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Illustration: Viktoria Spokojna (IG oh_ey_sis)

Das Geschäft mit der Jungfräulichkeit – die unsichtbare Macht des Patriarchats

Verengende Cremes, nachgeahmte „Jungfernhäutchen“ mit Kunstblut und operative Eingriffe zur vermeintlichen Wiederherstellung des Hymens: Der boomende Hymenmarkt nutzt die Verzweiflung junger Frauen für seine Werbezwecke und baut auf einem misogynen Konzept der weiblichen Jungfräulichkeit.

Die zentrale Bedeutung der weiblichen Jungfrau zieht sich von den Lehren der katholischen Kirche bis hin zum Islam. Eng verwoben mit der Ehre der Angehörigen lastet häufig ein enormer Druck auf Frauen strenggläubiger Familien. Der Maßstab für ihre Unschuld: das Jungfernhäutchen oder passender: der Hymen. Eine simplifizierte Vorstellung des Schleimhautsaums in der Vaginalöffnung erachtet diesen als Indikator für das Sexualleben. Ist er „intakt“, so ist die Frau jungfräulich, ist er jedoch zerrissen, so hatte sie bereits ein- oder mehrfach Geschlechtsverkehr.

Letzteres ist in einigen strenggläubigen Communities ein absolutes Tabu. Frauen, die keine Jungfrau mehr sind, haben große Schwierigkeiten, einen heiratswilligen Partner zu finden. Zudem laufen sie Gefahr, von ihren Angehörigen ausgestoßen zu werden. Denn in deren Augen bringt eine nichtjungfräuliche Frau Schande über die Familie. Dieses verzerrte Verständnis der Rolle einer Frau führt im schlimmsten Fall zum sogenannten „Ehrenmord“.

Doch auch abseits von religiösen Vorstellungen wird der weiblichen Jungfräulichkeit häufig ein besonderes Gewicht beigemessen. Junge Frauen leiden unter der Doppelmoral, die ihr Sexualleben zum Balanceakt zwischen Prüderie und Promiskuität macht. So verdeutlichen Studien aus den Vereinigten Staaten folgendes: Mädchen werden als „Schlampe“ abgewertet, wenn sie eher früh sexuell aktiv werden. Verpassen sie jedoch das Zeitfenster, in dem gesellschaftliche Normen das erste Mal für angemessen halten, werden sie als Jungfrau stigmatisiert.

Oft sind es religiösen Vorstellungen wird der weiblichen Jungfräulichkeit, die Mädchen unter Druck setzen, sich einerHymenoplastik zu unterziehen: Bild: Channel 82

Der unsichtbare Eingriff

Rein biologisch sagt der Hymen nichts über die sexuelle Aktivität einer Frau aus. „Das Aussehen eines Hymens ist kein verlässlicher Hinweis auf Geschlechtsverkehr und es ist keine Untersuchung bekannt, die eine Vorgeschichte von vaginalem Geschlechtsverkehr belegen kann“, schrieb die Weltgesundheitsorganisation 2018 in einer Publikation über Jungfräulichkeitstests. Die ringförmige Öffnung im Schleimhautsaum besteht üblicherweise von Geburt an – andernfalls muss der Hymen operativ geöffnet werden, sodass das Menstruationsblut abfließen kann.

„Es gibt Hymen in allen Formen und Breiten, manche haben kleine Kerben drin, manche haben keine“, sagt Jutta Pliefke. Sie ist Fachärztin für Gynäkologie und Geburtshilfe bei pro familia in Berlin. Dort berät sie unter anderem Frauen, die ihren Hymen rekonstruieren lassen wollen. Dies funktioniert laut zahlreicher Websites von Arztpraxen mithilfe einiger Nähte unter lokaler Betäubung, Dämmerschlaf oder Vollnarkose. Das Ziel des Eingriffs: ein vermeintlich reparierter Hymen, der beim nächsten Geschlechtsverkehr durch die Penetration anfängt zu bluten. Die Operation nimmt etwa eine halbe bis eine Stunde in Anspruch und die Kosten variieren von etwa 500 bis 2500 Euro. Eine Finanzierung durch die Krankenkassen ist nicht möglich.

