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Foto: Alicia Kassebohm

Das Wissens-Netzwerk der Zukunft ist bunt – Interview mit Lara Stein

Lara Stein ist eine Frau mit zahlreichen Facetten: Viele kennen sie vor allem durch ihre Zeit bei TED, damals gründete und leitete sie TEDx und TED Prize. Sie beschreibt sich selbst als Brainstormerin, Umweltschützerin, Entdeckerin, Weltenseele, Ideengeneratorin, Mutter, Performerin und Web Guru.

Möchte man all ihre Beteiligungen und sozialen Tätigkeiten aufzählen, weiß man gar nicht, wo man eigentlich anfangen soll.

Wir haben sie letzte Woche in Berlin getroffen, um mit ihr über ihr neuestes Projekt Boma zu sprechen und Ideen, die die Welt verändern sollen und können.

Hi Lara, ich freue mich Dich kennenzulernen. Du bist der Executive Director von Women’s March Global, einer Tochtergesellschaft von Women’s March. Wie kam es dazu, dass Du Dich an dem Projekt beteiligt hast? 

Ich habe mich die letzten 15 Jahre besonders mit dem Prozess beschäftigt, wie man Communities, Netzwerke und Organisationen aufbaut, die die vorgegeben Systeme der Welt, in der wir leben, verbessern. Während meiner Zeit bei TED ging es in meiner Position vor allem darum, das nötige Geld aufzutreiben und dafür zu sorgen, dass die Menschen auch wirklich erscheinen. Allerdings ging es bei TED immer nur um Inspiration und nicht um richtigen Impact, den ich erzielen wollte.

Im Jahr 2017 ist dann über Nacht der Women’s March entstanden. Ich habe selbst zwei Töchter und habe die Bewegung als wichtigen Moment unserer Zeit und für uns Frauen gesehen. Deshalb wollte ich meine Expertise nutzen und die Bewegung unterstützen. Ich fing als Volontärin an, den Initiatoren einen strukturierten Rahmenplan zu liefern, nach dem sie besser organisiert arbeiten können. Es geht beim Women’s March nämlich nicht nur um einen Marsch, sondern um viele Gender- und Gleichstellungsfragen und darum, wie man diese in den verschiedenen Communities bewältigen kann. Bei dem Women’s March Global fokussiere ich mich nun auf alle Gebiete außerhalb der USA.

Foto: Alicia Kassebohm

Du bist außerdem noch im Board von Equality Now (einer Nichtregierungsorganisation, die für den Schutz und die Förderung von Frauenrechten arbeitet) und Lalela (einer Non-Profit-Organisation, die sich für kulturelle Bildungsprojekte in Südafrika einsetzt). Wie bist Du allgemein mit sozialen Projekten in Berührung gekommen?

Ich habe schon mein ganzes Leben in solchen Organisationen und Non-Profits gearbeitet und diese Unternehmensvorlagen, Netzwerke, Gemeinschaften und auch Produkte herausgebracht. Allgemein ist mein Kompass im Leben, dass meine Arbeit bedeutsam sein muss. Und damit meine Arbeit sinnvoll ist, muss sie nachhaltig positiv etwas verändern können – für Individuen und die Welt als Ganzes. Bei meiner Arbeit für diese Organisationen konzentrieren wir uns daher immer auf die Frage, wie wir Systeme ändern können, damit sie das Leben der Menschen verbessern.

Was ist Deiner Meinung nach das aktuell wichtigste Projekt oder vielmehr Thema bei diesen Organisationen?

Ich glaube, ich übertreibe nicht, wenn ich sage, dass wir in einer wahrhaft komplizierten Zeit leben. Wenn wir uns die Geschwindigkeit der technologischen Veränderungen anschauen – mit künstlicher Intelligenz, Robotik, Nanotechnologie und Medizin – alle Bereiche erleben einen radikalen Wandel. Aber es geht nicht nur um den technologischen Wandel, auch wenn einige Menschen die Geschichte so vereinfachen wollen, weil es damit einfacher ist, sie zu erzählen. Wir müssen wirklich die Komplexität des Moments ergreifen, den politischen Wandel, Klimawandel, sozialen Wandel, dezentralisierte Organisationen und all diese Träger beinhaltet.

Aber wie nutzen wir wirklich den Moment, um über die Zukunft nachzudenken und eine Zukunft zu designen, in der wir auch leben möchten? Und vor allem: Wie holen wir hierbei all die Stakeholders ab, um mit uns gemeinsam über eine Zukunft nachzudenken? Welche Rolle werden Konzerne, Regierungen und Institutionen in diesem Plan spielen müssen?

