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Bild: Marc Hodson, 101holidays, (CC BY 2.0).

Airmageddon Sommer: Das Chaos an Flughäfen trifft auf die Rache an der verlorenen Zeit

Die postpandemische Reiselust ist da, und sie hat bereits einen Namen: Revenge travel boom. Die kollektive Rache an der verlorenen Zeit durch Pandemie, Inflation und Krieg macht sich in diesem Sommer besonders an überfüllten Flughäfen bemerkbar und legt so manche Defizite an Flughäfen offen. 

Wenn ihr das Gefühl habt, dass gerade jede:r im Urlaub ist, habt ihr wahrscheinlich recht. Denn nach mehr als zwei Jahren Pandemie und Monaten von Krieg und Inflation ist sie wieder da: die Reiselust. Nach Angaben der europäischen Reisekommission ETC planen 73 % der Europäer:innen, zwischen Juni und November 2022 zu verreisen. Doch Reisekosten sind aufgrund der Inflation auf ein Rekordhoch geschossen. 

Aufgrund der erhöhten Nachfrage und der gestiegenen Kerosinpreise zahlen Reisende diesen Sommer bis zu 45 % mehr für Flugtickets. Eurowings-Chef Jens Bischof kündigte derweil an, dass die Ticketpreise um weitere 10 % steigen werden. „Fliegen wird teurer und muss auch teurer werden“, sagte er der Rheinischen Post. Die Zeit der Billigtickets sei „ganz klar vorbei“. 

Der monatliche Verbraucherpreisindex zwischen 2020 und 2022 zeigt, was viele bereits bemerkt haben: Die Zeit der Billigtickets scheint endgültig vorbei zu sein. Quelle: Statista, monatlicher Verbraucherpreisindex für die Personenbeförderung im Luftverkehr in Deutschland von Juni 2020 bis Juni 2022

Aber was hat der Reise-Boom eigentlich mit Rache zutun? „Revenge travel ist ein mediales Buzzwort, das erstmals 2021 aufkam, als die Welt sich langsam wieder dem Tourismus öffnete und viele Menschen entschieden, die verlorene Zeit wieder wettzumachen“, sagt Erika Richter, Vize-Präsidentin der American Society of Travel Advisors (ASTA). 

Die Tourismus-Explosion, die so manch eine:n am Flughafen zur Weißglut treibt, wird von Medien als „Rache“ an der verlorenen Zeit beschrieben, oder eben als Rache an der Pandemie selbst. Nach zwei Jahren Netflixsucht und Youtube-Yoga möchten sich Reisende den Urlaub diesen Sommer nicht mehr nehmen lassen. 

Flughäfen sind überfordert

Während sich die Kundschaft wohl oder übel mit den hohen Preisen abgefunden hat, hört man von Reisenden immer wieder vom Chaos an den Flughäfen. Flugverspätungen und Ausfälle, endlose Schlangen an Schaltern, verlorenes Gepäck und verärgerte Reisende. Die Airline Emirates nannte die Lage am Flughafen Heathrow letzte Woche eine Airmageddon Situation.

Auch an deutschen Flughäfen ist die Lage chaotisch. Das dürfte wohl daran liegen, dass die erhöhte Reisenachfrage auf komplizierte Prozesse und Personalmangel treffen. „Für Reisen im Sommer 2022 braucht es Nerven aus Stahl. Und man muss sich auf echte Zumutungen einstellen“, schrieb Oliver Santen vom Bundesverband deutscher Banken erst kürzlich in einem Reisebericht.

Ein vermeidbares Chaos, denn wie so oft liegt Deutschland in Sachen smart control – also intelligenter Sicherheitskontrolle – im Gegensatz zu anderen Flughäfen dieser Welt noch weit zurück. In Zukunft könnte die Sicherheitskontrolle an den Flughäfen dieser Welt eigentlich viel einfacher und schneller über die Bühne gehen. Und diese Zukunft ist an einigen Flughäfen längst Gegenwart.

Stellt euch vor, ihr würdet einfach nur noch durch einen Sicherheitstunnel laufen, der eure Kleidung und euer Gepäck auf gefährliche Gegenstände scannt, während Kameras mit Gesichtserkennung eure Passdaten automatisch erfassen. Ganz ohne den Laptop ein- und wieder auszupacken, ohne die Verschwendung von unzähligen Litern von Flüssigkeiten in dafür eigentlich ungeeigneten Plastiktonnen, und ganz ohne den rituellen Striptease vor dem Sicherheitspersonal. 

Deutsche verhalten sich Technik gegenüber skeptisch

Am Flughafen in Dubai wurde bereits 2018 die Passkontrolle mit sogenannten Smart Tunnels auf nur neun Sekunden verkürzt. Auch in Miami, Amsterdam, Singapur, Seoul oder San Francisco wird bereits auf intelligente Technologien gesetzt, um Zeit zu einzusparen. 

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Bis wir in Deutschland in den Genuss von unkomplizierten Pass- und Sicherheitskontrollen kommen, wird es aber noch dauern, sagte Luftfahrtexperte Gerald Wissel der Zeit: „Die Emirate sind deutlich technikfreundlicher als wir. Wir haben in Deutschland bis heute noch eine beachtliche Anzahl an Skeptikern, die der biometrischen Kontrolle nicht vertrauen – und daran scheitert das Ganze häufig erst mal.“ 

Bis Passagiere in Deutschland durch eine vollautomatisierte Kontrolle am Flughafen kommen, könnte es noch 30 Jahre dauern, vermutet der Experte. Also gilt trotz revenge travel an deutschen Flughäfen weiterhin erstmals: Abwarten, Schlange stehen und beten, dass der Flug nicht abgesagt wird.