In seiner Praxis in Erlangen bietet Andreas Grimm Hymenrekonstruktionen an. Im Vergleich zu anderen Leistungen wie Fettabsaugen und Botoxbehandlungen führt der ästhetisch-plastische Chirurg die Hymenoplastik eher selten durch. Und doch bleibt der Bedarf beständig: In einem Monat erhält er etwa zwei bis drei Anfragen. Das Alter der Interessierten variiert dabei von 18- bis etwa 40-jährigen Frauen. Wie häufig Hymenrekonstruktionen in Deutschland darüber hinaus durchgeführt werden, ist unbekannt. In den Niederlanden ließen 2020 mehrere hundert Frauen den Eingriff durchführen. Doch auch dabei handelt es sich lediglich um Schätzungen. Denn die betroffenen Frauen legen großen Wert auf Geheimhaltung. So zahlen sie häufig bar, kriegen keinerlei Post von den behandelnden Praxen und werden auch ansonsten selten direkt kontaktiert.

Der diskrete Umgang soll die Frauen schützen – und lässt sie zugleich schutzlos zurück. Denn wo offiziell kein Eingriff stattfindet, da ist auch keine kontrollierende Instanz, kritisiert Pliefke: „Die Frauen haben ja keine Möglichkeit, sich zu wehren. Da gibt es keinerlei Qualitätssicherung, an die sie sich wenden können, wenn es dann doch nicht blutet. Die Frau ist da völlig ausgeliefert.“

Trotz hoher Kosten ist der Erfolg der Operation nicht garantiert

Die Gynäkologin hält es für vermessen, von einer Rekonstruktion des Hymens zu sprechen. Denn diesen könne man nicht rekonstruieren. Weder gebe es den universellen Zustand eines Vorher-Nachher (schließlich ist jeder Hymen einzigartig) noch sei es möglich, den dünnen Schleimhautsaum mit einer Garantie auf eine Blutung zu vernähen. Laut Pliefke greifen daher einige Mediziner*innen auf die Scheidenschleimhaut zurück und bilden mit ihr einen neuen Saum. „Das grenzt an Körperverletzung und ist unter Umständen eine Form der Genitalverstümmelung“, so Pliefke.

Grimm versucht sich dennoch am Vernähen des Hymens, indem er entweder „die Rissränder wieder anfrischt und neu vernäht“ oder den Hymen „in der Zirkumferenz halbiert und anschließend etwas verschoben übereinander näht“, so der Chirurg. Er ist sich der Unsicherheit des Ergebnisses dabei bewusst. So weist er seine Patientinnen laut eigener Aussage vor der Operation mehrmals darauf hin, dass der Effekt variieren kann. „Wenn man in diesem dünnen Gewebe Nähte setzt, ist es nicht selten, dass es mal nicht so heilt, wie man es sich vorstellt. Dann schaut es wieder optisch zerrissen aus und blutet beim Geschlechtsverkehr nicht“, teilt der Chirurg mit. Das sei das Hauptrisiko des Eingriffs. Darüber hinaus sei die Operation eher risikoarm. Entzündungen, Infektionen oder Wundheilstörungen habe er noch nie erlebt. Wolle man sichergehen, dass es beim nächsten Geschlechtsverkehr blutet, so solle man die Operation laut Grimm kurz vorher durchführen. Dann würden die Nähte aufgrund der Penetration so auseinanderreißen, dass es mit höherer Sicherheit zu bluten beginne.

