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Kompendium: Eco Violence

Diamanten stehen für Glamour, Luxus und Reichtum. Doch in ihren Herkunftsländern führen sie häufig eher zu sozialer Ungerechtigkeit, innerstaatlichen Spannungen und finanzieren Ende des 20. Jahrhunderts sogar Kriege.

Kompendium: Eco Violence

Wir Menschen leben über unsere Verhältnisse auf der Erde. Die Ressourcen werden knapp. Unter anderem geht uns das Wasser aus. Die knappe Ressource birgt schon heute hohes Konfliktpotential. Ein Blick auf den Nil.

Kompendium: Eco Violence

Mit der fortschreitenden Klimakrise stehen uns (bewaffnete) Konflikte über knappe Lebensgrundlagen bevor – so die Prognose, die seit Jahrzehnten kursiert. Dr. Michael Brzoska, Senior Research Fellow am Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik der Universität Hamburg erklärt, warum knappe Ressourcen und kaputte Ökosysteme nicht zwangsläufig zu Konflikten führen müssen.

Kompendium: Eco Violence

Im 22. Jahrhundert herrscht Eco-Peace – globaler Frieden, der auf einem gerechten Umgang mit Mitmenschen und der Natur beruht. Der Umgang mit knappen Ressourcen gehört längst zum Alltag und die Menschheit beginnt, auf Augenhöhe zu kooperieren. Ein Gedankenexperiment zu einer Zukunft mit globalem Ressourcen-Frieden. 

Kompendium

Die Geschichte von bewaffneten Konflikten legt nahe, dass der Zustand unserer Ökosysteme und die Verfügbarkeit von Ressourcen eng mit sozialen Unruhen verknüpft sind. Aber wie genau hängen bewaffnete Konflikte mit Ressourcenknappheit und gefährdeten Ökosystemen zusammen? Und könnte Ressourcenreichtum womöglich noch gefährlicher als Ressourcenarmut sein?

Kompendium: Eco Violence

Das 19. Jahrhundert und seine industriellen Entwicklungen bringen für die Kontinental-Mächte Europas Aufschwung. Doch nach Jahrtausenden der Landwirtschaft drohen die Ackerböden zu verkommen. Vogel-Exkremente in Peru entpuppen sich als Düngemittel – und provozieren einen erbitterten Kampf um Ressourcen.

Kompendium: Eco Violence

Die Macht der Ressourcen: Wenn Länder wegen Vogelexkrementen in den Krieg ziehen

Kompendium: Eco Violence

Die Macht der Ressourcen: Wenn Länder wegen Vogelexkrementen in den Krieg ziehen

Bild: Public domain.

Das 19. Jahrhundert und seine industriellen Entwicklungen bringen für die Kontinental-Mächte Europas Aufschwung: Wachsende Bevölkerungen, Urbanisierung, Industrialisierung. Doch nach Jahrtausenden der Landwirtschaft drohen die Ackerböden zu verkommen. Vogel-Exkremente erweisen sich als Düngemittel der Wahl – und provozieren einen erbitterten Kampf um Ressourcen.

Mehr als 40 Jahre nachdem Peru seine Unabhängigkeit von Spanien erklärt hat, besetzt eine spanische Flotte am 14. April 1864 drei kleine Inseln im Westen Perus. Auf den ersten Blick wirkt die Inselgruppe, auf der 400 Marinesoldaten die spanische Flagge hissen, nicht weiter wertvoll. Goldminen und Plantagen sind hier keine. Die peruanischen Chincha-Inseln sind seit langem unbewohnt, und abgesehen von dunklen Granit-Felsen ist weit und breit nichts zu sehen. Von einer verlassenen Insel sind sie dennoch weit entfernt. Denn 21 Kilometer westlich der peruanischen Küste werden hunderte Soldaten von ebenso vielen Seevögeln begrüßt, die auf Bergen von stinkender Vogelscheiße sitzen. Und eben diese Scheiße hat die Spanier angelockt. Sie ist ihnen sogar so kostbar, dass sie bereit sind, einen Krieg zu beginnen.

Die dort heimischen Guanokormorane sind besondere Tiere. Sie zeichnen sich durch ihr bläulich- bis grünlich-schwarzes Gefieder an der Rück- und weißes Gefieder an der Vorderseite aus. Sie werden bis zu 76 Zentimeter groß und verrichten ihre Notdurft um die zwanzigmal am Tag – ein wichtiges Detail. Denn die spanische Flotte hat ihr Ziel nicht wahllos gewählt. Zwischen den Granit-Felsen der Chincha-Inseln türmen sich weitere Berge, bestehend aus verwitterten Vogelexkrementen. Sie wachsen auf dem kalkreichen Boden in den regenarmen Gefilden auf bis zu 30 Meter an und enthalten verschiedene Phosphate. Schon seit dem 12. Jahrhundert nutzen die indigenen Völker Perus den sogenannten Guano landwirtschaftlich – lange bevor Europa das Wunder-Düngemittel für sich entdeckt. In der Sprache der Inka bedeutet Guano „Dung“. Mit hohen Anteilen an Stickstoff und Phosphorsäuren sind die Vogel-Exkremente das ideale Düngemittel.

Die kostbaren Exkremente der Guanokormorane entfachten zwischen Spanien und Peru einen Ressourcenkrieg. Bild: Freshwater and Marine Image Bank, University of Washington, public domain.

Westliche Ackerböden sind zur Mitte des 19. Jahrhunderts erschöpft

Während ihrer Herrschaft über Peru übersehen die spanischen Kolonialherren Guano größtenteils. Erst Alexander von Humboldt macht Europa im 19. Jahrhundert auf die Vogel-Exkremente aufmerksam. Das Interesse des deutschen Forschungsreisenden wird geweckt, als er während seines Aufenthalts in Lima vom kostbaren Guano erfährt. Bei seiner Rückkehr im Jahr 1804 nimmt er eine Probe mit nach Europa und lässt sie untersuchen. Die Ergebnisse erweisen sich als weitreichend – für die europäische Landwirtschaft, die ein gutes Düngemittel im 19. Jahrhundert bitter nötig hat; für den peruanischen Frieden, der von 1865 bis 1879 abhandenkommt; und nicht zuletzt für die Guanokormorane selbst, deren Lebensraum plötzlich dem Raubbau zum Opfer fällt. Denn die Wissenschaftler stellen fest, was die Einheimischen längst wussten: Guano ist vielversprechender als die meisten anderen Düngemittel der Zeit. Die Guanokormorane gelten fortan als Billion Dollar Birds.

