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All-you-can-travel: Wie der digitale Wandel der Reisebranche unsere Bequemlichkeit fördert

Klick. Last-Minute-All-Inclusive-Angebot. Klick klick. Flug und Hotel. Klick klick klick Flug, Unterkunft, ausdruckbarer Reiseführer. Das nächste Abenteuer zu shoppen war noch nie so einfach wie heute. Buchungsportale wie booking.com, Urlaubsguru und Airbnb überschwemmen uns mit Möglichkeiten. Das hat viele Vorteile – aber auch Nachteile.

Früher ging man ins Reisebüro. Da saß dann eine freundliche Dame oder ein netter Herr hinter dem Schreibtisch. Man vertraute ihnen, denn eine andere Wahl hatte man nicht. Sie zeigten Trends auf, empfahlen Pauschalangebote oder neue Hotels, gingen auf die eigenen Wünsche ein und schnürten am Ende das Paket für den perfekten Jahresurlaub. Eine persönliche Mensch-zu-Mensch-Beratung, die im besten Fall beide Seiten glücklich machte.

Das Internet weiß, was wir wollen, bevor wir es selbst wissen

Heute haben Reisebüros und -Veranstalter Konkurrenz bekommen, und zwar vom Digital Analyst. Den muss man nicht aufsuchen, der kommt direkt ins Wohnzimmer, genauer gesagt ist er schon lange vor der Buchung online aktiv. Er wertet Suchanfragen aus und merkt sich, wie lange man auf ein Bild schaut, damit die Traumreise zum Shoppingerlebnis wird. Perfekt analysierte Angebote, die auf freiwillig abgegebenen Nutzerdaten basieren. Und vielleicht weiß er sogar schon, welchen Cocktail ich am Urlaubsziel trinken möchte. Das alles gibt es für einen unschlagbaren Preis. Oder? 

Dass die Angebote in Reisebüros grundsätzlich teurer sind als die im Internet, stimmt nicht immer. Grundsätzlich haben Veranstalter auf ihren Vertriebskanälen die gleichen Preise. Die Online-Buchung hat jedoch einen ganz anderen Vorteil, denn zum Shopping muss man nicht mal das Sofa verlassen. Für Menschen, die den nächsten Urlaub zwischen Tür und Angel buchen möchten oder – genau das Gegenteil –für diejenigen, die der Planung viel Zeit widmen, ist die anonyme Onlinewelt ein Segen. Schnell lässt sich etwas buchen, genauso schnell kann man sich in der Recherche verlieren. Dann hat man am Ende des Tages noch immer dreißig Tabs offen, weiß aber: Das Internet schließt nie, die Reisebüros schon.

Die Macht der Online-Shopping-Portale

Airbnb, ein Sharing-Economy-Portal, das eine geteilte Nutzung von ganz oder teilweise ungenutzten Ressourcen ermöglicht, bringt Reisende nahe ans Geschehen. Übersetzt bedeutet das, dass die Plattform es möglich macht, in einer fremden Stadt in den Wohnungen Einheimischer zu übernachten, und das bereits seit dem Jahr 2008. Das veränderte insbesondere Städtetrips vollkommen und zeigt sich bis heute in den Zahlen: 2017 lag der Jahresumsatz des Unternehmens bei 2,6 Milliarden US-Dollar. Individuell und authentisch reisen,  die Neugier auf fremde Wohnungen und Gepflogenheiten vor Ort stillen, in einem voll möblierten Apartment allein oder gemeinsam mit Einheimischen leben, samt ihrer Geheimtipps. Das Geschäftsmodell klang sehr vielversprechend und tut es noch immer. So entwickelte sich Airbnb von der netten Alternative zu Hotelbunkern hin zu einer ernstzunehmenden Konkurrenz gegenüber sämtlichen Unterkunftsmodellen.

Buchungsportale wie Urlaubsguru sind darauf ausgelegt, die besten Schnäppchen zu finden, damit man es nicht selbst tun muss. Ursprünglich war es Daniel Krahns Hobby, günstige Flüge oder Pauschalangebote für sich und Freunde zu finden schließlich entwickelte sich daraus Krahns Schnäppchenblog. Bereits zwei Jahre nach der gemeinsamen Gründung mit einem Freund durchforsteten fast 70 MitarbeiterInnen das Internet nach den besten Angeboten. Gebucht wird jedoch bei den Anbietern direkt, was das Unternehmen zum Mittelsmann macht. Ein Geschäftsmodell, das über die Masse vermittelter Angebote funktioniert und gleichzeitig für all das steht, was das Online-Shopping von Reiseangeboten so einfach macht: die Auswahl, die Bequemlichkeit, die Unmittelbarkeit und die Vergünstigungen aus dem Nirgendwo.