„Es gibt Hymen in allen Formen und Breiten, manche haben kleine Kerben drin, manche haben keine“, sagt Gynäkologin. Jutta Pliefke. Sie hält es für vermessen, von einer Rekonstruktion des Hymens zu sprechen, denn diesen könne man nicht rekonstruieren. Weder gebe es den universellen Zustand eines Vorher-Nachher (schließlich ist jeder Hymen einzigartig) noch sei es möglich, den dünnen Schleimhautsaum mit einer Garantie auf eine Blutung zu vernähen. Quelle: Creative Commons

Kein muslimisches Problem

Häufig kommen Mädchen und Frauen vor einer geplanten Hochzeit zu Pliefke oder Grimm. Sie lassen sich beraten, weil von ihnen erwartet wird, als Jungfrau in die Ehe einzutreten. „In gewissen Kulturen besteht ein hoher Druck auf die Frauen“, schildert Grimm. „Da gibt es eine Erwartungshaltung, dass es bluten muss“, bestätigt auch Pliefke. „Die Frauen haben große Angst, dass ihr Mann sofort bemerken könnte, dass sie in der Vergangenheit bereits Geschlechtsverkehr hatten“, führt die Gynäkologin aus. Von dem operativen Eingriff erhoffen sie sich, dass es aussieht und sich für den Mann anfühlt, als sei es ihr erstes Mal.

Seltener konsultieren Patientinnen Grimm und Pliefke, weil sie sexuell missbraucht wurden. Mithilfe der OP möchten sie den Übergriff symbolisch ungeschehen machen. „Es geht dann tatsächlich um ein heilendes Ritual. Die Betroffenen wollen dann nichts nach außen hin erreichen, sondern etwas für sich selbst tun“, so Piefke. Ebenso wie Grimm verortet sie beide Gegebenheiten in einem bestimmten kulturellen und religiösen Milieu. Während das Problem häufig als eines der islamischen Kultur abgestempelt und mit dem vermeintlich importierten Sexismus verknüpft wird, kommt die Hymenoplastik ebenso in Kreisen ultraorthodoxer Juden*Jüdinnen und fundamentalistischer Christ*innen zum Einsatz. Familiäre Traditionen und religiöse Riten treffen hier auf die gefährliche Desinformation über das „Jungfernhäutchen“ sowie internalisierte Misogynie – der Hymenmarkt profitiert von der resultierenden Verzweiflung junger Frauen.

Dennoch beschreiben Grimm und Pliefke die Anzahl der muslimischen Mädchen und Frauen als besonders dominant. Das könne unter Umständen daran liegen, dass in islamischen Kulturen konkreter über den Eingriff debattiert wird. So erließ unter anderem der schiitische Rechtsgelehrte Sayyid Sadeq Rohani 2020 eine Fatwa zum Thema der Hymenoplastik. Ein solches religiöses Rechtsgutachten ist nicht bindend und wird in Anlehnung an die Scharia (also das islamische Gesetz) gefällt. Laut Rohanis Gutachten ist die Hymenrekonstruktion demnach erlaubt und eine Frau nach dem operativen Eingriff offiziell als Jungfrau zu betrachten. Selbst die finanzielle Unterstützung der betroffenen Frau sei in einem solchen Fall zugelassen.

Hymenoplastik im europäischen Vergleich – Hilft ein Verbot?

Sowohl in den Niederlanden als auch im Vereinigten Königreich soll die Hymenoplastik verboten werden. In Großbritannien und Nordirland werden zugleich auch sogenannte Jungfräulichkeitstests, bei denen nach dem Hymen gesucht wird, illegal, denn die Regierung sieht eine enge Verbindung zwischen den beiden Praktiken. Beide basieren auf dem weit verbreiteten Mythos, der Hymen gebe Auskunft über die Jungfräulichkeit einer Frau. Zudem werden beide Praktiken von Expert*innen mit ehrenbasiertem Missbrauch verknüpft. So sagte die geschäftsführende Direktorin der Iranian & Kurdish Women’s Rights Organisation Diana Nammi gegenüber BBC: „Die Hymenoplastik verursacht ein Trauma und in etwa der Hälfte der Fälle führt sie nicht dazu, dass die Frau oder das Mädchen beim nächsten Geschlechtsverkehr blutet, was sie sehr anfällig für Missbrauch aus Gründen der ‚Ehre‘ oder sogar für ‚Ehrenmorde‘ macht.“

