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Foto: Lj Lara.

Die natürlich digitale Familie

Wenn Digital Natives Eltern werden, legen sie das Smartphone nicht plötzlich aus der Hand. Sie nutzen es als Ratgeber, zur Kommunikation und als Chance enger zusammenzurücken.  

Die Kinder von Digital Natives sind häufig bereits im Netz, bevor sie geboren werden. Sharenting hat das Wall Street Journal das Social Media Verhalten von Eltern bezeichnet die ihre Kinder mit der digitalen Öffentlichkeit teilen und damit international eine Debatte ausgelöst, wie viele Fotos und Videos des eigenen Kindes im Netz überhaupt gesund sind für die Psyche von Eltern und Kind. 

So ein praller Bauch ist eben fotogen und wenn Freund*innen und Bekannte sich mit Glückwünschen überschlagen, hüpft das Herz werdender Eltern. Wenn dann noch eine Bekannte schreibt: „ICH AUCH!!“ ist das Glück perfekt. Eine Verbündete ist gefunden! 

Den körperlichen und teilweise auch emotionalen Ausnahmezustand ihrer Schwangerschaft teilen viele Schwangere nicht nur mit Freundinnen sondern auch online. In Foren werden Ängste und Probleme geteilt und besprochen, welcher Kinderwagen die beste Anschaffung ist. Lebendige Communities sind für Eltern die primäre online Informationsquelle zum Thema Baby, Kind und Elternschaft. Da können unpersönliche Ratgeber kaum mithalten. Bis man dort eine Antwort auf seine individuelle Frage gefunden hat, haben online schon drei Schwangere geschrieben, was ihre Erfahrung ist.  

Das neue Familienglück auf Instagram zu teilen ist heute selbstverständlich. Foto: Hui Chang.

Sobald man den Geburtstermin kennt (diesen kann man natürlich online erfahren), kann man sich auf den Schwangerschaftsverlauf abgestimmte Informationen liefern lassen. App oder Newsletter verkünden dann jeden Entwicklungsschritt des ungeborenen Kindes. “Jetzt kann ich Dich hören” oder “Inzwischen bin ich so groß wie eine Honigmelone” wird der Mutter oder dem Vater dann mitgeteilt. Quasi Live Information direkt aus dem Bauch. 

Per Whatsapp teilen 70% der Mütter die Geburt ihres Kindes

Ist der Bauch verschwunden und das Kind auf der Welt, läuft das Telefon heiß. Die Familie, die Freunde, die Bekannten, wollen informiert werden! Pling! Das noch zerknautschte Gesicht des neugeborenen Babys erscheint auf den Handy Displays. Begleitet von ein paar Worten: Glückliche Eltern, gesundes Baby, Name, Gewicht, Größe. Eine Meldung an das gesamte Umfeld, direkt aus dem puren Elternglück. 

Per WhatsApp verkünden fast 70% der Mütter die Geburt ihres Kindes. Das ist praktisch und schnell. Die Neuigkeit führt zu einem direkten Austausch. Tipps und Glückwünsche landen direkt im Wochenbett und nicht erst nach Tagen im Briefkasten.   

Digital Detox ist im Wochenbett eh nicht angesagt. Denn Antworten auf jene Fragen, die mit dem Baby geboren sind, finden sich am einfachsten online. “Ist es normal, dass ich alle 10 Minuten horche, ob sie noch atmet?” Ärzt*innen würden einem wohl empfehlen den Zwang zum eigenen Wohl zu unterdrücken. Andere Eltern sagen: “Klar! Ging uns in den ersten Wochen auch so.” Und schon ist Ruhe im aufgewühlten Herz der jungen Eltern, denn man fühlt sich normal in seinem Ausnahmezustand. Und aufgehoben unter Fremden. Auch das ist dieses anonyme Internet. Geborgenheit für jede Frage und jede Sorge. 

Per WhatsApp verkünden fast 70% der Mütter die Geburt ihres Kindes. Das ist praktisch und schnell. Die Neuigkeit führt zu einem direkten Austausch. Foto: The Honest Company.