Wie schaffen wir also diesen Prozess in Gang zu setzen, bei dem alle mitspielen müssen, wenn die großen Unternehmen und Institutionen, die diese Veränderungen eigentlich umsetzen müssten, gar nicht mit dieser Geschwindigkeit mithalten können? Wie können wir also diese Agilität in Zukunft bei den Unternehmen schaffen?

Daran arbeiten wir bei dem Weiterbildungs-Konzept von Boma aktuell. Wir wollen eine dezentralisierte Lerngemeinschaft aus lokalen Länderpartnern bilden, die einen Wandel auf globalem Level schaffen, und eine weltweite Lernplattform erarbeiten, zu der die Partner beitragen, um diese Vordenkerrolle zu stärken.

Foto: Alicia Kassebohm

Du bist außerdem noch die Gründerin und ehemalige Leiterin von TEDx, einem Programm mit Events, die Menschen zusammenbringen, die ihre jeweiligen TED Erfahrungen teilen, oder in anderen Worten „ideas worth spreading”. Während man bei den TEDx Events anschließend mit einem kreativen Impuls nach Hause gegangen ist, wollt Ihr mit Boma die Menschen zum Aktivismus animieren und sie zum Umsetzen ihrer Ideen bringen. Wie wollt Ihr das angehen?

Wir haben eine interne Redensart bei Boma: „so what, now what?”. Die beschreibt ziemlich gut, wie wir an die Sache herangehen – ob es nun um unsere Audienz, Teilnehmer oder Corporate Partner geht.

Hier geht es nicht nur darum inspiriert zu werden, sondern eben auch darum, über die Idee und die nächsten Schritte zu sprechen und vielmehr die nächsten Schritte umzusetzen, die eine entsprechende Wirkung haben. Hierfür ist es wichtig, eine Plattform mit Gleichgesinnten zu haben, die Menschen in der ganzen Welt erreichen kann, die ebenfalls etwas verändern wollen oder sich inspirieren lassen möchten.

Hast du einen allgemeinen Tipp an alle, die zwar tolle Ideen haben, aber es nicht schaffen, ihre Ideen auch in die Realität umzusetzen?

Ich denke eine Strategie Ideen zu verwirklichen ist, sich eine eigene Community aus Menschen zu schaffen, die deine Idee befürworten und sie unterstützen, wenn es darum geht den nächsten Schritt zu tun. Außerdem empfehle ich auchimmer einen Prototypen zu erstellen und diesen zu testen. Selbst wenn man damit Fehler macht, kann man viel aus dieser kleinen Testrunde lernen. Bei Boma setzen wir uns mit lokalen Gemeinschaften für den Einzelnen ein und unterstützen Ideen über einen langen Zeitraum.

Es wird aktuell viel über die Notwendigkeit von neuen Management- und Lernmethoden gesprochen. Warum brauchen wir ein neues Lernsystem?

Die Welt, in der wir leben, befindet sich gerade in einem rapiden Wandel Richtung Dezentralisierung. Das kann man gut am Beispiel von Meca Movement, Blockchain oder Creative Commons sehen – sie sind Beispiele für dezentralisierte Organisationen und Prozesse. Zur gleichen Zeit sind viele unserer Gesellschaften und Regierungen für eine „von oben herab Kontrollmentalität” optimiert.

Hier sieht man dann die Spannungen zwischen der Zukunft, die dezentralisiert, agil, digitalisiert, demokratisiert und demonetisiert sein wird, und Organisationen, die weitermachen, als hätte sich nichts verändert – in ihren Management-Stilen und der Art und Weise, wie sie ihre Angestellten behandeln. Gleichzeitig gibt es aber die jungen Menschen, die zunehmend mehr diesen Unternehmen fordern. Sie wollen wissen, was genau sie kaufen und für wen oder was sie arbeiten. Denn all das repräsentiert ihre Wertvorstellungen.

So gibt es dann zwei unterschiedliche Kräfteeinheiten. Die Transformation der Unternehmen unterstützen wir mit Boma, indem wir der Frage nachgehen, wie wir diese agilen, verantwortungsvollen Leadership-Rollen definieren können und wie wir Unternehmen dabei helfen können, sich dahingehend zu verändern. Es geht viel um Inspirationen, aber auch um ein Curriculum, das wir aufbauen, mit dem wir uns Neugierde und Aufgeschlossenheit zu eigen machen und uns in diese beschriebene Richtung bewegen.