Die Nachteile des Online-Geschäftsmodells

Das Portal booking.com gehört zur Priceline Group, dem größten Online-Reisebüro der Welt. Es verspricht Rabatte und den günstigsten Preis. Doch genau da liegt ein Problem , das Endverbrauchern oftmals nicht bekannt ist: Buchungsplattformen stellen den jeweiligen Unterkünften Vermittlungsprovisionen bis zu 25 Prozent in Rechnung, weshalb viele von ihnen seit Jahren steigende Ausgaben haben. Manche Hotels rufen zum Boykott auf, andere schließen sich zusammen und ziehen ihr eigenes Portal auf, wie das in Regensburg der Fall ist. Dort haben sich zahlreiche Anbieter von Unterkünften gemeinsam eine Plattform gegründet, auf der über 1.700 Zimmer angeboten werden, die Reisende direkt und ohne versteckte Provisionskosten buchen können. Die Website erscheint bei der Google-Recherche nach einem Hotel in Regensburg direkt unter booking.com auf Platz 2. Es bleibt allerdings fraglich, ob das auch in einer Millionenmetropole funktionieren kann. Denn ohne die Macht der Portalriesen würde eine kleine Pension oder ein neues Boutique Hotel wohl gar nicht erst gefunden werden.

Screenshot Projekt “Airbnb vs. Berlin”

Auch Airbnb machte in den letzten Jahren viele Negativschlagzeilen. Als sich das Konzept rasant entwickelte, wurden immer mehr Apartments einzig zum Zweck der Vermietung eingerichtet, was heute zumindest in großen Städten zur Folge hat, dass der Wohnungsmarkt erschöpft ist und Einheimische verdrängt werden. Das Projekt “Airbnb vs. Berlin” wertete aus, dass auf Airbnb mehr als jede 240. der insgesamt 1,9 Millionen Wohnungen in Berlin, zu finden ist, vor allem in für Touristen angesagten Stadtvierteln. Dass Airbnb genau das Gegenteil von dem erzeugt, was es einst versprach, zeigen folgende Zahlen deutlich: Die Anzahl der Nutzer, die mehr als ein Zimmer oder eine Wohnung vermieten, beträgt in Berlin 10 %. Das sind knapp 1.200 Personen. Damit steht für viele Vermieter heute ein eigener Umsatz und nicht mehr der Ursprungsgedanke des Teilens im Vordergrund.

Der Einfluss auf unsere Reiseerlebnisse

Das nächste Reiseabenteuer online zu shoppen und dadurch aus vielen verschiedenen Möglichkeiten schöpfen zu können, ist die logische Schlussfolgerung der Gesellschaft, in der wir leben. Und das ist grundsätzlich gar nicht schlimm, ist es doch Teil unserer technischen und globalen Entwicklung.

Jedoch müssen wir uns bewusst machen, dass egal was und wo wir buchen, es aufgrund des im Hintergrund laufenden Algorithmus kaum noch möglich ist, über eine Reise zu stolpern, die uns ganz zufällig auf dem Bildschirm erscheint. Das macht zwar vieles einfacher und die Abwicklung gelingt deutlich schneller, doch wir werden dabei beeinflusst, ob wir wollen oder nicht. Und auch wenn es immer Ausnahmen zur Regel gibt, hat die All-you-can-shop-Mentalität im Reiseverhalten längst Einzug gehalten. Die Möglichkeit, schnell und günstig übers Wochenende nach Paris zu fliegen oder für eine Woche nach Mexiko zu reisen, weil das Hotelangebot unschlagbar war, hat viele Gründe. Online-Buchungsportale sind einer davon.

Wem das nicht gefällt und wer sich ab und an selbst überlisten möchte, kann mal wieder ins Reisebüro gehen. Direkt bei einem Veranstalter buchen oder sich Tipps von Freunden geben lassen. Wegfliegen und vor Ort treiben lassen, sich Zeit nehmen für die Gestaltung der Reise. Und, ganz oben auf der Liste: seltener, dafür jedoch bewusster reisen. Das ist gut für die Umwelt, die lokale Wirtschaft und die eigenen Sinneseindrücke. Weniger ist eben auch beim Reisen mehr.

Mehr zum Thema Reisen in unserem Kompendium: Reise als Sinnsuche