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Bild: Apple

Ambient Computing: Loner-Trend oder Beginn einer neuen Tech-Ära? 

Mit dem Launch von Apples Vision Pro Brille, dem ersten Ambient Computer unserer Zeit, scheint die Ära des Ambient Computings eingetroffen zu sein. Aber was ist Ambient Tech eigentlich, was bedeutet der Trend für unsere Zukunft und welchen gesellschaftlichen Preis hat er?

Erst der Mac, dann das iPhone, die Smartwatch und nun Vision Pro: Wer, wenn nicht Apple, sollte sonst den Computer von morgen erfinden? Am Montag (05.06.) stellte Apple die viel diskutierte Vision Pro-Brille in einem exklusiven Launch vor. Ab 2024 soll es die Computer Brille in den USA zu kaufen geben, in anderen Ländern entsprechend später. Damit erhält der Trend Ambient Computing endgültig Einzug in die Tech-Welt.

Der Aufstieg der unsichtbaren Technik

Mit Ambient Computing soll der flache Bildschirm in greifbarer Zukunft ganz verschwinden und einem allumfassenden Technologie-Erlebnis weichen, in dem sich die Virtualität wie eine zweite Ebene über die Realität legt. Damit bekommt Multitasking eine neue Definition und Realität und Virtualität gehen nahtlos ineinander über. Aber was genau bedeutet diese Entwicklung für die Technik der Zukunft und welchen Preis hat sie?

Mit Ambient Computing soll der flache Bildschirm in greifbarer Zukunft ganz verschwinden und einem allumfassenden Technologie-Erlebnis weichen, in dem sich die Virtualität wie eine zweite Ebene über die Realität legt. Bild: Apple

Laut Sterling Crispin, der für Apple an Vision Pro arbeitet, ist die Brille zunächst einmal ein wichtiger Schritt in Richtung VR, so der Neurotechnologe via Twitter. Doch bis die Tech-Branche auf Apples Ambient Computing Stand angekommen ist, wird es noch bis zum Ende des Jahrzehnts dauern, schreibt Crispin. Bis 2030 könnten unsere MacBooks und Smartphones also obsolet werden und Virtualität eine ganz neue Bedeutung bekommen. 

Wäre da nicht der Preis: Denn wenn sie voraussichtlich 2024 kommerziell verfügbar sein wird, soll die Apple Brille im Skibrillen-Look 3.500 $, umgerechnet ca. 3.265 € kosten. Was für viele erst einmal unerreichbar klingt, könnte sich aber mehr oder weniger zeitig ändern. Schließlich kostete das erste Mobiltelefon, das Motorola DynaTAC 8000X, stolze 3.995 $, als es 1983 auf den Markt kam. Und es dauerte ein ganzes Jahrzehnt, bis der Preis auf ca. 1.000 $ fiel. Der Vergangenheit nach zu urteilen, könnte es also durchaus noch bis in die 2030er Jahre dauern, bis der Normalverdienende Zugang zu Ambient Computing erhält. 

Was kann Ambient Computing?

Apple vermarktet die Brille bereits jetzt als eine Art Alleskönner, die ähnlich wie Handy und Computer die Zukunft revolutionieren werden:

„Heute beginnt eine neue Ära des Computers“, so Apple-CEO Tim Cook. „So wie der Mac das Personal Computing eingeführt hat und das iPhone das mobile Computing, führt die Apple Vision Pro das räumliche Computing ein.“

Die Vision Pro verändert das eigentliche Sichtfeld nicht, sondern legt eine virtuelle Ebene durch die mit Kameras und personalisierter Sehstärke ausgestatteten 4K-Displays wie eine zweite Schicht über die Realität. Bild: Apple

Aber wie fühlt sich Ambient Computing an? Durch die Brille schaut es sich „fast genau wie ohne Apples Brille“, schreibt Matthias Kremp, der die Vision Pro für das Spiegel Magazin bereits testen durfte. Laut Kremp verändert sich der Raum mit Blick durch die Brille nicht besonders – und das ist auch das Ziel. Stattdessen legt sich eine virtuelle Ebene durch die mit Kameras und personalisierter Sehstärke ausgestatteten 4K-Displays wie eine zweite Schicht über die Realität. Währenddessen schwebt ein virtuelles Startmenü ständig vor den Augen. 