Guano ist das Wundermittel, nach dem Europa und Nordamerika jahrelang gesucht haben. Während des 18. Jahrhunderts verdoppelt sich die westeuropäische Bevölkerung von 100 auf 200 Millionen Menschen. Bis zum Ende des 19. Jahrhunderts sind es ganze 400 Millionen Menschen. Doch die Böden, die es zur Versorgung der wachsenden Bevölkerung braucht, sind längst abgenutzt. Das Ökosystem Boden droht zu kollabieren. Die europäischen Mächte suchen so verzweifelt nach einem Düngemittel, dass Großbritannien es sogar mit Knochen aus den sizilianischen Katakomben versucht. Ab 1841 ist Großbritannien dann auch das erste europäische Land, das peruanischen Guano importiert. Die Vereinigten Staaten tun es ihnen bald gleich und innerhalb kurzer Zeit schließen sich auch Deutschland und Frankreich an. Die nachhaltige Guanoernte in Peru weicht einem ausbeuterischen Raubbau.

Als 1841 Großbritannien als erstes europäisches Land das peruanische Guano importiert und die USA, Deutschland und Frankreich schon bald folgen, weicht die nachhaltige Guanoernte einem ausbeuterischen Raubbau. Bild: Metropolitan Museum of Art, CC0, public domain.

Handelsabkommen stimmen westliche Nationen nur kurzzeitig zufrieden

Zunächst scheint es, als profitierten alle: Die peruanische Wirtschaft wächst, weil sie immer mehr mit europäischen und nordamerikanischen Nationen handelt. Beinahe 60 Prozent der jährlichen Einnahmen verdankt sie den Exkrementen der Guanokormorane. Und auch die europäischen Länder scheinen zufrieden – ihre landwirtschaftlichen Sorgen sind dank der Billion Dollar Birds wie verpufft, der Ertrag ist gerettet. Doch das Blatt wendet sich, als 1864 auch das spanische Königreich Ansprüche geltend machen möchte und die Chincha-Inseln kurzerhand besetzt. Ein Jahr zuvor war ein spanischer Einwohner während eines Streits mit 40 peruanischen Einheimischen zu Tode gekommen. Das spanische Königreich fordert daraufhin eine Entschuldigung sowie Reparationszahlungen. Peru weigert sich und Spanien verlangt immer mehr. Als die peruanische Regierung den spanischen Wünschen trotzdem nicht nachkommt, macht die spanische Flotte kurzen Prozess – und besetzt die Inseln. Womit das spanische Königreich nicht rechnet: Chile, Ecuador und Bolivien schließen sich Peru bald an, verwehren den spanischen Soldaten den Zugang zu wichtigen Häfen und kämpfen gemeinsam gegen Spanien. Schon nach zwei Jahren zieht sich die spanische Flotte von südamerikanischem Gebiet zurück.

Planloser Raubbau bringt selbst erneuerbare Ressourcen zum Erliegen

Die südamerikanische Solidarität speist sich während des Kriegs aus der Befürchtung, Spanien wolle seine Macht über die ehemaligen Kolonialgebiete wiedererlangen. Zwar hatte Peru seine Unabhängigkeit von Spanien schon 1821 erklärt, doch Spanien hatte diese erst 1879 anerkannt. Der Spanisch-Südamerikanische Krieg, dessen militärische Gefechte nur von 1864 bis 1866 andauerten, wird häufig auf ebendiese Intention Spaniens zurückgeführt. Die Belagerung der Chincha-Inseln zeigt zudem: Auch der Raubbau von Vogelexkrementen spielte eine entscheidende Rolle. Nicht umsonst wird die militärische Auseinandersetzung häufig auch als Guano-Krieg bezeichnet.

Die Belagerung der Chincha-Inseln zeigt, dass auch der Raubbau von Vogelexkrementen eine entscheidende Rolle im Spanisch-Südamerikanischen Krieg spielte. Nicht umsonst wird die militärische Auseinandersetzung häufig auch als Guano-Krieg bezeichnet. By Lithographer: F. DelamarePrinter: Jacomme & Cie, public domain.

So fällt der Spanisch-Südamerikanische Krieg eindeutig auch unter die Kriterien eines Ressourcenkonflikts – eine politische sowie militärische Auseinandersetzung um die Verteilung bedeutender Rohstoffe. Solche Konflikte entstehen häufig angesichts eines (existenziellen) Mangels an Ressourcen mit anderen Nationen, bei denen dieselben Rohstoffe im Überfluss existieren. Vogel-Exkremente sind wohl die letzte Ressource, die westliche Nationen vor der Mitte des 19. Jahrhunderts als essenziell eingeordnet hätten. Doch nährstoffarme Ackerböden machen den peruanischen Guano schier unentbehrlich. Was aus dem Kollaps der westlichen Böden resultierte, zeichnet Ressourcenkonflikten aus: (Bewaffnete) Auseinandersetzungen und Raubbau, der einen üppigen Rohstoff rasch in eine knappe Ressource verwandelt. So auch in Peru: Der rapide Guano-Abbau auf den Chincha-Inseln schert sich wenig um die Endlichkeit des Rohstoffs, ebenso wenig um die Brutzeiten der Vögel. Bereits in den späten 1870ern ist der Lebensraum der Guanokormorane auf den Chincha-Inseln zerstört und die Guano-Vorräte beinahe aufgebraucht. Die peruanische Wirtschaft hat einen ihrer Verkaufsschlager innerhalb kurzer Zeit auf- und wieder abgebaut und die europäischen Länder gehen schon bald zum nächsten großen Hype über – dem synthetischen Düngemittel.

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Kompendium: Eco Violence

Wie Diamanten für Sierra Leone zu einem blutigen Fluch wurden

Kompendium: Eco Violence

Wie Diamanten für Sierra Leone zu einem blutigen Fluch wurden

Bild: AMISOM Photo / Barut Mohamed, public domain.

Diamanten stehen für Glamour, Luxus und Reichtum. Das mag in der westlichen Welt stimmen. In ihren Herkunftsländern führt der Bodenschatz häufig eher zu sozialer Ungerechtigkeit, innerstaatlichen Spannungen und finanziert Ende des 20. Jahrhunderts sogar Kriege.

Sierra Leone ist ein Ort der Paradoxe. Der westafrikanische Staat ist reich an Diamanten und zugleich eines der ärmsten Länder der Welt. Während Sierra-Leone der zehntgrößte Produzent von Naturdiamanten weltweit ist, lebt über die Hälfte der Bevölkerung unter der Armutsgrenze. 26 Prozent leiden an Unterernährung. Siebt tatsächlich einer der vielen Schürfer zwischen Schlamm und Kieselsteinen wertvolle Diamanten aus, so verschiffen Händler diese schnurstracks in westliche Länder. Bei den Schürfern selbst kommt vom hohen Marktpreis nicht viel an. Ein Zustand, der sich seit Jahrzehnten hält.