Foto: Alicia Kassebohm

Wie sieht die Führung der Zukunft dann dementsprechend aus? Was wird eine der wichtigsten Eigenschaften von jemandem sein, der in einer Führungsposition tätig ist?

In Zukunft wird noch mehr Mut in moralischen Fragen benötigt werden als ohnehin schon. Führungskräfte müssen in der Lage sein, hervorzutreten und zu erklären, dass sie zwar verstehen, dass unsere Stakeholder Profitmaximierungen verlangen, aber dass das nicht länger ein verantwortungsbewusster unternehmerischer Weg in einer Welt ist, die wir gerade dabei sind zu zerstören.

Wir müssen eine Art Balance finden, so dass sich Vorsitzende vor Aufsichtsräten und Gesellschaftern gut positionieren können, sich trauen diesen Weg einzuschlagen, und sich gleichzeitig fair und gut ihren Mitarbeitern gegenüber verhalten können – hier müssen wir einen Weg finden, der für alle funktioniert und für den alle zusammenarbeiten.

Eine der größten Herausforderungen heute und auch in Zukunft stellt der Klimawandel und Umweltbelastungen dar, die durch uns Menschen hervorgerufen werden. Denkst Du, dass es in Zukunft selbstverständlich sein wird, diese in der eigenen Firmen-DNA einzubringen? Wird es in Zukunft Bestandteil jeder Unternehmensidentität sein?

Das Netzwerk von Boma wurde dafür designt, Probleme wie den Klimawandel anzugehen. Eine Problematik, die wir nächstes Jahr genauer angreifen werden, ist die Food Security (Ernährungssicherheit) und Zukunft der Landwirtschaft, da es sich hier um das Epizentrum von einigen Gefahren und Belastungen handelt, sei es den Klimawandel, politischen oder technologischen Wandel. Das Thema Essen ist etwas sehr Persönliches, aber gleichzeitig auch etwas sehr Politisches. Wie wir mit Essen umgehen, impliziert viele Komplexitäten, mit denen wir aktuell umgehen müssen.

Deshalb planen wir für nächstes Jahr fünf Events in fünf Ländern zu dem Thema umzusetzen, um Lösungen zu finden. Hierfür benötigen wir aber die Unterstützung und den Willen von allen Stakeholdern, etwas verändern zu wollen. Denn egal welche Statistik man sich zum Thema Umwelt anschaut – es sieht nicht gut aus.

Foto: Alicia Kassebohm

Du hast drei Kinder, die noch zur Schule gehen. Was ist das Wichtigste, was Du ihnen versuchst beizubringen oder mit auf den Weg zu geben, wenn es um ihre Zukunft geht?

…Werte zu haben und gute Menschen zu sein… genauer und tiefgründiger über die Welt und andere Menschen nachzudenken und versuchen, Dinge aus der Perspektive von anderen zu sehen.

Ich glaube fest daran, dass nahezu all unsere Probleme auf dieser Welt darauf basieren, dass wir versuchen unsere eigenen Werte anderen aufzudrängen und andere für ihre zu verurteilen, anstatt Menschen zu erlauben, einfach nur in dieser Welt zu leben. Deshalb versuche ich meine Kinder dazu zu ermutigen, anderen zuzuhören – anders wird man nicht von ihnen lernen können.

Wenn wir jetzt nochmal zum Abschluss über die Me-Too-Bewegung sprechen: Inwiefern werden ethische Themen und Gleichstellungsfragen in Zukunft eine Rolle spielen? Wird Gleichberechtigung in jeglicher Art und Weise etwas ganz Normales in Unternehmen und verschiedenen Kulturen sein?

Ich würde mir wünschen, meinen Töchtern beim Aufwachsen in einer Welt zuzuschauen, in der dieses Thema nicht existiert. Aber ich habe das Gefühl, dass es unrealistisch ist, dass es diese Veränderung bald geben wird. Alle Frauen mit verschiedenen Herkünften und Hautfarben, werden lange noch für Gleichberechtigung und Macht in den verschiedensten Gebieten kämpfen müssen. Meine Töchter gehen auf eine Mädchenschule und ich möchte gerne glauben, dass sie denken, sie könnten alles in der Welt machen und auch schaffen und egal in welche Arbeitswelt auch denselben Respekt bekommen, wie ihre männlichen Kollegen.