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Seltene Erden, Hightech und Science-Fiction

Seltene Erden sind die Grundlage für unsere wichtigsten Innovationen – die neuen Bausteine sozusagen, die zum Aufbau einer digitalen Welt benötigt werden und die immer länger werdende Liste unserer Technologien mit ihren Fähigkeiten unterstützt.

Computer, Smartphones, Elektroautos, Batterien und Satelliten brauchen die sogenannten Seltene Erden, um überhaupt funktionstüchtig zu sein. Ihre „magische“ Anziehungskraft und ihre optischen Besonderheiten machen sie zu den begehrten Elementen, die im Moment zur Produktherstellung erforderlich sind. Dies gilt insbesondere für Hightech. Trotz ihrer überwiegenden Unbekanntheit wächst die technologische, ökologische und ökonomische Bedeutung von Seltenen Erden stetig. Sie stellen nicht nur neue Herausforderungen für Forschung und Finanzanlagenportfolios dar, sie tragen auch zu geopolitischen Spannungen bei. 

Trotz des Namens sind Seltene Erden weder selten noch Erde. Seltene Erden sind eine Gruppe aus 17 Metallen. Mit der Ausnahme vom radioaktiven Promethium sind alle anderen Metalle des Periodensystems massenhaft unter der Erdoberfläche zu finden. Zum Beispiel gibt es mehr Cer als Kupfer und ungefähr 200-mal so viel exotisches Lutetium wie Gold. Genauso wie andere wertvolle Schwermetalle wurden Seltene Erden vor Milliarden von Jahren von Sternen am Herd von Supernovas gekocht. Sie sind aus chemischer Sicht sehr gesellige Elemente, da sie sich zu unterschiedlichen Verbindungen zusammentun und somit zu verschiedenen Mineralien werden. Das ist auch der Grund, warum Wissenschaftler*innen sie nur in niedrigen Konzentrationen vorfinden und es oftmals sehr schwierig ist, sie voneinander zu lösen. 

Die abgebildete Mine ist eine Tagebaumine für Seltene Erden-Elemente (Rare Earth Elements, REEs) an der Südflanke der Clark Mountain Range. Das Bergwerk, das sich im Besitz von Molycorp Inc. befindet, lieferte einst die meisten Seltene Erde Elemente der Welt. Foto: U.S. Department of Energy.

Unsichtbarer Katalysator

Das Adjektiv „selten“ spiegelt eher Fremdheit als bloße Seltenheit wider. Oder in anderen Worten ausgedrückt: Wir sprechen hier von einer relativ neuen und nur schwer abbaubaren Materie. Von Chemikern mal ganz abgesehen, haben die Wenigsten von uns  eine Ahnung, wie diese Metalle in Wirklichkeit aussehen oder warum sie von Bedeutung sind.

Seltene Erden sind für unsere Augen immer noch unsichtbar, da sie meistens nur in kleinen Mengen vorkommen: Nur ein paar Gramm hier und dort interagieren oftmals mit anderen Elementen oder Metallen, um neue Verbindungen einzugehen, deren Eigenschaften so sonst nicht vorhanden wären. Wenn zum Beispiel Eisen mit Bor kombiniert wird, hilft die Seltene Erde Neodym dabei, einen der stärksten Magneten auf dem Markt herzustellen, der übrigens in Festplatten und Windturbinen zum Einsatz kommt. Sie werden als leistungsstarke Katalysatoren geschätzt. Bildlich gesprochen ist es wie in den Geschichten, in denen der Zauberer seinem Trank die entscheidende Zutat hinzugibt, um diesem seine magische Kraft zu verleihen.

Das Metal Europiumoxid ist unter anderem für die intensive Farbgebung ƒunserer Fernsehbildschirme verantwortlich. Foto: U.S. Department of Energy.

