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Bild: Lina Tesch

Trans*Aktivistin Phenix Kühnert – die Norm gibt es nicht

Trans* Menschen werden in Deutschland diskriminiert, und zwar in allen Facetten ihres Lebens. Nicht nur von Fremden, Familienangehörigen, Kolleg:innen oder Arbeitgebern. Auch Behörden und die Politik machen es ihnen aktuell noch schwer, sie selbst zu sein. In ihren Ausweisen, Urkunden und Zeugnissen stehen tote Namen, die nichts mit ihnen zu tun haben. Ein neues Selbstbestimmungsgesetz bahnt sich jedoch gerade am Horizont an. Doch berühmte Feminist:innen wie Alice Schwarzer hetzen dagegen. Wir haben mit Phenix Kühnert gesprochen, eine Aktivistin, die genau weiß, was es bedeutet, eine Transition zu durchleben und endlich mit ihrem echten Ich auf dieser Welt zu sein.

Auf keinen Menschen passt das Bild des Phönixes, der sich aus der Asche erhebt, so gut wie auf die Autorin und Aktivistin Phenix Kühnert. Auf Instagram teilt sie ihre persönlichen Gedanken und Erfahrungen während ihrer Transition. So offen, humorvoll und ehrlich sind auch ihr Podcast und ihre Texte (übrigens auch hier bei Qiio). Seit ein paar Monaten steht Kühnerts erstes Buch im Buchhandel. Das haben wir zum Anlass genommen, um mit ihr über ihr Leben in der Öffentlichkeit, Neo-Pronomen und Alice Schwarzer zu sprechen.

In drei Sätzen: Worum geht es in deinem Buch?

Was (und wen) möchtest du mit deinem Buch erreichen?

Zum einen möchte ich Menschen erreichen, die respektvoll und offen mit ihren Mitmenschen umgehen wollen, aber vielleicht kaum oder keine queeren/trans* Menschen in ihrem Leben haben. Und ich möchte andere Queers erreichen, da ich aus eigener Erfahrung weiß, wie wichtig der Austausch untereinander ist, um sich nicht allein zu fühlen. Ich möchte eine Freundin in Buchform sein.

Hättest du dir als Kind oder Jugendliche gewünscht, dass es Bücher wie deins bereits gegeben hätte?

Realistisch betrachtet hätte ich das Buch als Kind oder Jugendliche nicht gelesen. Als Kind habe ich eher Pferdebücher gelesen und als Jugendliche Postings auf Facebook. Ich glaube, was mir wirklich etwas gebracht hätte, wäre zum einen, wenn Erwachsene in meinem Umfeld ein solches Buch gelesen hätten und zum anderen, wenn es ehrliche Diversität und so Repräsentation in den Medien gegeben hätte, die ich in dem Alter konsumiert habe. Bücher waren das leider damals nur selten.

Es gibt Trans*Aktivist:innen, die bemerken, dass mehr Transawareness in der Gesellschaft leider auch oft mit mehr Anfeindungen von Trans* Menschen einhergeht. Wie siehst du die Problematik?

In unserer Gesellschaft ist es leider üblich, dass Menschen, die einer marginalisierten Gruppe angehören, und dennoch einen gewissen Raum einnehmen, Anfeindungen erleben müssen. Ich denke, dass hier unbedingt etwas unternommen werden muss. Ganz persönlich beschäftige ich mich nicht mit Menschen, die ihre Energie darauf verschwenden, unnötigen Hass gegen mich oder andere zu verbreiten.

“In unserer Gesellschaft ist es leider üblich, dass Menschen, die einer marginalisierten Gruppe angehören, und dennoch einen gewissen Raum einnehmen, Anfeindungen erleben müssen. Ich denke, dass hier unbedingt etwas unternommen werden muss.” Bild: Lina Tesch

Erlebst du durch deine Bekanntheit auch negative Aspekte dieser Öffentlichkeit?

Schon, ja. Ich werde immer öfter in der Öffentlichkeit erkannt und angesprochen, was mich jedes Mal sehr freut. Dennoch ist es ein gewisser Schwund von Privatsphäre. Neben meiner eigenen ist mir ist die Sicherheit meiner Familie und Freund:innen extrem wichtig. Ich versuche sie grundsätzlich davor zu schützen. So gibt es Menschen in meinem nächsten Umfeld, die nicht auf meinen Social-Media-Accounts auftauchen.

Was ist für dich ein guter Ally?

Eine Person, die sich eingesteht, nicht alles zu wissen, nicht alles hundertprozentig nachvollziehen zu können, sich dennoch in Menschen hineinversetzt und Empathie zeigt. Eine Person, die sich selbstständig in Themen der Diskriminierung bildet und an der Seite von Marginalisierten gegen eben diese Diskriminierung einsteht.

Was kann man lernen, um ein guter Ally zu werden?

Mein Buch lesen! (lacht) Ich finde Social Media dafür auch einen guten Ort. Die Möglichkeit verschiedensten Menschen zu folgen ist absolut toll. Die Liste derer, denen ich folge, versuche ich sehr divers zu halten. So erfahre ich ganz viel über Lebensrealitäten, die nicht meine eigenen sind. Und das ist so wichtig. Dafür müssen diese Personen auch nicht alle aktivistischen Content hochladen. Auch alltägliche Perspektiven sind hilfreich, um sich in andere hineinzuversetzen.

Zurzeit besteht eine große Diskussion in Deutschland auch zum Thema Neo-Pronomen wie zum Beispiel Sier oder Xiert. Könntest du dir vorstellen, dass diese sich in Zukunft durchsetzen?

Ich hoffe zunächst, dass sich wie in anderen Sprachen zumindest mal ein geschlechtsunspezifisches Pronomen durchsetzt wie they im Englischen. Das wäre toll. Und das für alle. Es wäre super, wenn es hier eine einheitliche Form gäbe, um die Umsetzung möglich zu machen.

Für Phenix ist ein guter Ally eine Person, die sich eingesteht, nicht alles zu wissen, nicht alles hundertprozentig nachvollziehen zu können, sich aber dennoch in Menschen hineinversetzt und Empathie zeigt. Eine Person, die sich selbstständig in Themen der Diskriminierung bildet und an der Seite von Marginalisierten gegen eben diese Diskriminierung einsteht. Bild: Lina Tesch

Wie würden sie konkret den deinen Alltag verändern?

Dies könnte nicht nur für non-binary Personen, sondern auch in Stellenausschreibungen etc. genutzt werden. Es wäre ein Fortschritt.

Zum ersten Mal sind mit Tessa Ganserer und Nyke Slawik zwei Trans*frauen Teil des Bundestags. Schöpfst du dadurch Hoffnung auf mehr politischen Fortschritt für Queere und Trans*menschen? 

Auf jeden Fall. Dies ist genau die Repräsentation, die ich mir wünsche. Die beiden sind dort, weil sie gut sind, in dem was sie tun und nicht weil sie trans sind.

Was würdest du gerne Alice Schwarzer mal ins Gesicht sagen?

LOL

Du schreibst in deinem Buch „wenn sich alle Menschen, die von der Norm abweichen, zusammentäten, dann wäre die Norm nicht mehr die Norm“. Glaubst du, die Idee einer Norm oder einer Mainstreamgesellschaft gehört in die Vergangenheit?

In meiner Traumwelt ja, in der Realität sind wir wohl zu tief in diesen „Normen“ verworren. Aber die Hoffnung stirbt ja bekanntlich zuletzt.