Eltern als Vorbildfunktion für die Smartphonenutzung

Das Handy bleibt also in der Hand! Da ist ja auch die Kamera drin. Schneller als man gucken kann, ist die Camera Roll des Telefons voll. Mit Babybildern. Jeder Moment will festgehalten werden, während dieses kleine Wunder vor den eigenen Augen erst laufen, dann schreiben und irgendwann dazwischen Handy und Tablet zu bedienen lernt. 

Was die Eltern häufig in den Händen haben, will eben auch jedes Kind. Da machen die Kleinen keinen Unterschied zwischen Schlüssel, Kochlöffel und Smartphone. Gelernt wird, eben durch Neugierde und Nachahmung.

Schon von klein auf werden die jüngsten Familienmitglieder mit dem Internet vertraut gemacht. Foto: Jelleke Vanooteghem

Sind die Kleinen dann etwas größer, können schreiben, Selfies machen und besitzen ein eigenes Handy, findet die Kommunikation zwischen Familienmitgliedern dank des Smartphones neue Wege. Geteilte Kalender, in denen jede*r die eigenen Termine mit Rücksicht auf die der anderen einträgt. gemeinsame Boards auf Pinterest, um die Kinderzimmerdeko zu planen. Und natürlich Familiengruppen zur Kommunikation zwischen Frühstücks- und Abendbrottisch. Textnachrichten funken dabei am häufigsten zwischen Schule und Büro hin und her. 

 

Handy weg: Jugendliche Demonstrieren gegen Handynutzung der Eltern

2018 gab es einige Demos auf denen Jugendliche gegen die Handynutzung ihrer Eltern demonstrierten. Es wird also auch innerhalb der digitalen Familie debattiert, wie viel zu viel ist. Um selbst das richtige Maß zu finden, sind Vorbilder essentiell: „Eltern raten wir […], in der Familie darüber zu sprechen, wann Medien hilfreich sind und wann es zu viel wird.“ sagt Medienpädagogin und Mediencoach Kristin Langer. „Sie sollten ihre Vorbildrolle bewusst einnehmen, denn nicht nur Regeln vermitteln Kindern ein gesundes Verständnis für Medien, sondern auch das „Vorleben“ in der Familie.“ 

214 Minuten waren Jugendliche 2018 im Durchschnitt täglich online. Doppelt so lange, wie noch 2007. Die Zahl ist dennoch kein Zeichen dafür, dass eine Generation an Smombies heranwächst. Denn digitale Dienste werden auch immer häufiger zum Lernen genutzt. 

Die moderne Mutter geht mit Kind zum Sport und dokumentiert ihre Erfolge auf den sozialen Medien. Foto: Kelly Sikkema

Weitere Infos zum Einfluss der Digitalisierung auf das Familienleben gibt es auf kartenmacherei.de

Wie gesamtgesellschaftlich sind die Veränderungen, die mit der Digitalisierung und ihren Möglichkeiten einhergehen, auch in der Familie weitreichend und nicht ausschließlich positiv oder negativ. Aber sie bietet die Chance, dass Familien nicht den Tag über jeder in eine eigene Blackbox verschwinden, sondern währenddessen in Kontakt bleiben und so enger zusammenrücken. Sich direkter austauschen und Momenten teilen.. 

Mit den Chancen gehen Gefahren einher. Zuviel starren in einen Bildschirm. Zuviel jede*r in seinem oder ihrer digitalen Welt, obwohl nebeneinander sitzt und miteinander sprechen könnte. Zuviel große Firmen, die an unserer Aufmerksamkeit verdienen und ihre Algorithmen so programmieren, dass sie uns süchtig machen. 

Digital Natives sind mit den Chancen und Risiken der Digitalisierung aufgewachsen. Sie kennen die Diskussionen in den Feuilletons und auf Familienfeiern. Wer wenn nicht sie, kann es schaffen die Digitalisierung für ihre neue Familie zu nutzen?!