Neue Visionen, künstliches Licht und Laser

Als in den 1960er Jahren die ersten Farbfernseher mit der Erfindung der Kathodenstrahlröhre den Markt eroberten, begannen auch Seltene Metalle aus dem Labor wie Autos aus den Fabriken zu rollen. Die Farbe rot war zuerst problematisch, da damals noch kein guter und stabiler roter Phosphor bekannt war (Phosphor ist ein Material, das Licht abgibt, wenn es auf Elektronen stößt). Nachdem diesen weniger als ein Gramm Europiumoxid (nach dem Kontinent Europa benannt) zugeführt wurde, wurden Fernsehbildschirme plötzlich hell und leuchtend – Europium gibt helle Rot- und Blautöne ab, die sehr hervorstechen. Auch Terbium, welches mit einem stabilen und starken Grünton versehen ist, kann bei Lasern eingesetzt werden. Durch neue Entwicklungen künstlicher Lichtelemente, wie zum Beispiel Kompaktleuchtstofflampen und Leuchtdioden (LED-Lampen), ähneln die Rot-, Grün- und Blautöne von Europium und Terbium immer mehr dem „Tageslicht“ und lassen das Gelb der alten Glühlampe ziemlich alt aussehen.

Der Europium (III) -Komplex ist in den synthetischen Fasern bestimmter Euro-
Banknoten enthalten, wodurch sie lumineszierend werden. Wenn Sie diese unter einer UV-Lampe
halten, sehen Sie als Sicherheitsmaßnahme das einzigartige rote
Leuchten von Europium-Komplexen. Foto: H. Grobe (CC BY 3.0).

Ein Immunsystem für die Industrie

Seltene Erden wurden auch „die Vitamine“ der Industrie genannt – genauso wie der Hightechkörper, der nach Superfood giert, da ihm normales Gemüse nicht mehr ausreicht. Eine Dose Erbium für das zentrale Nervensystem der Glasfasern; Neodym kann das Selbstbewusstsein und die Gedächtnisleistung steigern; Cer und Lanthan für eine Leber, die aus Erdöl Benzin raffiniert und um gutes Sehvermögen zu erhalten, wird Europium für Helligkeit, Gadolinium für die Kontraststeigerung beim MRT verwendet. 

Seltene Erden sind eng mit der Nanotechnologierevolution verbunden: vom hauchdünnen Touchscreen bis zu effizienten Batterien. Die Nachfrage nach diesen Elementen ist so schnell gewachsen, wie der Bedarf an Produkten. Aber alle Bildschirmgeräte dieser Erde benötigen nur ein paar Hundert Tonnen dieser Elemente. Wenn sie angeblich so weit verbreitet sind, warum dreht sich die aktuelle Diskussion dann um ihre Knappheit? Die Optionen liegen auf der Hand: Grab nach mehr, finde Ersatzteile oder recycle das, was schon da draußen ist. Aber die Herausforderung der „Knappheit” ist komplizierter als gedacht.

Seltene Erden sind eng mit der Nanotechnologierevolution verbunden: vom hauchdünnen Touchscreen bis zu effizienten Batterien. Hier zu sehen: das Metall Neodym. Foto: Images of Elements, CC BY 3.0.

Das Ausfindigmachen reicher Vorkommen ist nur der Anfang eines schwierigen Gewinnungsprozesses. Nachdem das Gestein abgebaut wurde, können die Elemente nur schwer mithilfe chemischer Verarbeitung vom Gestein gelöst und schließlich verfeinert werden. Es ist ein schmutziges, aber vor allem gefährliches Geschäft, das eine Serie an Säurebädern beinhaltet und so ganz nebenbei auch noch radioaktiven Müll produziert. Die Abfallproduktion ist – außer in China – streng reguliert, welches natürlich die Produktionskosten in die Höhe treibt. In den letzten 30 Jahren wurde die Produktion immer mehr in das Reich der Mitte verlagert. Heutzutage kontrolliert es fast 70 % des Seltene Erden-Marktes. Expert*innen warnen vor den geopolitischen Konsequenzen, die Chinas hoher Marktanteil mit sich bringen könnte – von sozialen und ökologischen Konflikten mal ganz abgesehen. Die Tatsache, dass in einer Welt nach COVID-19 so viele bedeutende Industriezweige von China abhängig sind, scheint seltsam: erneuerbare Energien, medizinische Forschung, Silicon Valley und sogar das US-amerikanische Verteidigungsministerium. Das globale Wettrennen um Hightech-Geopolitik hat begonnen und Seltene Erden spielen dabei eine bedeutende Rolle. Aber wenn es darum geht, auf die Zukunft dieser Ressourcen zu wetten, können wir uns kaum vorstellen, was als Nächstes kommt. Wohin sollte man sein Investment-Auge werfen? Auf die globalen Metallbestände, die chemische Forschung, IT und maschinelles Lernen oder gar auf den intergalaktischen Bergbau?