Dänemark verbot Hymenoplastik schon 2019. Seither herrscht ein Mangel an alternativen Hilfsangeboten, obwohl sich an der Lage der betroffenen Mädchen und Frauen nichts geändert hat: Sie sind nach wie vor dem Druck ausgesetzt, der sie in der Vergangenheit zu ausgebildeten Mediziner*innen führte. Womöglich werden die operativen Eingriffe durch das Verbot also nicht weniger, sondern lediglich unsicherer. Das befürchtet auch Gynäkologin Pliefke: „Verbote lösen das Problem nicht. Die Versorgung findet ja jetzt schon im medizinischen Graubereich statt.”

Auch Aktivistin Jorinde Wiese kritisiert den halbherzigen Einsatz Dänemarks. In ihrer Petition #KeinBockaufMythen Schluss mit dem Jungfernhäutchen Mythos! fordert sie zwar bereits seit 2019 ein ähnliches Verbot für Deutschland, doch das wegfallende Angebot der Operation sollte hier durch staatlich finanzierte Aufklärungs- und Hilfsangebote ersetzt und der Begriff des Jungfernhäutchens durch ‚vaginale Korona‘ abgelöst werden.

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Pro familia als Anlaufstelle für aufklärende Beratung

Wenn Jutta Pliefke Mädchen und Frauen empfängt, die an einer hymenoplastischen Behandlung interessiert sind, führt sie zunächst tiefgehende Gespräche mit den Betroffenen. Was im Sexualunterricht hätte stattfinden sollen, holt die Gynäkologin im vertraulichen Rahmen nach. „Die Beratung zielt sicherlich darauf ab, falsche Vorstellungen über den Hymen hinterfragen zu lassen“, sagt Pliefke. Weiterhin klärt sie die Patientinnen darüber auf, was sie von dem Eingriff wirklich erwarten können und versucht herauszufinden, was sie sich erhoffen – nur mit diesem Wissen kann sie den Patientinnen sinnvolle Alternativen aufzeigen. „Den allermeisten geht es entweder um das Bluten oder um das Gefühl“, fährt die Gynäkologin fort. Für beides findet Pliefke gemeinsam mit den Betroffenen andere, weniger invasive Lösungen von Beckenbodentraining bis hin zu künstlichem Blut. So legen sich einige Frauen vor dem Geschlechtsverkehr ein falsches Jungfernhäutchen in die Vagina ein. Die Blättchen, aus denen bei der Penetration geringe Mengen einer roten Flüssigkeit austreten sollen, sind in diversen Onlineshops für etwa 30 bis 50 Euro zu erwerben.

In einem späteren Schritt bietet Pliefke den interessierten Mädchen und Frauen die Möglichkeit, eine gynäkologische Untersuchung durchführen zu lassen. Doch anders als bei einer klassischen Untersuchung, sieht sie sich gemeinsam mit ihren Patientinnen in einem Spiegel an, wie der Hymen aktuell aussieht. So können die Mädchen und Frauen in einem Safe Space mit sich selbst und ihrer Vulva in Kontakt treten. „Oft haben die Patientinnen eine vage Vorstellung davon, dass da irgendwas kaputt ist, was man reparieren muss. Mit dieser Untersuchung kann man gut zeigen, was da zu sehen ist und dass alles schön aussieht und man nichts verändern braucht“, so Pliefke.

Chirurg Andreas Grimm bietet in seiner Praxis in Erlangen “Hymenrekonstruktionen” an. : In einem Monat erhält er etwa zwei bis drei Anfragen, das Alter der Interessierten variiert von 18- bis etwa 40-jährigen Frauen. Laut eigener Aussage unterziehen sich 80 Prozent seiner Patientinnen der Operation trotz vorhergehender Beratung. Bild: JC Gellidon.