Zunächst ist es die britische Kolonie, die den kostbaren Bodenschatz für sich beansprucht. Nach der Unabhängigkeit von Großbritannien im Jahr 1961 entwickelt sich Premierminister Siaka Stevens infolge einer vermeintlich demokratischen Wahl zum populistischen Einparteienherrscher. Er ist der Erste, der neben der ökonomischen auch die politische Macht erkennt, die die sierra-leonischen Diamanten versprechen. Schon bald bringt er die Minen unter seine Kontrolle und sorgt dafür, dass lediglich einige wenige vom Bodenschatz profitieren – allen voran er selbst. Immer wieder werden Proteste an seiner Regierung laut. Die Lage spitzt sich zu, als die regierende Einheitspartei mit Stevens Rücktritt 1985 Joseph Momoh als neuen Premierminister nominiert. Unter seiner Herrschaft florieren fortan Korruption und illegaler Diamantenhandel. Im Kampf gegen die Regierung Momohs beginnt die Rebellengruppe Revolutionary United Front (RUF) 1991 einen Bürgerkrieg. Er zieht sich über zehn Jahre und kostet mehr als 50.000 Leben. Finanziert werden die Kämpfe mit Sierra Leones größtem Schatz – den Diamanten.

Nach der Unabhängigkeit von Großbritannien im Jahr 1961 entwickelt sich Premierminister Siaka Stevens zum populistischen Einparteienherrscher. Er ist der Erste, der neben der ökonomischen auch die politische Macht der sierra-leonischen Diamanten erkennt. Bild: US Department of State, Public domain, via Wikimedia Commons

Sierra Leones Diamanten bezahlen zehn Jahre der Gräueltaten

RUF-Gründer Foday Sankoh inszeniert sich zu Beginn des Bürgerkriegs als Gerechtigkeitskämpfer, der verarmten Bauern einen fairen Anteil an den Bodenschätzen sichern möchte. Das Vertrauen, das die Rebellen aufgrund dieser Intention zunächst aus Kreisen der Bevölkerung genießen, verblasst schnell. Denn um das Versagen der Regierung unter Beweis zu stellen, sind Sankoh alle Mittel recht. Er vergewaltigt, quält und tötet zusammen mit seinen Mitstreitern eben jene Bürger:innen, die er zu schützen versprochen hat. Lange Zeit kann die sierra-leonische Armee nichts gegen die Gräueltaten ausrichten. Stevens hatte das Training der Soldaten während seiner Herrschaft strategisch verhindert, aus Angst, sie könnten eine Bedrohung für ihn darstellen. Nachdem die RUF verschiedene Diamantenminen im Osten des Landes besetzt, werden die sierra-leonischen Soldaten zudem immer unzufriedener. Mit den staatlichen Einkünften des Diamantenhandels fallen auch die fairen Gehälter der Armee weg. So geht auch sie bald dazu über, Dörfer zu überfallen, Zivilist:innen auszurauben und Kriegsverbrechen zu begehen. Die Zivilbevölkerung beginnt daraufhin, sich mithilfe von Selbstverteidigungsmilizen zu wehren.

Der sierra-leonische Bürgerkrieg ist geprägt von zwei erfolgreichen Putschversuchen, der Intervention ausländischer Sicherheitsunternehmen sowie Regierungen und zwei gescheiterten Friedensabkommen. Erst 2002, nachdem erneut verschiedene Nationen eingreifen, wird der Bürgerkrieg endgültig für beendet erklärt. Was bleibt ist ein Begriff, der so schaurig wie bezeichnend für die Jahre 1991 bis 2002 in Sierra Leone ist: Blutdiamanten.

Der Diamantenabbau hat in Sierra Leone den Bürgerkrieg finanziert. Bild: Mummane, CC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons

Ein innerstaatlicher Ressourcenkonflikt, finanziert durch eine Konfliktressource

Lange Zeit ist der Kampf um die Vorherrschaft auf sierra-leonischem Boden gleichbedeutend mit dem Kampf um die Diamantenminen. Die Blutdiamanten spielen eine so zentrale Rolle im Bürgerkrieg Sierra Leones sowie anderer afrikanischer Länder, dass die Generalversammlung der United Nations 2001 zu einem weniger grafischen, offizielleren Begriff greift: Konfliktdiamanten. Zwar sind die sozialen Ungerechtigkeiten rund um den Diamantenreichtum durchaus auch Auslöser des Bürgerkriegs. Im Fall der Konfliktdiamanten erweisen sie sich aber insbesondere als Mittel zu dessen Finanzierung. So heißt es im Schriftstück der Generalversammlung: „Konfliktdiamanten sind Rohdiamanten, die von Rebellenbewegungen verwendet werden, um ihre militärischen Aktivitäten zu finanzieren, einschließlich Versuchen, […] legitime Regierungen zu stürzen.“

Ressourcenreichtum erhöht das Risiko für Konflikte

Sierra Leone ist bei weitem nicht die einzige Nation, der der eigene Ressourcenreichtum zum Verhängnis wird. Seit den 1980ern gehen Forscher:innen der These nach, dass der Reichtum an natürlichen Ressourcen entgegen der gängigen Erwartungen kein Segen, sondern ein Fluch sei. Ecoviolence, also der Zusammenhang zwischen dem Zustand von Ökosystemen und menschlicher Unruhen, entsteht also nicht nur da, wo Ökosysteme leiden oder Ressourcen knapp sind. Ganz im Gegenteil: Gewinnt eine Ressource an monetärer Bedeutung, so sind Staaten, in denen sie besonders häufig vorkommt, unter Umständen sogar gefährdet. Die Betrachtungen rund um den Ressourcenfluch machen deutlich, dass der Reichtum an natürlichen Rohstoffen in beide Richtungen gehen kann: Auf der einen Seite kann er für Entwicklungsländer eine unerlässliche Quelle des Kapitals sein. Eine Analyse des Bonn International Centre for Conflict Studies fand auf der anderen Seite aber auch ein erhöhtes Risiko für gewaltvolle Konflikte, das mit Ressourcenreichtum einhergeht. Eine gute Regierungsführung sowie Verwaltung der Ressourcen können diesem Risiko entgegenwirken. Dazu gehören insbesondere die faire Umverteilung des Ressourcenreichtums sowie der transparente und legale Ressourcenhandel. Insbesondere im Zuge des Klimawandels können in Zukunft ungeahnte Ressourcen an Bedeutung gewinnen. Dann werden solche Mechanismen zur Verwaltung der Ressourcen wichtig.