„Das gesamte Sichtfeld wird zu einem riesigen virtuellen Bildschirm, durch den die reale Umgebung durchscheint“, beschreibt Kremp das Nutzergefühl. Bedient wird die Brille mit Augen, Fingern und der Stimme. Tippen funktioniert über eine virtuelle Tastatur, alternativ können User diktieren – letzteres klingt jedoch nach aktuellem Technik-Stand weniger verlockend. 

Gefangen auf der Ambient Tech-Insel: Isoliert uns Ambient Tech von der Außenwelt? 

Doch welchen gesellschaftlichen Preis könnte Ambient Tech in Zukunft haben? Trotz Enthusiasmus finden sich auch kritische Stimmen in den Weiten des Internets, die den Tech-Trend vor allem „creepy“ finden und sich dystopische Szenarien ausmalen.

Könnte Ambient Tech zu einem Loner-Trend werden, einer Technologie, die wir überwiegend alleine nutzen, da sie uns eigentlich eher isoliert, als uns zusammenzubringen? Bild: Apple

Man stelle sich nur einen Brille-tragenden Vater aus der Perspektive eines Kindes vor, der zwischen der Realität und der Virtualität hin und her springt und buchstäblich in einer anderen Welt ist, die von außen durch nichts außer der Brille erkennbar ist. Solche Vorstellungen lassen die Brille zwar praktisch zum Arbeiten, doch weder besonders sexy noch besonders zugänglich erscheinen – ganz zu Schweigen von den unerforschten Auswirkungen auf unser Gehirn und unsere sozialen Gewohnheiten. 

Denn letztlich verschwindet durch die Brille zwar der Bildschirm, doch im Umkehrschluss isoliert die Brille auch ihre:n Träger:in von dessen Außenwelt. Könnte Ambient Tech also zu einem Loner-Trend werden, einer Technologie, die wir überwiegend alleine nutzen, da sie uns eigentlich eher isoliert, als uns zusammenzubringen? Und würde Ambient Tech damit auch für kommende Generationen die Definition von Technologie und Gesellschaft verändern? Man stelle sich nur einen Filmabend vor, bei dem nicht mehr alle auf den selben Bildschirm starren, sondern jede:r durch die eigene Brille – oder zumindest diejenigen, die sich die Brille dann schon leisten können. 

Man stelle sich nur einen Filmabend vor, bei dem nicht mehr alle auf den selben Bildschirm starren, sondern jede:r durch seine eigene Brille – oder zumindest diejenigen, die sich die Brille dann schon leisten können. Bild: Apple

„Ich denke, die eigentlichen Dinge, für die Menschen das Headset nutzen werden, werden Dinge sein, die sie alleine tun. Denn sobald du mit einer anderen Person interagierst, muss das Headset weg. Dieses Ding auf einem Kindergeburtstag zu tragen, würde als borderline psychotisches Verhalten gesehen werden“, schreibt zum Beispiel Apple Blogger Matt Birchler.

Zwar hat Apple die Brille so konzipiert, dass die virtuelle Ebene in der Interaktion mit anderen, realen Menschen verschwindet, doch von außen ist immer noch die Person mit der klobigen Brille zu sehen – ein Bild, das nicht gerade Zugänglichkeit suggeriert. Wird die Isolation durch die Brille in Zukunft genauso normal sein, wie das Noise Cancelling bei Apple Kopfhörern?

Wie auch bei anderen neuen Tech-Trends wird wohl nicht nur die Zeit und der technische Fortschritt, sondern auch die User selbst bestimmen, wie eine technische Innovation letztlich genutzt wird. So wie das iPhone damals nicht nur eine neue Tech-Ära einläutete und uns gleichzeitig immer mehr von unserer Außenwelt isolierte, so wird es die Vision Pro vermutlich genauso, oder noch mehr tun.