Viele Frauen setzen auch nach der Beratung auf Hymenoplastik

Auch der Schönheitschirurg Andreas Grimm berät seine Patientinnen vor dem operativen Eingriff ausführlich. Doch während die Beratung bei pro familia den Großteil der Mädchen und Frauen von Hymenoplastik abhält, scheint die Beratung von Grimm sie eher davon zu überzeugen. Laut eigener Aussage unterziehen sich 80 Prozent seiner Patientinnen der Operation trotz vorhergehender Beratung. Womöglich sind Interessierte, die sich direkt an eine Praxis für ästhetische Chirurgie wenden, jedoch von vornherein entschlossener als solche, die zunächst eine kostenlose Beratungsstelle aufsuchen.

Grimm ist sich der Desinformation über den Hymen ebenso wie Pliefke bewusst. „Meine Patientinnen werden natürlich darauf hingewiesen, dass es beim ersten Mal nicht zwangsläufig bluten muss, auch wenn man Jungfrau ist, das ist einfach ein Irrglaube“, sagt der Chirurg. Mithilfe von Bildern, die unterschiedliche Formen eines Hymens zeigen, veranschaulicht er den Frauen: Den einen intakten Hymen gibt es nicht. Auch macht er sie darauf aufmerksam, dass das Ergebnis der Operation variieren kann, verweist in besonderen Fällen auf Frauenhäuser und generell auf Alternativen zur Hymenoplastik.

Bildungspolitische Ansätze könnten dem Hymenmarkt ein Ende setzen

Hymenoplastik steht und fällt mit Desinformation: Werden Menschen jeden Geschlechts angemessen über den Hymen und seine vielfältigen Formen aufgeklärt, so können sie die Vorstellung vom Jungfernhäutchen als Maßstab der Jungfräulichkeit womöglich überwinden. Weil umfassende Aufklärung über die Vulva jedoch jahrelang Mangelware an deutschen Schulen war und immer noch patriarchalische Strukturen vorherrschen, hält sich der Mythos des Jungfernhäutchens hartnäckig. Davon profitiert der Hymenmarkt.

Nachdem sich neben anderen die Biologie- und Sportlehrerin Sina Krüger aus Berlin für eine korrekte Darstellung der Klitoris einsetzte, überarbeiteten die Verlage Klett, Westermann und Cornelsen 2021 einige Auflagen ihrer Biologiebücher. Neue Abbildungen offenbaren die wahre Größe der Klitoris. Doch der Hymen ist weiterhin als Jungfernhäutchen gekennzeichnet. Lediglich Cornelsen stellt in seinen neuen Auflagen schriftlich richtig, dass vom Hymen keinerlei Auskunft über das Sexualleben eines Menschen ausgeht. Bei den anderen Verlagen besteht weiterhin Nachholbedarf. Es könnte also noch dauern, bis sich der jahrelang im Schulunterricht, in persönlichen Gesprächen und in medialen Darstellungen reproduzierte Mythos des Jungfernhäutchens verabschiedet.

Fehlinformationen zur Jungfräulichkeit gesamtgesellschaftlich revidieren

Grimm und Pliefke sind sich einig: Solange die Erzählung vom „intakten“ Hymen in strenggläubigen Familien vorherrscht, sollten Betroffene mit ihrer Verzweiflung nicht allein gelassen werden. „Die Mädchen und Frauen können das nicht ausbaden. Da muss man gemeinsam eine Lösung finden – mit dem Wissen, dass man damit das Problem aber natürlich aufrechterhält“, sagt Pliefke. Auch Grimm, der für einige Zeit auf das Durchführen der Operation verzichtet hat, machen die Anfragen zur Hymenoplastik ratlos. „Man tut sich zu leicht, wenn man sagt, man soll das als Arzt ablehnen und damit das patriarchalische System bekämpfen. Denn die Frauen und Mädchen, die hier anrufen, sind wirklich verzweifelt“, so der Chirurg.

Umso dringlicher gilt es, jegliche Fehlinformationen über den Hymen zu revidieren und Schüler*innen bereits im jungen Alter eindringlich und nachhaltig aufzuklären und auch außerschulisch anzusetzen. Denn der Hymen ist nicht repräsentativ für das Sexualleben junger Frauen. Und deren Wert hängt nicht von ihrer sexuellen Aktivität ab.