Ressourcenreichtum – Fluch oder Segen? Gewinnt eine Ressource an monetärer Bedeutung, so sind Staaten, in denen sie besonders häufig vorkommt, unter Umständen sogar gefährdet. Bild: Lucas Santos

Sierra Leone scheint letzteres seit einigen Jahren anzugehen: Jeder Stein, der von Schürfen zu zertifizierten Händlern und weiter zu Käufern wandert, soll heute registriert werden. Der sierra-leonische Minister für Bergbau Morie Manyeh beharrt sogar darauf, dass jeder verkaufte Stein zur Entwicklung des Landes beitrage. Doch die Natur und Lebensqualität rund um die Diamantenminen nimmt Schaden. Familien werden teils permanent umgesiedelt, der Grundwasserspiegel sinkt, vormals idealer Ackerboden ist unbrauchbar und in Gruben sammelt sich Wasser, das Malaria verbreitet. Während also eine Ressource vermarktet wird, nehmen andere lebenswichtige Rohstoffe in Sierra Leone langsam ab. Nicht auszuschließen, dass eben diese knappen Rohstoffe und leidenden Ökosysteme zukünftig zu neuen Konflikten führen. Laut Expert:innen verpasst die westafrikanische Nation durch ihren Fokus auf den Diamantenhandel derweil die Möglichkeit, andere Wirtschaftszweige zu entwickeln. Sierra Leone führt den Human Development Index der United Nations – ein Wert, der neben dem Durchschnittseinkommen auch die Lebenserwartung und Schullaufbahn der Nationen einrechnet – heute quasi von unten an. Was für die Käufer-Nationen der Edelsteine ein wirtschaftlicher Segen ist, war für die Mehrheit in Sierra Leone immer nur eines: Ein Fluch.

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Kompendium: Eco Violence

Ägypten und Äthiopien – Der schlummernde Konflikt um das Wasser des Nils 

Kompendium: Eco Violence

Ägypten und Äthiopien – Der schlummernde Konflikt um das Wasser des Nils 

Auch am Beispiel Nil zeigt sich: Ressourcenreichtum kann schnell zu Konflikten führen, wie im Fall von Äthiopien und Ägypten, die beide auf den Fluss angewiesen sind. Bild: Vyacheslav Argenberg, CC BY 4.0, public domain.

Wir Menschen leben über unsere Verhältnisse auf der Erde. Die Ressourcen werden knapp. Unter anderem geht uns das Wasser aus. Die knappe Ressource birgt schon heute hohes Konfliktpotential. Ein Blick auf den Nil.

Debatten zur Klimakrise machen zunehmend deutlich: Unsere Erde ist endlich. Ihre Ressourcen sind es umso mehr. Fossile Brennstoffe, fruchtbare Böden, Wasser – sie alle werden knapp. Wo aber zu wenig Ressourcen und zu viele Anwärter:innen sind, kommt es häufig zu Konflikten.

Wie steht es also um die Ressourcenkonflikte der Menschheit? Das Konfliktbarometer des Heidelberger Instituts für Internationale Konfliktforschung offenbart: nicht sonderlich gut. 2021 spielten Rohstoffe in 94 von 355 Konflikten niedriger bis hoher Intensität eine Rolle. Damit landen Ressourcen hinter System und Ideologie auf Platz zwei der Konfliktgründe. 60 dieser 94 Rohstoffkonflikte wurden zudem unter Anwendung von Gewalt ausgetragen. Allerdings gibt es auch gute Nachrichten: In nur acht dieser Konflikte waren Ressourcen die alleinige Ursache. Zu Konflikten kommt es also selten aufgrund von Ressourcenknappheit allein – zumindest bisher. Rund 71 Prozent der vom Heidelberger Barometer verzeichneten Ressourcenkonflikte des Jahres 2021 wurden innerstaatlich ausgetragen. Auf zwischenstaatlicher Ebene geht es bei Ressourcenkonflikten derweil vorwiegend um fossile Energien, Wasser und Fischerei – also Ressourcen, die tatsächlich knapp sind und in den kommenden Jahren immer knapper werden.

Das Heidelberger Konfliktbarometer zeigt: 2021 spielten Rohstoffe in 94 von 355 Konflikten niedriger bis hoher Intensität eine Rolle. Damit landen Ressourcen hinter System und Ideologie auf Platz zwei der Konfliktgründe. Bild: Screenshot Heidelberger Konfliktbarometer

Wasser birgt schon heute ein hohes Konfliktpotential

Einer dieser knappen Rohstoffe rückt in Betrachtungen der Klimakrise immer mehr in den Fokus. Schon heute leben laut United Nations zwei Milliarden Menschen ohne sicher verwaltete Trinkwasserversorgung. Prognosen zufolge soll dieser Wert bis 2030 auf 2,8 Milliarden Menschen ansteigen. Das Konfliktpotential rund um die Ressource Wasser zeigt sich mit Blick auf Nationen wie Israel, Syrien und Jordanien schon heute. Auch am längsten Fluss der Erde spielt sich aktuell eine Auseinandersetzung um Wasser ab, die das Heidelberger Konfliktbarometer 2021 als gewaltfreie Krise einstuft – eine Stufe unter der gewaltvollen Krise. Es ist einer der acht Konflikte, der sich 2021 ausschließlich um Ressourcen drehte.

Der Blaue Nil entspringt im Nordwesten Äthiopiens, der Weiße Nil im ostafrikanischen Binnenstaat Burundi. Die beiden Flüsse treffen in der sudanesischen Hauptstadt Khartum aufeinander. Von hier aus schlängelt sich der Nil in unregelmäßigen Serpentinen bis in den Norden Ägyptens, um dort ins Mittelmeer zu münden. Ägypten deckt mehr als 90 Prozent seines Wasserbedarfs aus dem Fluss – doch diese Versorgung wähnt der ägyptische Präsident al-Sisi in Gefahr. Denn Äthiopien mangelt es an Energieressourcen und mithilfe der verfügbaren Wasserrohstoffe möchte der Binnenstaat aufstocken. Seit 2011 wird daher die Grand-Ethiopian-Renaissance-Talsperre errichtet, eine Stauanlage, die mithilfe von Wasserkraft die Produktion elektrischer Energie ermöglichen soll. 2015 waren lediglich 60 Prozent der Bevölkerung ans Stromnetz angeschlossen. Die Talsperre klingt also verheißungsvoll. Zumindest für Äthiopien. Denn für die Nachbarländer (insbesondere für Ägypten) stellt das Projekt eine gewisse Bedrohung dar. Für eine Bevölkerung, die laut Berechnungen bis 2030 um 10 Prozent wachsen soll, steht viel auf dem Spiel. Eine Studie der Universität Kairo legt nahe, dass Ägypten 51 Prozent seiner landwirtschaftlichen Nutzfläche verlieren könnte, wenn die äthiopische Talsperre zu schnell (innerhalb von drei Jahren) gefüllt wird und dadurch andernorts Wasser fehlt. Ressourcenkonflikte entstehen offensichtlich auch präventiv. Noch ist kein Ökosystem kollabiert, der ägyptischen Landwirtschaft geht es gut. Aber die Prognosen sind deutlich und diese gilt es, zu verhindern.

