrhundert schauen und die Geschichte ganz nah erleben.

Haben Sie das Gefühl, dass digitale Strategien und die Digitalisierung im Allgemeinen Einfluss auf die Werte in der Kunst haben – also einen Wertewandel hervorrufen?

Ich glaube, das sind zwei Dinge, die heute unbedingt zusammengehören. Erstens: Digitale Strategien ersetzen das Sammeln und das Originalkunstwerk nicht, können aber dem Betrachter zusätzliche, nützliche Informationen über die jeweilige Arbeit geben. Und zweitens: Die Digitalisierung selbst kann natürlich Gegenstand einer künstlerischen Arbeit sein. Aber ich gehe nicht soweit, hier von einem Wertewandel in der Kunst zu sprechen.

Die von Friedhelm Hütte kuratierte Eröffnungsausstellung “The World on Paper” zeigt über 130 künstlerische Positionen, die sich mit dem Medium Papier auseinandersetzen. Analoge Kunst im digitalen Zeitalter – wollten Sie damit gleich zu Beginn einen Schwerpunkt für die neue Sammlungspräsentation setzen?

“The World on Paper” im PalaisPopulaire. Foto: PalaisPopulaire

In dieser Ausstellung werden tatsächlich nur analoge Arbeiten gezeigt, was auch insgesamt auf die Sammlung zutrifft. Vor 40 Jahren wurde sie mit einem Fokus auf Papierarbeiten zeitgenössischer Künstler aufgebaut. Es ist immer noch ein Medium, das den Menschen sehr nahe ist. Bei “The World on Paper” werden 300 Highlights internationaler Künstler präsentiert, die wir erstmals mit einem globalen Anspruch zusammen getragen haben. Obwohl hier ausschliesslich analoge Werke gezeigt werden, muss das nicht automatisch für alle zukünftigen Ausstellungen gelten.

Die aktuelle Ausstellung zeigt sehr viele Arbeiten von Künstlerinnen. Das ist toll! Welche Rolle spielt das Geschlecht des Künstlers in der generellen Sammlungspolitik der Deutschen Bank?

Die Haltung der Sammlung ist da ganz klar – für ein tolles Kunstwerk ist es egal, ob es eine Künstlerin oder ein Künstler geschaffen hat. Bei uns geht es nur um das Werk per se. Davon abgesehen sind sehr viele Arbeiten von Künstlerinnen in der Sammlung – und damit auch in The World on Paper. Das freut uns natürlich.

Die aktuelle Austellung im PalaisPopulaire ist in drei Sektionen unterteilt. Foto: PalaisPopulaire

Drei Etagen unterteilen “The World on Paper” in drei Sektionen: Abstraktion, Mensch/Gesellschaft und Technologie/Ökonomie. Wie kam es zu dieser Aufteilung?

Zunächst stellte sich für uns die Frage: Was kann man auf und mit Papier machen? Benannt nach einer Arbeit von Sigmar Polke stellt die erste Sektion “Höhere Wesen befahlen” diese Vielfalt vor und beschäftigt sich mit dem künstlerischen Einfall, mit expressiven und abstrakten Ausdrücken, und mit Formen, Zahlen oder Ornamenten.

Der zweite große Punkt ist das “Selbstbild”. Darin geht es um den Menschen – um den Blick vom Individuum auf die eigene und die gemeinschaftliche oder geschichtliche Identität. Hier zeigen wir zum Beispiel eine Arbeit von Rebecca Horn, die Maschinen entwickelt mit denen sie Performances macht, um sich selbst aber auch ihre Umwelt zu begreifen und zu erspüren.

In der dritten Sektion, die – entlehnt von dem Künstler Doug Aitken – als “Ultraworld” betitelt ist, geht es etwa um Fragen, wie Medien heute Einzug halten, was sie mit uns machen, aber auch wie Urbanität und Architektur auf uns wirken.

Doug Aitken thematisiert in seinen Arbeiten oft das menschliche Zusammenleben in einer digitalisierten Zukunft. Wie nimmt die Ausstellung Bezug auf Zukunftsvisionen und welche Rolle spielt dabei das Papier?

Es geht uns nicht darum, ein Statement über die Relevanz von Papier als einzig wahres Medium der Zukunft zu formulieren. Wir glauben aber, dass gerade auf Papier all diese Fragen auf besonders kreative und innovative Art zusammengebracht werden können.

Werk des Künstlers Doug Aitken. Foto: PalaisPopulaire

Der Künstler Thomas Beyerle beschäftigt sich zum Beispiel mit dem Einfluss der Urbanität und treibt den Gedanken der gebauten, lebendigen Stadt mit dem Motiv der Autobahn kritisch auf die Spitze. In ganz vielen Arbeiten der Ausstellung stecken solche Fragen. Das Medium Papier eignet sind besonders gut, diese Themen zum Ausdruck zu bringen.

Können Sie schon einen Einblick in die Themen des kommenden Programms geben – gerne fokussiert auf die Kunst?

Neben Buchlesungen, Konzerten oder Gesprächen mit Spitzensportlern steht im Kunstbereich eine Kooperation mit der TATE an, wo wir uns zusammen in der nächsten Ausstellung auf Skulpturen konzentrieren werden. Dann wird übrigens das PalaisPopulaire im Inneren komplett anderes aussehen als jetzt.

Mit dem Fine Art Museum San Francisco planen wir eine Sommer-Ausstellung zum Thema “Summer of Love” – also zu vielfältigen Aspekten der 68er-Bewegung. Unser Programm wird spannend und auch ein Stück weit unberechenbar bleiben.