Der Blaue Nil entspringt im Nordwesten Äthiopiens, der Weiße Nil im ostafrikanischen Binnenstaat Burundi. Die beiden Flüsse treffen in der sudanesischen Hauptstadt Khartum aufeinander, von hier aus schlängelt sich der Nil bis in den Norden Ägyptens, um dort ins Mittelmeer zu münden. Bild: NASA, Public Domain.

Solidarische und nachhaltige Lösungen müssen her

„Wer mit dem Nilwasser spielt, erklärt uns den Krieg!“ Zu dieser Aussage ließ sich der ehemalige ägyptische Präsident Anwar el-Sadat bereits 1980 mit Blick auf die äthiopischen Baupläne verleiten. Obwohl auch der amtierende Präsident um die Bedeutung des Nilwassers weiß, klingt der Konflikt aus seinem Mund gleich viel diplomatischer. Der Bau des Staudamms begann bereits 2011, im Juli 2020 nahm Äthiopien die Befüllung des Staudamms auf. Stärkere Regenfälle als gewöhnlich beschwichtigten im Sommer 2022 die Proteste aus Ägypten und dem Sudan, der sich ähnlich besorgt zeigt. Dennoch beharren die beiden Nilländer auf einer Forderung. Sie bestehen auf ein rechtsverbindliches Abkommen über den Betrieb des Staudamms. Äthiopien spricht einer potenziellen Übereinkunft derweil lediglich eine beratende Funktion zu – ein rechtsbindendes Dokument ist nicht im Interesse des Binnenstaats.

Äthiopiens Grand-Ethiopian-Renaissance-Talsperre ist für die Nachbarländer eine Bedrohung. Bild: public domain.

Im Idealfall stellt Äthiopien den Staudamm bis spätestens 2028 fertig – ganz ohne Wassereinbußen des Sudans und Ägyptens. So würden alle als Sieger aus dem Projekt hervorgehen, lebenswichtige Ressourcen und Ökosysteme blieben erhalten und Äthiopien würde in puncto Energieversorgung sogar noch mächtig aufstocken. Doch die Problematik am Nil wird sich in den nächsten Jahren und Jahrzehnten zuspitzen, ob aufgrund der äthiopischen Talsperre oder wegen des Klimawandels. Denn so wie vielerorts schwindet das Wasser des Nils, obwohl es zeitgleich immer mehr Menschen versorgen soll. So gilt es in den nächsten Jahrzehnten, gemeinsam solidarische und vor allem nachhaltige Lösungen zu finden, um Ressourcenkonflikte zu vermeiden und Ökosysteme zu erhalten. Auch Äthiopien, Ägypten und der Sudan werden sich früher oder später einigen müssen, um eine Eskalation des aktuell gewaltfreien Konflikts hin zu einer bewaffneten Auseinandersetzung zu vermeiden.

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Kompendium: Eco Violence

Die Klimakatastrophe muss nicht zwingend zum Konflikt führen

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Die Klimakatastrophe muss nicht zwingend zum Konflikt führen

Eine Ressource, die in Zukunft zu Konflikten führen könnte, ist Lithium. Die Salar de Uyuni Salzwüste in Bolivien ist reich an Lithium. Bild: Oton Barros (DSR/OBT/INPE), Coordenação-Geral de Observação da Terra/INPE, public domain.

Mit der fortschreitenden Klimakrise stehen uns (bewaffnete) Konflikte über knappe Lebensgrundlagen bevor – so die Prognose, die seit Jahrzehnten kursiert. Dr. Michael Brzoska, Senior Research Fellow am Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik der Universität Hamburg, räumt mit der Behauptung auf und erklärt, warum knappe Ressourcen und kaputte Ökosysteme nicht zwangsläufig zu Konflikten führen müssen.

Geht die Prognose, die mit fortschreitender Klimakrise mehr Konflikte voraussagt, auf?

Grundsätzlich schon. Wobei der Druck, der von Umweltveränderungen und deren negativen Folgen auf landwirtschaftliche Produktion sowie Ressourcen ausgeht, immer über soziale und politische Prozesse vermittelt wird. Dieser Druck wird zunehmen und die Anzahl und Intensität von Gewaltkonflikten steigern, aber es gibt eben immer Zwischenschritte zwischen Ressourcenverfügung und Gewaltkonflikten. Diese Zwischenschritte sind bisher bedeutender als die Umweltfragen. Und das vermute ich auch für die Zukunft, mit Ausnahme von ein paar Regionen, wo die Lebensbedingungen so schlecht werden, dass es quasi egal ist, wie die politischen und sozialen Verhältnisse sind.

Einige lebenswichtige Ressourcen werden immer knapper. Wie wird sich die Ressourcenverknappung zukünftig auf den Frieden auswirken?

Das muss man von Region zu Region differenziert betrachten. Es gibt zum einen Regionen wie die Sahel-Zone, wo heute schon eine große Knappheit herrscht. Insbesondere Ressourcen, die für landwirtschaftliche Tätigkeit gebraucht werden, also Land und Wasser, sind dort knapp. Dieser Trend wird sich weiter fortsetzen und das wird auch in Zukunft zu Konflikten führen, die bereits heute zwischen Ackerbauern und Viehzüchtern bestehen. Diese Konflikte sind über soziale Beziehungen vermittelt und spitzen sich mit voranschreitender Knappheit weiter zu. Das ist also eine Konfliktdimension, die man heute schon sieht, die sich mit zunehmendem Klimawandel mit großer Wahrscheinlichkeit intensivieren wird. Ähnlich verhält es sich beispielsweise in Pakistan. Dort geht es um Land, wo die Überschwemmungswahrscheinlichkeit zunimmt und die landwirtschaftliche Produktion bedroht. Auch hier sind weiterhin Konflikte zu erwarten, die vermittelt werden – in diesem Fall von politischen Akteuren, die Ereignisse wie Überschwemmungen instrumentalisieren, um Betroffene zu überzeugen, dass die Regierung unfähig zusieht und man gegen sie, auch mit Gewalt, vorgehen müsse.

Die Überschwemmungen in Pakistan 2022 fluteten mehrere Städte und forderten über 1700 Menschenleben. Bild: Ali Hyder Junejo, public domain.

In einem anderen Szenario geht es weniger um Knappheit und vielmehr um Ressourcen, die an Bedeutung gewinnen. Wir haben in den letzten 30 Jahren in statistischen Untersuchungen festgestellt, dass Ressourcenreichtum eine größere Konfliktursache ist als Ressourcenknappheit. Ressourcen, mit denen man durch internationalen Handel viel Geld erzielen kann, sind konfliktträchtiger als lokal sehr knappe Ressourcen. Die monetären Interessen an Ressourcenreichtum führen häufig zu Konflikten. Ob es nun um Öl, Diamanten, Kupfer oder Holz geht. Man kann nun vermuten, dass der Versuch der Minderung des Klimawandels zu steigender Nachfrage einiger Ressourcen führt – zum Beispiel seltene Erden oder Lithium. Aufgrund dieser neuen Bedeutung können Konflikte entstehen. Das sind häufig lokale Konflikte, in denen es darum geht, wer wie viel hat und verdient. Es können aber auch internationale Konflikte sein, wenn Ressourcen an Grenzen ausgebeutet werden. Das ist bisher noch nicht sehr virulent, könnte aber virulent werden.

2021 gab es laut dem Heidelberger Konfliktbarometer nur acht Konflikte, deren alleinige Ursache Ressourcen waren. Wie wird sich diese Zahl in den nächsten 20 bis 30 Jahren entwickeln?

Man muss immer differenzieren. Wurde beispielsweise um Öl gestritten, so nehmen diese Konflikte mit der Nachfrage nach Öl in Zukunft eher ab. Auf der anderen Seite gibt es dann Konflikte, die mit dem Klimawandel eher zunehmen werden. So beispielsweise bei seltenen Erden, Kupfer oder Lithium, also Ressourcen, die immer mehr nachgefragt werden. Bei landwirtschaftlichen Ressourcen wie Land und Wasser ist die Wahrscheinlichkeit, dass diese Konflikte direkt mit Verfügbarkeit zu tun haben und nicht vermittelt werden, eher gering.

Sie hatten gerade schon seltene Erden, Kupfer und Lithium genannt. Um welche Ressourcen wird in 30 Jahren darüber hinaus gekämpft?

Ich denke, Land wird an erster Stelle stehen. Es ist jetzt schon so, dass sich einige Konflikte, die wir für Konflikte um Wasser halten, eher um Land drehen. Ich erwarte, dass Konflikte um Land insbesondere mit Ereignissen wie Dürre und Überschwemmungen, die Regionen landwirtschaftlich zwischenzeitlich nicht nutzbar machen, zunehmen. Wasser ist derweil bisher eher ein Gegenstand, bei dem man Konflikte durch Verhandlungen und die Organisation der Nutzung von Wasser eindämmen kann. Es gibt selbstverständlich lokale und zwischenstaatliche Konflikte um Wasser. Denken wir etwa an den neu gebauten Damm, den die äthiopische Regierung hat bauen lassen. Wenn damit tatsächlich Veränderungen des Wassers im Nil einhergehen, dann kann das auch international eskalieren. Aber aktuell wird auch da verhandelt. Daher glaube ich, man kann bei Wasser erstmal Entwarnung geben. Bei mineralischen Rohstoffen werden wir einen Wandel darin beobachten, welche mineralischen Rohstoffe konfliktträchtig sind. Das betrifft vor allen Dingen diese seltenen Erden und Lithium. Da sehe ich erhebliches Konfliktpotential.

In der Zukunft werden sich Ressourcenkonflikte in erster Linie um Land drehen, so Dr. Michael Brzoska. In Pakistan haben die Überschwemmungen 2022 Teile des Landes unbewohnbar gemacht und Tausende in die Obdachlosigkeit getrieben. Bild: USGS

Besteht möglicherweise sogar die Gefahr, dass knappe Ressourcen im Krieg als Waffe gegen gegnerische Nationen ausgespielt werden?

Ja, das sehen wir jetzt schon häufig in innerstaatlichen Kriegen. Zwischenstaatliche Kriege gibt es ja aktuell im historischen Vergleich glücklicherweise wenig. Der Ukraine-Krieg ist wirklich ein Bruch mit einem langen Trend, in Europa hat es zuvor lange keinen zwischenstaatlichen Krieg mehr gegeben und auch außerhalb Europas waren sie eher selten geworden. Innerstaatliche Kriege sehen wir dagegen häufig. Und da sind Ressourcen in der Vergangenheit schon häufiger als Waffe eingesetzt worden. Etwa im Krieg im Sudan, wo die sudanesische Regierung die Abriegelung des Südsudan genutzt hat, um die Leute auszuhungern. Hier wurden also Nahrungsmittel als Waffe eingesetzt. Auch im Irak und in Syrien hat der islamische Staat gezielt eine Knappheit an Wasser als Mittel der Kriegsführung genutzt, indem sie Brunnen unnutzbar gemacht, vergiftet oder zugeschüttet haben. Auch die humanitäre Hilfe wird häufig gezielt sabotiert. Das ist zwar keine Ressource im klassischen Sinne, aber wenn wir über die Folgen des Klimawandels reden, dürfen wir humanitäre Hilfe nicht vernachlässigen. Denn in vielen Katastrophen ist internationale wie nationale humanitäre Hilfe das, was die Menschen am Leben hält und Perspektiven eröffnet.

Welche Interventionen braucht es, damit es dazu nicht kommt?

Das ist schwierig. Nach klassischer juristischer Definition wären es Kriegsverbrechen, wenn man Leute von Nahrungsmitteln abschneidet. Das ist dann ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit, wenn es um größere Bevölkerungsgruppen geht. Es zeigt sich aber immer wieder, dass Interventionen von außen eher dazu beitragen, dass die Konflikte bestenfalls eingefroren werden. Meistens werden sie aber nicht weniger, sondern existieren weiter.

Welche Rolle könnte in diesem Zusammenhang klimatische Kriegsführung spielen, die sich auf Ökosysteme und Ressourcen auswirkt?

Die Wahrscheinlichkeit, dass klimatische Kriegsführung durch Geo-Engineering bald eine Rolle spielen wird, halte ich für eher gering. Es gibt Bestrebungen, durch Veränderungen des Klimas dem Klimawandel entgegenzuwirken – und trotz vieler Bedenken werden diese auch zunehmen. Ich denke, das wird die vorrangige Motivation von Geo-Engineering bleiben. Ein Szenario, unter dem ich mir den Einsatz von Geo-Engineering in anderem Kontext vorstellen könnte, wäre, wenn sich eine Nation ganz klar gegen den Klimaschutz stellt. Wenn beispielsweise in Brasilien eine Regierung an die Macht kommt, die den ganzen Amazonas abholzen will. Aber das sind nur theoretische Diskussionen und selbst dann halte ich Geo-Engineering in der Kriegsführung für unwahrscheinlich. Das ist etwas, was eher noch vor 30 Jahren diskutiert wurde.

Inwiefern sind knappe Ressourcen mit Demokratie und Frieden vereinbar? Sind gesunde Ökosysteme möglicherweise eine Voraussetzung für den menschlichen Frieden?

Ressourcenknappheit und gefährdete Ökosysteme sind natürlich schon eine Belastung und üben Druck auf soziale und politische Verhältnisse aus, aber sie sind aktuell nicht entscheidend. Entscheidender sind die finanziellen Mittel, um Ressourcenknappheit entgegenzuwirken. Denken wir etwa an Saudi-Arabien, eine sehr trockene Region, in der praktisch nichts wächst und wo es trotzdem keine großen Konflikte um Ressourcen gibt. Denn dort gibt es die finanziellen Mittel, um sich alles an Nahrungsmitteln und Wasser ins Land zu holen. nsofern hängen Konflikte von anderen Fragen ab, etwa wie die finanziellen Möglichkeiten und die politischen Verhältnisse sind. Das muss stimmen, damit auch Leute, die wenig finanzielle Möglichkeiten haben, mit Ressourcenknappheit umgehen können. Es geht also viel mehr um die Verteilung und die Berechtigung an Ressourcen, als um Ressourcenknappheit. Anders sieht es möglicherweise für die Zukunft aus, wenn Ressourcen global sehr knapp werden.

“Ressourcenknappheit und gefährdete Ökosysteme sind eine Belastung und üben Druck auf soziale und politische Verhältnisse aus, aber sie sind aktuell nicht entscheidend. Entscheidender sind die finanziellen Mittel, um Ressourcenknappheit entgegenzuwirken”, sagt Dr. Michael Brzoska, Senior Research Fellow am Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik der Universität Hamburg. Bild: Michael Brzoska.

Wie könnten zukünftige Lösungsansätze für die Verteilung knapper Ressourcen unter friedlichen Bedingungen aussehen?

Zentral ist, dass durch ressourcenschonendes Wirtschaften wie auch Effizienzgewinne hinreichend Ressourcen verfügbar bleiben und die Organisation über den Zugang zu Ressourcen besser geregelt wird. Die Verfügung über Knappheit muss organisiert werden. Da sind bestimmte politische Organisationsformen eher dazu in der Lage, Demokratie spielt also eine Rolle. Global nehmen solche Fragen schon heute einen wichtigen Stellenwert ein. Die Agenda 2030 versucht mit ihren Social Development Goals (SDGs), Menschen in eine bessere Position zu bringen, mit Ressourcenknappheit umzugehen und zu leben. Dazu gehört auch, dass man Menschen in marginalen Regionen Alternativen ermöglicht, beispielsweise Migration. Die Weltgemeinschaft hat sich mit diesen SDGs verpflichtet, die absolute Armut bis 2030 weitgehend abzubauen. Das ist durch die Pandemie und den Ukraine-Krieg nun unrealistisch geworden. Aber die Bestrebungen sind da, Menschen in ärmeren Regionen mit knappen Ressourcen die Möglichkeit zu geben, sich mit Ressourcen aus anderen Regionen zu versorgen, indem man ihnen die finanziellen Mittel zugesteht.

Welche Forschungserkenntnisse Ihrer langjährigen Arbeit rund um Katastrophen und Konflikte haben Sie besonders bewegt?

Besonders beeindruckt hat mich, dass große Katastrophen nicht unbedingt eher zu bewaffneten Auseinandersetzungen und Gewalt führen, als kleinere. Stattdessen kommt es auf bestehende Konfliktstrukturen an und darauf, was politische Akteure vor Ort aus der Katastrophe machen. Ist die soziale und politische Bereitschaft da, sich miteinander zu arrangieren und die Folgen der Katastrophe gemeinsam zu bewältigen, muss auch eine große Katastrophe nicht zwingend zum Konflikt führen. Ist politische Gewalt aber schon vor der Katastrophe eine Option, kann auch ein geringes Ausmaß zur Eskalation führen.

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Kompendium: Eco Violence

Gedankenexperiment: Kann es eine Welt geben ohne Krieg um Ressourcen?

Kompendium: Eco Violence

Gedankenexperiment: Kann es eine Welt geben ohne Krieg um Ressourcen?

Bild: Dall-E.

Im 22. Jahrhundert herrscht Eco-Peace – globaler Frieden, der auf einem gerechten Umgang mit Mitmenschen und der Natur beruht. Die Welt versucht, sich vom gewaltvollen Klimakrieg zu erholen. Der Umgang mit knappen Ressourcen gehört längst zum Alltag und die Menschheit beginnt endlich, auf Augenhöhe zu kooperieren. Ein Gedankenexperiment zu einer Zukunft mit globalem Ressourcen-Frieden. 

Isimails Uhr vibriert sanft an seinem Handgelenk. Mit zwei subtilen Wimpernschlägen signalisiert er dem Gerät, dass er die neue Nachricht sehen möchte. Vor seinen Augen taucht ein Piktogramm auf, der enge Text deutet auf einen Zeitungsartikel hin. „Vier Jahre Eco-Peace: Eine Retrospektive“, steht da. Ismail beginnt hastig zu lesen. Viel Zeit bleibt ihm nicht, bevor sein Meeting beginnt.

Vier Jahre Eco-Peace: Eine Retrospektive

19.05.2106

Die globale Ressourcengemeinschaft begeht am heutigen Freitag ein ganz besonderes Jubiläum. Vier Jahre sind vergangen, seit sich im damaligen Brüssel eine hölzerne Tür öffnete und die Staatschef:innen acht neuer Nationen heraustraten. Mit ihnen das lang überfällige Eco-Peace-Abkommen. Nach 17 Jahren der gewaltvollen Auseinandersetzungen, die die Fischerei sowie fossile Energien und die gesamte Menschheit auszulöschen drohten, fand die Ressourcengemeinschaft eine Übereinkunft, die Hoffnung gibt. Auf einen nachhaltigeren Umgang mit der Natur und einen liebevolleren Umgang miteinander. Hervor gingen vier Ressourcenzonen, die die Versorgung mit den überlebenswichtigen Rohstoffen Wasser, Ackerböden und (erneuerbare sowie fossile) Energien abdecken. Drei weitere Ressourcenzonen wachen über die systemrelevanten Rohstoffe Sand, Kupfer und Lithium. Die Ära des Eco-Peace ermöglicht mit diesen Ressourcenzonen seit 2102, was vormals unmöglich schien: Auch Menschen in der Nonsourcenzone – also Regionen mit versiegten Rohstoffen – können aufatmen. Denn Eco-Peace sorgt für alle, ganz unabhängig von Status und Eigentum.

Aus einem erbitterten Ressourcenkonflikt gingen verschiedene Ressourcenzonen, die über die systemrelevanten Rohstoffe Sand, Kupfer und Lithium wachen. Sandabbau. Bild: public domain.

Ismail blinzelt zweimal. Der Artikel löst sich vor seinen Augen in Luft auf und er blickt wieder auf die weiße Wand ihm gegenüber. Ein Beitrag zu Eco-Peace sollte sich nicht wie eine Werbeanzeige lesen, denkt er. Journalist:innen blenden viel zu gerne aus, dass die Ressourcengemeinschaft nicht aus purer Nächstenliebe entstanden ist. Bevölkerungen aus Nonsourcenzonen werden nicht mitgetragen, weil die Menschheit endlich zur Vernunft gekommen ist und eingesehen hat, dass jede:r ein würdiges Leben verdient hat. Ganz im Gegenteil: Man könnte fast sagen, die Zusammenarbeit zwischen den Ressourcenzonen wird getrieben von purem Eigennutz. Was vor vier Jahren wirklich geschah, war weit entfernt von einer friedlichen Zusammenkunft mit einem humanistischen Blick in die Zukunft. Vielmehr saßen dort acht verzweifelte Politiker:innen zusammen mit unzähligen Klimaforscher:innen, die endlich erkannt hatten, dass es so nicht weitergehen kann. Dass sie entweder alle an einem Strang ziehen oder die Menschheit in wenigen Monaten ausgelöscht ist. Ismail musste es wissen. Schließlich war er als Umweltexperte und zukünftiger Staatschef damals anwesend. Er war einer von ihnen, getrieben von Angst und einem Fünkchen Hoffnung, vielleicht doch endlich zu schaffen, was seinen Vorfahren nie vergönnt war.

Das nachhaltige Wirtschaften um Rohstoffe erwies sich als alternativlos

Und so verkündeten sie nach Monaten der Verhandlungen eben doch den Eco-Peace und verbrachten die nächsten Wochen damit, ihren Mitmenschen die Ressourcengemeinschaft überhaupt erst zu erklären. Statt Konkurrenz um Ressourcen und Ökosysteme siegte die Kooperation. Statt 193 Staaten blieben lediglich acht – basierend auf den relevanten Ressourcen, die die jeweiligen Regionen zu bieten haben: Die Sandzone versorgt die Nachbarstaaten seither mit Sand, in den Fossil Zonen werden die letzten fossilen Energien aufgebraucht, die Renewable Zone schafft Erneuerbare Energien und leitet sie weiter, in der Copper Zone überwiegt Kupfer, die Lithium Zone fördert Lithium, die Water Zone ist reich an Wasser und die Agricultural Zone bietet ideale Bedingungen zum Landwirtschaften. Bei der Nonsource-Zone handelt es sich um ausgetrocknete, ausgebeutete Regionen, die wenig bis nichts im Gegenzug für die ihnen entgegengebrachten Ressourcen liefern können. Das Überleben sowie der Frieden der Menschheit basieren seither auf detaillierten Berechnungen, die bestimmen, welche Zone was zu bieten hat und wie viel sie von welcher Ressource benötigt. Zudem wird genauestens kalkuliert, welche Zone wie viel CO₂ ausstoßen darf. Die Summe wird durch die Einwohner:innen dividiert und mithilfe technologischer Tools getrackt. Verzicht ist zum Schlüssel eines Systems geworden, das endlich auch den Zustand der Ökosysteme in die eigenen Bedarfskalkulationen einbezieht.

Nach Jahren von Ressourcenkonflikt und Klimaprotesten entwickelte sich eine nachhaltige Gemeinschaft, die Ressourcen fair aufteilt. Bild: Takver, CC BY-SA 2.0, public domain.

Klare Berechnungen machen ein Überleben mit knappen Ressourcen möglich

Die Vibration von Ismails Uhr reißt ihn aus seinen Gedanken. Er nimmt den Anruf an. Vor ihm erscheint ein Dutzend Gesichter. Sie sitzen in Arbeitszimmern, ähnlich seinem eigenen. Nach einigen Begrüßungsworten geht es auch schon los. Hier wird nicht viel über das Jubiläum gesprochen, dafür gibt es schließlich offizielle Veranstaltungen. Die Sitzung dauert drei Stunden. Den Großteil der Zeit führt die Staatschefin der Copper Zone einige neue Berechnungen aus. Seit Monaten läuft es dort nicht gut. Obwohl die Ressourcengemeinschaft über die vier vergangenen Jahre des Eco-Peace jede Berechnung unendlich oft durchgeführt haben, passt der Verbrauch der Copper Zone nicht zu den Zahlen. Unter einigen Politiker:innen geht mittlerweile das Gerücht um, die Copper Zone würde sich nicht an die Vorlagen halten. Dass sie trotz klarer Reglementierung Energie aufwende, um Luxusprodukte zu produzieren, statt auf vegane Ernährung immer noch auf Viehzucht setze und die Maxisumme der CO₂-Ausstöße damit weit übersteige. „Wir brauchen mehr Energien – ob fossil oder erneuerbar“, sagt die Staatschefin gerade. Auf ihre Erwähnung der fossilen Energien geht niemand ein. Allen ist klar, dass fossile Energien bis auf Weiteres tabu sind. Im Klimakrieg wurden sie beinahe aufgebraucht. Physiker:innen haben seither genauestens kalkuliert, wie lange sie noch reichen. Daraufhin wurden sie längst aufgeteilt. Sie gehen an einige Unterregionen der Sand und Fossil Zones, solange die beiden Ressourcenzonen ihre erneuerbaren Energien ausbauen. Denn diese lassen sich nicht so gut transportieren wie fossile Energien. Dennoch muss die Copper Zone nun genau so versorgt werden.

Die beängstigende Fragilität des Eco-Peace

Ismail seufzt unwillkürlich. Später am Tag würden sie eine Jubiläumsfeier abhalten, sich alle virtuell die Hände schütteln und zu ihrer gelingenden Globalpolitik gratulieren. Aber jetzt, zu ihrem wöchentlichen Meeting und ganz unter sich, ist allen klar, wie sehr der Eco-Peace kippelt. Zwar ist er aktuell die einzig vorstellbare Lösung – denn die globalen Ressourcen reichen nicht für alle Menschen aus, zumindest nicht dann, wenn alle konsumieren, wie sie möchten. Das Vertrauen in Globalpolitik hat, Stand heute, die Menschheit gerettet. Dennoch ist die Lösung frisch, der Eco-Peace muss sich erst noch bewähren. Außerdem sind lediglich vier Jahre überstanden – wer kann schon sagen, ob einige wenige sich nicht in ein paar Jahrzehnten doch wieder auf Luxusgüter stürzen. Den Verzicht sein lassen, wieder zum alten Lebensstandard zurückkehren und der Natur damit den Krieg erklären. Oder sie ihre alten Nationen zurückfordern. Denn der Nationalismus ist noch da, der Egoismus ist noch da und auch die Gier ist noch da. Eines Tages werden sich einige womöglich erinnern, dass sie auch besser leben können – besser auf Kosten der Natur und auf den Schultern vieler. Erst dann kann sich der Eco-Peace wahrhaftig beweisen. Ismails Mann wirft ihm im Spaß häufig vor, zu pessimistisch zu sein, um eine ganze Nation anzuführen. „Realist“, erwidert Ismail dann gern. Entgegen vieler anderer hat er lediglich aus der Geschichte gelernt – und die brachte neben langen Perioden des Friedens eben auch viele Ressourcenkonflikte, Raubbau und kollabierende Ökosysteme. Dennoch hegt auch Ismail insgeheim die Hoffnung, dass der Eco-Peace hält.

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